Rosenmontagszug

"Wenn Düsseldorf absagt, geht der Kölner erst recht hin"

Ein kleines Mädchen zieht eine Schnute, während es im Regen auf den Start des Rosenmontagszuges wartet.
Schlechtes Wetter kann echte Jecken nicht stoppen, ein echter Sturm duchaus. © dpa / Fredrik von Erichsen
Willibert Pauels im Gespräch mit Nana Brink · 08.02.2016
Der Höhepunkt der Straßenfastnacht fällt in diesem Jahr in zwei der drei Karnevalshochburgen am Rhein aus: Wegen des Sturmtiefs haben sowohl Mainz als auch Düsseldorf ihre Rosenmontagsumzüge abgesetzt. Nur Köln trotzt dem Sturm. Der Büttenredner Willibert Pauels erklärt die Hintergründe.
Das Sturmtief "Ruzica" hat den Fastnachtern und Karnevalisten am Rhein gehörig den Spaß verdorben. Nachdem erst Mainz und dann Düsseldorf ihren Rosenmontagszug abgesagt haben, findet jetzt nur noch der in Köln statt. Wohl auch eine Frage der Ehre: "Wenn Düsseldorf absagt, dann geht der Kölner schon aus Trotz extra", sagt der Büttenredner Willibert Pauels.
Karneval heißt "Fleisch adé"
Der Diakon und langjährige Büttenredner wird den diesjährigen Umzug für das Kölner Domradio kommentieren. Karneval und Kirche, das sei kein Widerspruch, betont er. Im Gegenteil: "Der Karneval kommt ja aus der Kirche."
"Fastnacht heißt ja 'die Nacht vor dem Fasten', und Carnevale heißt 'Fleisch adé'. Das heißt, alle katholischen Hochburgen sind auch eine Hochburg des Karnevals."

