Roman

Mit Punkrock gegen Krebs

Der irische Schriftsteller Roddy Doyle
Der irische Schriftsteller Roddy Doyle © Imago
Von Knut Cordsen · 11.12.2014
Mal zu Tränen rührend, mal rasant-lustig: Roddy Doyle erzählt in seinem Roman "Punk is Dad" von einem krebskranken Musiker, der sich nicht unterkriegen lässt, sondern kämpft.
Kaum literarisch wiederbelebt, droht er bereits zu sterben – so steht es um Roddy Doyles Romanfigur Jimmy Rabbitte in "Punk is Dad". Denn Jimmy Rabbitte, der Musikfreak und einstige Manager der Dubliner Soul-Band The Commitments und spätere Punkband-Gründer, ist im Alter von 47 Jahren an Darmkrebs erkrankt. Ein schwerer Schlag für ihn und seine Familie – für seine Frau Aoife und vor allem für seine vier Kinder Jimmy, Mahalie, Brian und Marvin, denen er nun erzählen muss, was ihm bevorsteht: eine Operation und anschließend die Chemotherapie mit ungewissem Ausgang.
Obendrein bereitet die allwaltende Wirtschaftskrise ihm große Sorgen (der Firma "Kelticpunk", die sich um das Ausgraben vergessener irischer Bands bemüht, geht es miserabel) und zu alldem kommt noch, dass sein alter Kumpel aus Commitments-Tagen, Liam Foster, genannt Outspan, ebenfalls schwer krank ist: Er hat Lungenkrebs.
"It takes guts"
Hier die Finanzkrise und da gleich zwei Krebserkrankungen (eine dritte, die Jimmys lange verschollener und nun wieder auftauchender Bruder Les überstanden hat, nicht mitgezählt) – deprimierender geht es kaum. Und doch ist Doyles jüngster Roman alles andere als die seit geraumer Zeit so populäre "sick lit", wie man im angelsächsischen Sprachraum Bücher über Krankheit und Tod nennt.
"The Guts" heißt Doyles Roman im Original. Die Eingeweide - das ist hier einerseits wörtlich-viszeral gemeint, andererseits klingt hier aber auch die englische Redewendung "it takes guts" an: Es erfordert Mut. In der deutschen Fassung wurde daraus ein Titel mit dem Wortspiel "Punk is Dad", das mit dem Gleichklang der Wörter "Vater" und "tot" im Englischen operiert.
Etwas bemüht vielleicht, aber es trifft den Tonfall dieses Romans recht gut – und "puns" liebt Doyle schließlich selbst: "Der Bassist", heißt es an einer Stelle, "war zwar nicht tot, aber inzwischen Baptist." Der Humor Roddy Doyles ist eher hemdsärmelig. Und hier genau richtig am Platz. Mit Witz und Komik versucht Jimmy Rabbitte seine weiß Gott nicht einfache Lage zu meistern – und mit den Doyle-typischen Kraftausdrücken, die von "Himmel Arsch und Zwirn" bis hin zu seiner Lieblingswendung "Heilige Scheiße" reichen.
Musik ist das bestimmende Motiv des Romans
Wie bei diesem Autor üblich, besteht nahezu der gesamte Roman aus Dialogen: Kneipengesprächen oder solchen im Büro, im Bett (in das Jimmy Rabbitte mit seiner alten Liebe Imelda Quirk springt) oder zu Hause am Abendbrottisch. Die sind – wie auch anders bei diesem Thema – mal zu Tränen rührend, mal rasant-lustig. Gerade deswegen, weil Jimmy Rabbitte sich nicht unterkriegen lässt, sondern kämpft.
So entwickelt er eine abstruse Idee für einen Sampler, den er zum "50. Eucharistischen Weltkongress" der römisch-katholischen Kirche 2012 in Dublin herausbringen will: Rock'n'Roll für die "große Religionsnummer", die da auf seine Stadt "zugerollt" kommt. Musik, die "die Wurzeln des Punk" freilegt, angeblich. Überhaupt ist Musik das bestimmende Movens dieses Romans: "Musik ist die große Zuflucht."
Doyles erzählerischer Drive und Sound verzaubert. Und Whitney Houston stirbt im Laufe des Romans, für Jimmy Rabbitte aber gilt: "Gerade eben verstrahlt und schon wieder voll da."

Roddy Doyle: Punk is Dad
Aus dem Englischen von Juliane Zaubitzer
Verlag Haffmans & Tolkemitt 2014
412 Seiten, 21,95 Euro