Ressourcen-Experte: Keine schnelle Ausbeutung der afghanischen Rohstoffe

Armin Reller im Gespräch mit Marcus Pindur · 25.06.2010
Die Rohstoffvorkommen in Afghanistan seien strategisch bedeutend, sagt Armin Reller, Professor an der Universität Augsburg. Ihre Erschließung wird allerdings viel Geld kosten. Besonders wichtig könnte zukünftig das Lithiumvorkommen werden.
Marcus Pindur: Wir sind jetzt verbunden mit Professor Armin Reller, er hat den Lehrstuhl für Ressourcenstrategie an der Universität Augsburg. Guten Morgen, Herr Professor Reller!

Armin Reller: Guten Morgen!

Pindur: Kann Afghanistan in absehbarer Zeit von seinem Rohstoffreichtum profitieren?

Reller: Das ist relativ schwierig, weil es ist seit Langem bekannt, dass in Afghanistan ziemlich viele Reichtümer vorliegen, also Bodenschätze, begonnen bei Lapislazuli, was ausgebeutet wird, aber jetzt auch natürlich metallische Rohstoffe – das geht zurück. Das haben die Engländer gewusst, das wussten die Russen, und heute kriegen sie es wieder mitgeteilt, dass das ganz wichtig wäre. Wenn man jetzt aber die Vorkommen genauer anguckt, das sind sicher strategisch wichtige Vorkommen, aber die sind nicht gleich am Weg zu finden. Also die Bedingungen, unter denen man diese Rohstoffe dann fördern könnte und vielleicht auch fördern kann, sind nicht ganz einfach.

Pindur: Das heißt, sie liegen eventuell in umkämpften Gebieten oder sehr weit ab?

Reller: Es ist nicht nur, dass dort jetzt Krieg herrscht, also dass die Arbeitsbedingungen sehr, sehr kritisch wären, sondern die liegen teilweise auch in den Bergen drin, also unzugängliche Gebiete. Und wenn Sie sich vorstellen, dass man da Transportwege schaffen muss, Aufbereitungsanlagen schaffen muss unter Umständen, wenn es vor Ort passieren soll, sind das ganz große Investitionen. Und da überlegen sich die Leute wahrscheinlich zweimal, wann und wo sie damit beginnen wollen, diese Bodenschätze zu heben.

Pindur: Kupfer wird ja schon derzeit in Afghanistan abgebaut, da hat sich China die Schürfrechte für eine Mine südlich von Kabul gesichert. Interessant ist aber vor allem das Metall Lithium, das für hoch effektive Batterien gebraucht wird. Könnte das denn ein afghanischer Exportschlager zumindest werden?

Reller: Also das Lithium ist natürlich wirklich sehr interessant, weil das ja erst in den letzten Jahren erst ins Gespräch kam wegen der Umstellung der Akkumulatoren als Lithiumtechnologie. Wenn Sie Lithiumvorkommen weltweit betrachten, sind etwa 76 bis 80 Prozent im Dreieck Chile–Bolivien-Peru zu finden. Bolivien hat die größten Vorkommen, nur ist der Zugang zu Bolivien nicht für alle Länder gleich. Afghanistan scheint jetzt eine Ausweichmöglichkeit zu sein, insbesondere für USA. Also man muss natürlich auch die politischen Hintergründe dann sehen, wer wo welche Bodenschätze eigentlich fördern möchte. Und da die Automobilindustrie auch in den USA umstellen wird und eine wichtige Branche darstellt, ist jetzt Afghanistan ins Zentrum des Interesses gerückt. Vor 20 Jahren hätte noch niemand von den Lithiumvorkommen gesprochen in Afghanistan, weil das Lithium damals noch nicht so interessant war.

Pindur: Lithium ist ein interessantes Metall, das dort gefördert werden könnte, welche Rohstoffe sind denn noch in Afghanistan zu finden?

