Rheinland-Pfalz

Heavy Metal für Asphalt-Cowboys

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Mercedes-Benz-Lkw-Zugmaschinen auf einem Parkplatz im Werk Wörth (Rheinland-Pfalz) © picture alliance / dpa
Von Ludger Fittkau · 25.06.2014
Daimler-Benz - bei diesem Firmennamen denkt man an teure Limousinen aus dem Schwabenland. Dabei liegen die Wurzeln von Mercedes nicht nur in Württemberg, sondern auch am Rhein. Auch heute werden hier noch Daimler-Karossen gebaut. Jedoch keine Pkw, sondern Lastwagen.
Es wird gehämmert und gebohrt, geschraubt und lackiert, geprüft und gemessen – so weit das Auge reicht. Steht man an einem Ende der Halle, ist das andere Ende nicht zu erkennen. Das Daimler-Werk in Wörth am Rhein ist das größte Lkw-Montagewerk der Welt. Einen Kilometer lang, drei parallel laufende Bandstraßen, auf denen Lastwagen zusammengeschraubt werden. 100.000 pro Jahr. Von 12.000 Beschäftigten. Daimler-Mann Holger Scherr deutet auf armdicke Metallstangen, die den Unterbau der Karosserie bilden:
"Das ist am Anfang schon Heavy Metal, im wahrsten Sinne des Wortes. Was hier alles Verbunden werden muss. Das sind alles Schraub- und Niettechniken. Und deswegen ist das auch ein bisschen lauter hier."
Heavy Metal – hier steht das für den schweren Stahl der Lkw-Unterbauten, der meterlangen Kurbelwellen, der Achsen und Motoren. Logistik-Chef Holger Scherr sorgt maßgeblich dafür, dass aus den Heavy-Metal-Einzelteilen keine automobile Kakophonie wird sondern eine harmonische Komposition – der fertige Laster nämlich.
"Und ab hier wächst jetzt Station für Station der Lkw, bis er schließlich fertig ist."
Kein Lkw gleicht dem anderen
Die Fahrerhäuser, die am Ende der Montage hoch über Fahrgestell und Achsen emporragen, sind in rot, blau und grün und etlichen Farben mehr lackiert. allen erdenklichen Farben lackiert. Hier gleicht kein LKW dem anderen, jeder Wunsch der Kunden wird erfüllt, betont Gerd Herrmann, der Leiter des Technischen Service im Werk:
"Man kann hier wunderbar mit Besuchern das Spiel spielen, wer zwei Gleiche findet, hat gewonnen. Aber meist – keine Chance."
Gerd Herrmann nennt das Gewusel in der Riesenhalle eine Prozesslandschaft.Diese Landschaft durchquert man am besten per Rad. An den Fließbändern parken überall Fahrräder. Über den Köpfen von rund viertausend Frauen und Männern pro Schicht hängen an gelben Bändern Akkuschrauber und anderes Werkzeug von den Decken. Zusammengefügt werden hier unzählige Einzelteile von Lastkraftwagen, die später als Transporter oder Müllwagen, als Betonmischer oder Kipplader ihren Dienst tun werden. Holger Scherr:
"Wir bauen den Lkw und es gibt immer einen Aufbauhersteller, der dann eben den Aufbau herstellt. Also ob es einen Feuerwehr- Lkw gibt oder eine Betonpumpe oder eben einen Kipper."
Wald drängt sich gleicht hinter dem Werkszaun an das Gelände des Monatagewerks. Unten den Baumkronen versteckt schlängeln sich Altarme des Rheins. Vor 50 Jahren wurde das Werk zum Motorenbau in ein Auengebiet direkt an den Strom gebaut. Mit Hochwasser muss man hier jederzeit rechnen. Trotzdem wächst das Werk kontinuierlich, soweit es die Auen drum herum noch erlauben. Fachkräfte werden längst auch grenzübergreifend gesucht: Rund ein Fünftel der 12.000 Arbeiterinnen und Arbeiter des Werkes kommen aus Frankreich. Gerd Herrmann:
"Wir sind mit Abstand der größte Arbeitgeber hier in der Region. Das Einzugsgebiet für unsere Leute geht weit in das Elsass oder in die die Tiefen der Pfalz. Viele der Menschen pendeln aus den eher strukturschwachen Regionen Elsass, Nordelsass, Pfalz, Westpfalz."
Überall auf der Welt werden die Lkw zusammengesetzt
Gleich neben den Werkshallen liegt ein Containerhafen. Viele Lkw werden in Einzelteilen in Container verpackt und von hier aus auf dem Rhein nach Rotterdam geschippert, dort auf Überseeschiffe umgeladen. Überall in der Welt betreibt Daimler schließlich kleine Montagewerke, in denen der Lkw zusammengesetzt wird. Wörth ist also nicht nur das größte Lkw-Montagewerk der Welt – sondern auch Umschlaghafen für die Heavy-Metal-Elemente, die anderswo zu Lastwagen zusammengefügt werden. Holger Scherr:
"Das sind Bausätze, die so einfach zu produzieren sind, dass man sie an anderen Stellen zu Lkw produzieren kann. Damit geht es tatsächlich in die Welt hinaus."
50 Jahre alt ist das Daimler-Werk Wörth. Ein halbes Jahrhundert lang wird hier auch ausgebildet. Die aktuellen Azubis feierten das vor kurzem mit einer Radtour auf den historischen Spuren der Bertha Benz. Jener mutigen Frau, die 1888 weltweit erstmals erfolgreich eine Auto-Fernfahrt über 106 Kilometer absolvierte – nicht weit von Wörth entfernt. Logistik-Chef Gerd Herrmann fuhr mit:
"Mit dem Fahrrad von Ladenburg – Benz-Museum in Ladenburg – nach Pforzheim auf den Marktplatz gefahren. Wo auch Bertha Benz damals in Pforzheim eingefallen ist und das Auto abgestellt hat: `Hier bin ich. Erste Autofahrt über Langstrecke!´ Wir sind vorbeigefahren an der ersten Tankstelle der Welt, sprich die Stadtapotheke in Wiesloch. Und für die Azubis war das ein sehr guter Punkt."
Knapp 130 Jahre nach der Jungfernfahrt der Bertha Benz kommt mehr als jeder dritte LKW auf deutschen Straßen aus dem Daimer-Benz-Werk Wörth. Heavy Metal für Asphalt-Cowboys in großem Stil.
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