Sachbuch

Auf verschlungenen Wegen

Geldscheine hängen durch Wäscheklammern gehalten auf einer Wäscheleine.
Geldverschwendung - das ist nach Ansicht von Gabriel Zucman die Folge, wenn in einige Finanzoasen große Beträge anderer Volkswirtschaften fließen © dpa / picture alliance / Jens Kalaene
Von Jürgen Kaube · 28.07.2014
Der französische Ökonom Gabriel Zucman setzt sich in "Steueroasen" mit Verteilungsgerechtigkeit von Kapital auseinander. Er ordnet zu und klärt auf über das Horten von Geld in ausgewählten Finanzkapitalen.
Der französische Ökonom Gabriel Zucman lehrt an der London School of Economics. Sein Spezialgebiet ist die Ermittlung im ökonomischen Dunkelfeld. Zucman nämlich hat versucht herauszufinden, wie viel unversteuertes Vermögen weltweit in Länder verbracht wird, deren Bankensystem auf Steuerflüchtlinge ausgerichtet ist.
Für Zucman bilden Steueroasen wie die Schweiz, Luxemburg, oder Singapur das Zentrum der Finanzkrise vieler Staaten. In der EU seien zwölf Prozent der privaten Finanzvermögen in solchen Oasen angelegt. Das treibe die Staatsverschuldung an, weil die Steuereinnahmen fehlen. In seinem Buch, dessen Berechnungen auch von Ökonomen solide genannt werden, die seine Schlussfolgerungen nicht teilen, beschreibt er auf sehr verständliche Weise, wie Steueroasen funktionieren, wie sie entstanden sind, wie man zu Einschätzungen ihrer Größe kommt und was gegen ihre Existenz getan werden könnte.
Die Modelloase seiner Argumentation ist die Schweiz. Zucman widerlegt die alte Legende, sie sei vor allem ein Zufluchtsort für Kapital, das vor dem Zugriff diktatorischer Regime in Sicherheit gebracht werde. Das stimmte schon als historische Behauptung, zwischen 1933 und 1945 seien vor allem jüdische Vermögen auf den Schweizer Konten gelandet, nicht. Und es ist auch heute unrichtig. Von den 1800 Milliarden Euro Auslandsvermögen in der Schweiz stammen etwa 1000 Milliarden aus Europa. Der Löwenanteil davon besteht aus Wertpapieren, die nominell wiederum über Firmen in Luxemburg und auf den britischen Jungferninseln verwaltet werden. Die Banken haben viel Intelligenz in die Konstruktion solcher Versteckspiele investiert. Der Verlust an Einkommens-, Kapitalertrags- und Erbschaftssteuer beträgt, Zucman zufolge, weltweit insgesamt 130 Milliarden Euro jährlich.
Zucman, dessen Berechnungen also noch nicht einmal illegal (aus Drogengeschäften, Bestechung, Schwarzarbeit) eingenommenes Geld berücksichtigen, zielt auf das Bankgeheimnis. Würde es weltweit fallen, könnten die Staaten die allgemeine Steuerlast, etwa die Mehrwertsteuer deutlich reduzieren. Dass sie es auch täten, ist natürlich eine verwegene Hoffnung, wie überhaupt Zucman der Politik recht viel Tugend zutraut.
Als Motiv zur Bekämpfung der Steuerflucht braucht man solche Hoffnungen jedoch nicht. Zucman schildert, welchen Widerständen das Verlangen nach Informationsaustausch zwischen Staaten begegnet und welche Macht auf Seiten der Banken darin liegt, dass digitale Technologien, internationale Rechtsgrenzen und die Verschachtelung von Firmen es dem Fiskus schwer machen. Als Lösung fordert er ein globales Finanzkataster, einen Katalog von Sanktionen gegen Banken, die es falsch informieren, und eine weltweit einheitliche Kapitalbesteuerung. Träum' weiter, möchte man da an mancher Stelle sagen. Aber warum sollte eine allmähliche Erhöhung des politischen Drucks auf Länder wie die Schweiz, Luxemburg oder auch die von Zucman unerwähnt gelassenen Niederlande nicht in diese Richtung gehen?
Wir sind in diese Welt der staatsbürgerlichen Pflichtverletzung im großen Stil hineingekommen, also können wir aus ihr auch wieder herauskommen. Bücher wie dieses sind ein bewußtseinsbildender Beitrag dazu.

Gabriel Zucman: Steueroasen: Wo der Wohlstand der Nationen versteckt wird
Suhrkamp Verlag, Berlin 2014
118 Seiten, 14 Euro

Mehr zum Thema