Roman

Wie man so durchs Leben geht

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Die Autorin Sabrina Janesch © picture alliance / dpa
Von Verena Auffermann · 07.08.2014
Die Geschichte klingt kurios, es geht um einen 17-Jährigen aus Niedersachsen, seinen argentinischen Onkel und dessen Riesenhund. Sabrina Janesch erzählt dieses "Coming of Age-Roadmovie" aber originell, stimmungsvoll - und mit Selbstironie.
Auffallend an der 1985 geborenen Autorin Sabrina Janesch ist ihr Schreibstil: burschikos und schnell, durchsetzt mit umgangssprachlichem Slang und durchgängig saukomisch. Ihr dritter Roman "Tango für einen Hund" ist ein Roadmovie. Das Bemerkenswerte daran ist, dass er wirklich auf Straßen, in Scheunen und Hütten, auf Wiesen und an Flüssen spielt. Die Autorin holt ihr Material aber nicht aus dem ausgelaugten amerikanischen Kino. Sie hält dem verbrauchten Hollywood-Genre eine Lokalvariante entgegen: Niedersachen als norddeutsches Bundesland mit eigener, unverständlicher Sprache und Orten wie Semmenbüttel am Rand der Lüneburger Heide oder Bad Diepenhövel. Die Bewohner sind anfällig für germanisches Sagengut und von städtischen Allüren und Langeweile weit entfernt.
In Sabrina Janeschs norddeutscher Szenerie schaltet und waltet der 17-jährige Ich-Erzähler Ernesto Schmitt: ein liebeswertes Früchtchen mit dem Potenzial zum charmant ängstlichen Angeber. Es sind Sommerferien, aber Ernesto hat nicht frei, er hat sein Abitur bereits geschafft und muss 200 Stunden in einem Altersheim ableisten, obendrein ist er in Frida verliebt. Frida ist aber verreist. Der Überraschungsbesuch eines noch nie gesehenen argentinischen Onkels Alfonso bringt Ernestos Leben komplett durcheinander. Alfonso kommt in Begleitung eines kalbgroßen Hirtenhundes und einem Koffer voller Hundefleisch. Alfonso möchte Astor bei der Rassehund-Ausstellung in Bad Diepenhövel vorführen - was heißt hier möchte: Er muss!
Wenn das Leben übernimmt
Sabrina Janesch hat ihren jugendlichen Erzähler mit der Idee ausgestattet, Regisseur zu werden, und Ernesto muss zur Bewerbung ein Drehbuch schreiben. Seit Onkel Alfonso mit seinem monströsen Köter in Semmenbüttel aufgekreuzt ist, verwandelt sich allerdings Ernestos Leben wie von selbst in einen Film. Die Reise mit elterlichem Auto, dem neuen Onkel und dessen Hund, einer Fahrerlaubnis, die nur in Begleitung des Vaters gültig ist, beginnt unter Umgehung aller häuslichen und sonstigen Pflichten. "Logisch kann man, wenn man durch die Heide karriolt, nicht gleichzeitig Unkraut jäten."
Damit beginnt das Roadmovie: Es entwickelt sich ein Abenteuerausflug mit Polizeiverfolgung, Autopannen, Stationen bei Lamazüchtern und einem unfreiwilligen Zwischenstopp bei einer germanischen Waldsekte. Aber, das sind so typische Ernesto Schmitt-Sätze, "was zählt, ist echt, wie man durch das Leben geht. Oder fährt. Und ich will ein Leben mit Stil."
Nur wenige Schwächen
Es geht Sabrina Janesch, wie sie einen ihrer Protagonisten sagen lässt, weniger um Handlung, als um Atmosphäre. In "Tango für einen Hund" ist der Leser eingefangen in eine verrückt sinnlose, wie komische Welt zwischen Spiel und Ernst, zwischen deutscher Provinz, willensstarkem argentinischen Eindringling und pubertären Schwankungen. Dass der Hund als dekoratives Requisit mehr im Weg steht, als in die wechselnden Szenerien eingebunden zu werden, ist eine der wenigen, kleinen Schwächen des Romans. Denn sonst beweist Sabrina Janesch in dieser dahinsprudelnden, von schönen Beobachtungen durchsetzten Suada, dass sie mit den Themen Abenteuer, deutsche Provinz, Pubertät oder "Coming of Age-Roadmovie" einen originellen, stimmungs- und schwungvollen mit Selbstironie verfeinerten Roman erzählen kann.

Sabrina Janesch: Tango für einen Hund
Roman
Aufbau Verlag, Berlin
2014. 19,95 Euro