Sachsen

Willkommen in Hoytopia!

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Warten auf die Abrissbirne: Leerstehender Plattenbau in Hoyerswerda © Deutschlandradio - Nadine Lindner
Von Nadine Lindner · 26.11.2014
Über 70.000 Menschen lebten einst in Hoyerswerda. Heute sind es noch knapp die Hälfte. Für manche Bewohner sind die Veränderungen schmerzhaft. Andere nutzen die Freiräume – für neue Utopien.
Hoyerswerda an einem Nachmittag im Spätherbst. Wie ein Monolith steht ein fünfgeschossiger Plattenbau am Rande einer Grünfläche. Max Häfner führt mich durch seine Heimatstadt. Beziehungsweise durch das, was davon noch übrig geblieben ist.
Max Häfner: „Der Ort ist charakteristisch für Hoyerswerda. Wir befinden uns hier im ehemaligen Wohngebiet WK 10. Bis vor zwei Jahren stand das noch alles voll mit Blöcken. Und jetzt ist es nur noch Brachland mit Bäumen und Wiesen."
Stück für Stück rückt die Natur so wieder in die Stadt hinein. Später kommen wir an einem Bowlingcenter vorbei, Max und seine Freunde gehen hier immer mal spielen. Wie beiläufig lässt Max fallen: Naja, mal schauen, wie lange es das noch gibt... Der Rückzug der Stadt ist auch für ihn Alltag.
Rückbau, Schrumpfung, Abriss von Plattenbauten in der Neustadt. Zu Hochzeiten lebten über 70.000 Menschen hier. Jetzt sind es noch 34.000. Hoyerswerda ist die am schnellsten schrumpfende Stadt Deutschlands.
Doch die kleine Stadt in der Lausitz war einmal ein Ort der Utopie, Anziehungspunkt für Pioniere, die ein riesiges Energiekombinat aufbauten. Zehntausende schufen hier eine sozialistische Modellstadt. Arbeiten im Werk „Schwarze Pumpe", schlafen in Hoyerswerda – so funktionierte das über Jahrzehnte. Die Gegend war der Stolz der DDR, wurde doch hier die Energieversorgung eines ganzen Landes per Braunkohle sichergestellt.
Finger in der Wunde
Aufbau, Rückbau, Utopie, Niedergang – diese vielen Gesichter Hoyerswerdas versucht Dorit Baumeister zusammenzubringen. Sie ist Architektin, aber auch Initiatorin zahlreicher Kunst-Projekte, die die schmerzhaften Veränderungen in der Stadt aufgreifen – nicht immer zur Freude ihrer Mitbürger.
Dorit Baumeister: „Aber es gab auch viele, die gesagt haben, die ist verrückt. Jetzt legt die mit diesem schlimmen Thema den Finger in die Wunde und erzählt der Welt davon. Aber das war meiner Ansicht nach der verkehrte Ansatz, wir müssen uns den Veränderungen stellen, sonst gehen wir unter."
Auf „Super-Umbau", das erste Projekt 2003, folgten „Die Dritte Stadt" und „Orange Box". Ein Projekt mit Schülern hieß „Hoytopia", eine Wortneuschöpfung aus Hoyerswerda und Utopia.
Auch wenn sie oft genug mit der Stadt hadert, sie freut sich über die Freiräume, die der Wandel auch mit sich bringt.
Dorit Baumeister: „Wir machen hier so viele irre Sachen, dass ich immer denke, wenn ihr wüsstet, wie spannend das ist, in den letzten zehn Jahren in dieser Stadt zu leben."
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