Reller: Das ist eine ganz schwierige Frage, weil man muss jetzt sehen, wenn Sie Kupfer finden, haben Sie meistens als Spurenelemente andere ganz spannende Metalle dabei – Molybdän, Wolfram und so weiter –, die für bestimmte Zwecke gebraucht werden als Hightech-Produkte. Und dann muss man spezifisch gucken, welche sogenannten Kuppel-Produkte in Afghanistan gefunden werden. Und das sind sicher die genannten Molybdän und Wolfram, es könnten aber noch andere sein.

Pindur: Es gibt ja auch Länder wie zum Beispiel den Kongo, die haben reiche Rohstoffvorräte, aber die haben gleichzeitig einen Bürgerkrieg. Das könnte ja in Afghanistan auch passieren, oder?

Reller: Ja, ist ja eigentlich jetzt schon soweit, wenn Sie so wollen. Im Kongo ist es ganz extrem, Kongo hat wichtige Metalle für die Mikroelektronik-, Halbleiterelektronik-Produktion, also Tantal, Coltan, Niob, aber auch Kobalt zum Beispiel, was in Zukunft sehr stark gebraucht werden wird im Batteriebereich, was auch mit Lithium-Akkumulatoren. Das bedeutet, für den Kongo ist eigentlich dieser Bodenschatz und dieses Konglomerat an Bodenschätzen ein Fluch, ein Ressourcenfluch wie man spricht, weil das wirkt destabilisierend, die Minen werden sogenannt artisanal ausgebeutet, das heißt, Leute arbeiten dort sozusagen händisch unter sehr, sehr schlechten Bedingungen. Die Erze werden an die Warlords verkauft und damit wird der Krieg weiter betrieben.

Pindur: Also der Abbau ist auch sehr stark an die jeweiligen politischen ...

Reller: Absolut.

Pindur: ... Verhältnisse gebunden.

Reller: Absolut.

Pindur: Was ist denn mit dem Recycling? Eine Tonne alter Handys hat angeblich mehr Gold als eine Tonne Gestein aus den südafrikanischen Goldminen. Wird Recycling bereits ausreichend genutzt?

Reller: Nein, das ist ein ganz zentraler Punkt. Also der Vergleich mit dem Gold ist sehr gut, das hat man gut untersucht und auch mal gerechnet. In einer Tonne Erz aus Südafrika stecken vielleicht fünf bis zehn Gramm Gold, in einer Tonne Handys 300 Gramm, und noch viele andere Metalle natürlich. Also in unseren Hightech-Geräten stecken sehr viele Metalle – bis 20, 30, 40 – in einem Computer. Das sind eigentlich neue Minen, Sekundärminen. Auch eine Stadt, wenn Sie eine Stadt betrachten, ist voll von Stahl, von Kupfer, Aluminium und so weiter, das sind Urban Mines oder Sekundärminen, und man hat bis jetzt eigentlich gar nicht so richtig dran gedacht, das aufzuarbeiten. Nun gibt es aber bestimmte Punkte, die erwähnt werden müssen. Das heißt, in einem Handy, wenn Sie da 20 verschiedene Metalle drin haben, müssen Sie zuerst die Technologie entwickeln, um die überhaupt wieder isolieren zu können. Dazu kommt – und das ist noch viel schwieriger –, dass in den meisten Geräten die Mengen sehr, sehr gering sind, das sind vielleicht wenige Milligramm eines bestimmten Metalls. Das heißt, Sie müssen eine Logistik entwickeln, erstens mal die Geräte zu sammeln, zusammenzubringen, und dann die chemisch-physikalisch aufzutrennen. Und diese Technologien müssen entwickelt werden.

Pindur: Herr Professor Reller, vielen Dank für das Gespräch!

Reller: Danke!

Pindur: Armin Reller vom Wissenschaftszentrum Umwelt der Universität Augsburg im Gespräch mit Deutschlandradio Kultur.
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