Das Interview im Wortlaut:
Nana Brink: Der Wind, der Wind, das himmlische Kind – nun ist auch der Karnevalsumzug in Düsseldorf abgesagt worden. Dass er in Mainz nicht stattfindet, das wissen die Jecken dort ja schon seit gestern, aber die Kölner haben noch Glück gehabt – oder wie sagte der Leiter des Rosenmontagszugs dort: Wir lassen uns das Feiern auch vom Wetter nicht vermiesen. Damit ist auch die Frage beantwortet, die die Jecken ja in Köln in Atem gehalten hat: Der Umzug findet statt, trotz Sturmwarnung, allerdings ohne die sonst üblichen 500 Pferde. Willibert Pauels war lange einer der meistgebuchten Büttenredner im Kölner Karneval, heute ist er vor allem katholischer Diakon und kommentiert für das Domradio den Rosenmontagszug. Schönen guten Morgen!
Willibert Pauels: Ja, schönen juten Morjen von Köln aus dem Auge des Orkans nach Berlin und der Welt!
Brink: Ich wollte gerade sagen, Sie haben Glück gehabt, nicht?
Pauels: Ja, sicher, also der Kölner – ich hätte ja beinah gesagt, wenn Düsseldorf absagt, dann geht der Kölner schon aus Trotz extra. Das ist ja so eine liebevolle Frotzelei zwischen den zwei Metropolen am Rhein. Ja, gucken wir mal, man muss immer aus allem das Beste machen. Die Pferde haben heute frei, die erfreuen sich jetzt am Hafer und an den Möhrchen, und jetzt gucken wir mal, wie es hier geht.
Domradio - "ein ganz flotter Sender mit toller Musik"
Brink: Wie kommentiert man denn den Rosenmontagszug für das Domradio, also einen katholischen Sender?
Pauels: Ja, haha, das ist nur scheinbar ein Widerspruch, so auf der Metaebene schwingt da mit: Kirchlicher Sender, das ist ja wahrscheinlich eine Audiokirchenzeitung. Das ist es natürlich nicht. Also das Domradio ist ein ganz flotter Sender mit toller Musik, und der Karneval kommt ja aus der Kirche. Ich bin ja aus dem Kulturradio, und dann passt das ja auch, wenn man das kurz erklärt: Fastnacht heißt ja die Nacht vor dem Fasten, und "carne vale" heißt "Fleisch adé". Das heißt, an allen katholischen Hochburgen ist auch eine Hochburg des Karnevals. Da Berlin ja preußisch, protestantisch, was überhaupt ist, ist dort nichts an Karneval, und hier tobt der Bär und der Sturm.
Brink: Sie nehmen mir das Wort aus dem Mund, Karneval ist für viele ja ein Riesenspaß, es ist natürlich auch ein Besäufnis, aber für Sie als Hochleistungs-, also als Büttenredner ist es ja eigentlich auch ein Hochleistungssport gewesen.
Pauels: Ja, natürlich. Also das Paradoxon ist, ich war jetzt 17 Jahre im professionellen Karneval und habe nie Karneval gefeiert während der 17 Jahre, weil das eben wirklich Hochleistungsarbeit ist, Sport kann man dazu nicht sagen. Also nur als Zahl: In den paar Wochen der Session hat man hier als Top-Büttenredner 200 bis 300 Auftritte, und da kann man sich ja schon ausrechnen, zum Feiern bleibt da keine Zeit.
Das Klischee vom traurigen Clown kommt nicht von ungefähr
Brink: Sie haben auch stetig damit aufgehört, in die Bütt zu steigen, auch weil Sie krank geworden sind.
Pauels: Ja.
Brink: Hat Ihnen das irgendwie keinen Spaß mehr gemacht, Witze im Akkord zu reißen, war das irgendwann einfach durch?
Pauels: Ja, das ist jetzt zu lang, das ausführlich zu erklären, es ist aber so: Es gibt ja das Klischee vom traurigen Clown, und das ist nicht von ungefähr. Ich hatte seit meiner Kindheit mit Depressionen zu kämpfen wie viele, viele Bühnenmenschen, und vor zwei Jahren war es dann einfach mal Schluss. Ich bin dann auch in professionelle Hände gegangen – eine der besten Entscheidungen meines Lebens –, und der Arzt hat dann gesagt: Herr Pauels, ich gebe Ihnen den Rat, machen Sie Karneval zwar weiter, aber als Amateur, also aus Liebe. Amateur kommt ja von "amare", aus Liebe. Und das war eine der besten Entscheidungen meines Lebens, und jetzt bin ich so froh und heiter wie lange nicht mehr und mache eben Sachen, die nur noch schön sind – wie zum Beispiel mit dem Deutschlandradio telefonieren, mit Berlin, und den Restzug hier, was davon übrig ist, zu besprechen und zu präsentieren.
"Nur wer über den Dingen steht, kann sie belächeln"
Brink: Also dann steigen Sie nur noch selten in die Bütt, dafür predigen Sie aber. Gibt's da überhaupt einen Unterschied? Also in Köln wohl nicht.
Pauels: Natürlich ist eine gute Predigt keine Büttenrede, das ist ja lepsch und ist ja doof, aber im Wesen ist es schon dasselbe, weil beides, wenn es richtig gemacht wird, Trost ist. Und eine gesunde Religiosität erkennt man darin, dass sie über sich selber lachen kann. Fundamentalisten können nie über sich selber lachen, sie sind immer beleidigt, aber eine gesunde Religiosität steht über den Dingen, so wie es jede Pointe macht. Der Witz lebt davon, dass er über den Dingen steht und damit eine unglaublich befreiende Kraft hat. Und gesunde Religiosität ist nichts anderes, es ist eine erlösende Kraft, die über den Dingen steht. So wie es der Pater Brown von Chesterton sagt: Humor ist eine Erscheinungsform der Religion, nur wer über den Dingen steht, kann sie belächeln. Das verbindet.
Brink: Ich könnte Ihnen noch lange zuhören, wahrscheinlich geht es unseren Hörern genauso. Vielen Dank, Willibert Pauels, und viel Spaß beim Beobachten des Rosenmontagszugs in Köln!
Pauels: Und viel Spaß nach Berlin, ach wie schön, tschüss zusammen!
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio Kultur macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.
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