Ruhe bitte!

Von Anke Schaefer · 22.06.2009
In Karlsruhe prüft das Bundesverfassungsgericht am Dienstag eine Klage gegen die zehn verkaufsoffenen Sonntage in Berlin. Kläger sind die evangelische und katholische Kirche. Sie sehen den heiligen Sonntag und die menschliche Seelenruhe bedroht. Dass der Sonntag überhaupt zum Ruhetag wurde, hat eine lange Geschichte.
Im Jahr 321 wurde der Sonntag zum Feiertag - zuvor heiligten die ersten Christen genau wie die Juden den Sabbat - doch vor rund 1700 Jahren erklärte Kaiser Konstantin den siebten Tag der Woche zum "Tag des Herrn". Dass dies auch bei den Anhängern des Mithraskults der heilige Tag war, traf sich damals gut, denn so konnte Konstantin gleich zwei wichtigen Religionen einen Gefallen tun. Er verfügte:

"Alle Richter und Einwohner der Städte auch die Arbeiter aller Künste sollen am ehrwürdigen Tag der Sonne ruhen."

Der Sonntag ist also ab jetzt Feiertag, und im Mittelalter herrscht Pflicht zum Gottesdienst. Wer an diesem Tag arbeitet, der begeht "Sonntagsfrevel" - das gefährdet klar das Seelenheil. Schon mit Martin Luther wird der Sonntag jedoch im 16. Jahrhundert zu einem Tag, an dem nicht mehr nur der Gottesdienst wichtig ist, sondern nun ganz explizit auch die Gemeinschaft und die Erholung -

Musik: "Am Sonntag will mein Süßer mit mir segeln gehen ..."

... aber soweit sind wir noch lange nicht - mit fröhlichem Segeln hatte der Sonntag im 19. Jahrhundert noch nicht viel zu tun, vielmehr zwängen in der Spätromantik und Biedermeierzeit, ziemlich festgefügte Rituale den Sonntag ins Korsett. Landpartien werden in feinsten Kleidern unternommen, Literatur, Musik und Malerei inszenieren die sonntägliche Idylle, fast als würde nun das feine Fröhlichsein am Sonntag zur Pflicht erklärt.

In den Gottesdienst geht man zwar noch, doch wird das kirchliche Ritual mehr und mehr in die weltliche Inszenierung des Feiertags eingebaut. Gleichzeitig müssen aber in der Industrialisierung immer mehr Menschen auch sonntags arbeiten. Die Öfen müssen heiß bleiben, die Maschinen rund um die Uhr, Tag für Tag weiterlaufen, sagen die ersten Fabrikbesitzer und dagegen wenden sich nun nicht nur die Kirchen, sondern jetzt auch die Gewerkschafter.

Beide kämpfen seitdem gemeinsam für den Sonntag als Ruhetag. Und das auch, obwohl die Menschen in Europa seit den 1960er Jahren in der sogenannten "Freizeitgesellschaft" leben - also statistisch gesehen immer mehr Zeit für Ausflüge, Fußballturniere oder das Autowaschen haben und durchaus auch montags segeln gehen könnten.

In den Gottesdienst gehen derweil nur noch wenige und wenn, dann meist an Weihnachten, egal - ob der 24. Dezember auf einen Sonntag fällt.