Sachbuch

Kritische Abrechnung mit dem Versicherungsmarkt

Ein Taschenrechner und Münzen liegen auf einem Blatt Papier, auf dem Lebensversicherung steht
Die Verzinsung von Lebensversicherungen ist für Sparer derzeit unattraktiv. © dpa/picture alliance/Arno Burgi
Von Ernst Rommeney · 09.01.2015
Das Geschäft der Lebensversicherer wackelt, nicht nur wegen der anhaltend niedrigen Zinsen. Der Wirtschaftsjournalist Leo Müller zeigt in "Versichert, verraten, verkauft", mit welch dubiosen Praktiken Versicherer ihre Kunden um Geld prellen.
Der Kunde einer Versicherung sei verraten und verkauft – von Unternehmen, Vertretern und auch vom Gesetzgeber, schreibt Leo Müller. Statt versichert zu sein, wäre es lange Zeit lukrativer gewesen, sich an einer Branche finanziell zu beteiligen, die einen Gutteil der Prämien in die eigene Tasche wirtschafte.
Doch nicht einmal Aktionär zu sein, dürfte sich lohnen, sollten Geschäftsmodelle im Konkurs enden. Und genau das erwartet Leo Müller: Auf den Bankencrash werde die Versicherungskrise folgen.
Der Wirtschaftsjournalist skandalisiert über 352 Seiten. Und wer unzufrieden ist mit der Assekuranz, wird diese Geschichte eines Auf- und Abstiegs mit Genugtuung lesen. Das Buch fasst zusammen, was seit den Sechziger-Jahren schief gelaufen ist, immer wieder kritisiert wurde, ja empört hat.
Kundenfreundlicher seien die Versicherer unterdessen nicht geworden, hätten stets nur mit Worten, nicht aber mit Taten reagiert: Sie hätten, so sein Vorwurf, nie etwas dazugelernt.
Es geht an die die betriebliche Substanz
Nun aber gehe es an die betriebliche Substanz, vor allem der Lebensversicherungen und der Versorgungswerke. Die anhaltend niedrigen Zinsen verderben nicht nur das Neugeschäft, sondern sie erschweren, die vergleichsweise hohen Garantiezinsen der Altverträge zu erwirtschaften.
Sollten aber wacklige Schuldnerländer wie Griechenland ihre Staatsanleihen gar nicht mehr bedienen können oder wollen, dann verlören am Ende auch Versicherungen angelegtes Kapital. Solcher Risiken wegen zwingt die EU die Versicherer, ab 2016 ihr Eigenkapital zu erhöhen.
Andererseits sind auf einem gesättigten, zunehmend skeptischen und deswegen hart umkämpften Markt der Policen Margen, die alle Ansprüche decken sollen, nur schwer zu erlösen.
Leo Müller sagt noch weiteres Ungemach voraus, jenen Unternehmen nämlich, die Kunden auf dem Weg über ausländische Finanzplätze beim Steuerbetrug geholfen haben. Die Behörden, allen voran das amerikanische Justizministerium, hätten aus ihren Ermittlungen gegen Banken ausreichend belastendes Material, um nach und nach auch Versicherungsgesellschaften mit hohen Strafzahlungen zu belegen.
Kunden sind zu leichtgläubig
Und die Kunden tragen die Folgen dieser Risiken mit, denn je nach Finanzprodukt erhalten sie weniger zurück, als zuvor erwartet oder versprochen. Und weil sie oft leichtgläubig und uninformiert ihr Geld in fremde Hände gäben, kritisiert sie der Wirtschaftsjournalist nicht minder scharf als die ganze Branche.
Da nun aber Assekuranz und Banken über Jahrzehnte Vertrauen verspielt hätten, verlangt er vom Gesetzgeber, endlich eine unabhängige Finanzberatung gegen Honorar vorzuschreiben. Vermittler auf Provisionsbasis seien vielleicht gute Verkäufer, aber nicht unbedingt fachlich versiert.
Sie würden weder die Anlageprodukte, die sie empfehlen, wirklich kennen, noch auf Bedürfnisse ihrer Kunden sachgerecht eingehen. Selbst die Pflicht, Beratungsprotokolle zu schreiben, habe die Qualität nicht verbessert. Unvollständig und oberflächlich ausfüllt, dienten sie lediglich dazu, im Zweifelsfalle Beschwerden von Kunden abzuwehren.
Schleier der Intransparenz
Auch die Versicherungsunternehmen selbst würden beharrlich ihre Leistungen hinter einem Schleier aus Intransparenz verbergen. Die Konditionen einzelner Produkte seien schwer zu durchschauen und die Prämien nicht zu vergleichen. Über Erfolg und Misserfolg von Anlagestrategien werde nicht Auskunft gegeben.
Ebenso wenig ließen sich Provisionen und Gebühren aller Art nachvollziehen, die jedoch die Rendite einer Altersvorsoge oder Kapitalanlage gravierend schmälern könnten. Denn immer, das bläut Leo Müller seinem Leser ein, verdienten zuerst die Versicherer und ihre Geschäftspartner.
Darum rät er, vermeintlich kostenlose Services, auch reine Steuersparmodelle zu meiden. Stattdessen sollte der Verbraucher auf eigene Kosten einen Berater beauftragen, um sich nach gründlicher Recherche selbst ein Portfolio zusammenzustellen.
Wirklich erfolgreich wäre diese Alternative aber erst, wenn jedermann bereits auf der Schule etwas über Kapitalanlage gelernt habe. Denn, so sein letzter Satz: "Es ist Ihr Geld, sie sind selbst Ihr bester Treuhänder!"

Leo Müller: Versichert, verraten, verkauft
Econ, Berlin 2015
352 Seiten, EUR 19,99

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