Rentenpolitik

Am Schweizer Modell orientieren

Eine ältere Frau zählt und stapelt Eurocents
Eine ältere Frau zählt und stapelt Eurocents © Imago
Von Volker Finthammer · 23.04.2016
Immer weniger Beitragszahler und immer mehr Rentner - die Alterspyramide droht sich umzukehren. Bundesfinanzminister Schäuble hat daher eine Erhöhung des Renteneintrittsalters auf 70 Jahre vorgeschlagen. Aus Sicht von Volker Finthammer ist das keine Lösung.
Es ist schon erstaunlich, was eine Studie, selbst wenn sie nicht ganz stimmig ist, so alles auslösen kann. Als Initialzündung für eine erneute grundsätzliche Rentendebatte hat die umstrittene WDR-Studie zur drohenden Altersarmut zumindest getaugt. Die einen wollen sogleich die Riesterrente abschaffen, die anderen das Versorgungsniveau der gesetzlichen Rentenversicherung stabilisieren und weitere Kürzungen verhindern. An Vorschlägen - auch grundsätzlicher Natur - mangelt es nicht.

SPD und Linke weisen Vorschläge zurück

So hat sich Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble für eine Verlängerung der Lebensarbeitszeit ausgesprochen, und eine Flexibilisierung der Altersgrenze für den Renteneintritt gefordert, um darüber das System der gesetzlichen Rentenversicherung neben der privaten und der betrieblichen Altersvorsorge langfristig zu stabilisieren.
Deutlicher noch wurde die Junge Union. Deren Vorsitzender Paul Ziemiak verlangt eine schrittweise Anhebung des Renteneintrittsalters von 67 auf 70 Jahre ab dem Jahr 2030. Nur so könne man der demographischen Entwicklung und der steigenden Lebenserwartung der Menschen gerecht werden. Bundesarbeitsministerin Andrea Nahles wies diese Forderungen prompt zurück. Und Sarah Wagenknecht spricht vom Rentenklau.
Eine Demonstrantin zeigt am 04.10.2014 in Berlin ein Schild mit der Aufschrift "Ich fordere: Mindestrente Euro 1250,-".
Vielen Menschen droht in Deutschland im Alter die Armut. © picture alliance / dpa / Britta Pedersen

Drohende Armutswelle erfordert beherztes Nachsteuern

Die Rente ist sicher, das war einmal! Nur eine Dekade nach der grundsätzlichen Reform und der Einführung der Riesterrente wird deutlich, wie unvollkommen dieser Schritt bislang war. Wenn tatsächlich nur 10 Mio. von 43 Mio. Beschäftigten in Deutschland durch zusätzliche private und betriebliche Vorsorge die Lücke schließen, die durch das sinkende Rentenniveau der gesetzliche Rente entsteht, dann wird deutlich, dass da doch eine erhebliche Armutswelle auf uns zurollt, wenn in dieser Frage nicht beherzt nachgesteuert wird.
Dabei ist dem nüchternen Beobachter schon heute klar, dass es die eine Lösung nicht geben wird. Schon gar nicht mit der Erhöhung des Renteneintrittsalters, weil solch ein Schritt nur in sehr langen Fristen wirkt und umgesetzt werden kann. Bevor über die Rente mit 70 diskutiert wird, sollte erst einmal die Rente mit 67 umgesetzt sein. Das wird nicht vor 2030 der Fall sein und natürlich nicht für alle Arbeitnehmer. Dazu kommt: Die allmähliche Verlängerung der Lebensarbeitszeit geht bereits in die Berechnungen zur absehbaren Rentenlücke mit ein.
Will man auf die mögliche Armutswelle in der Logik der bisherigen Systeme antworten, dann kann die Lösung nur lauten: Neben der Stabilisierung der gesetzlichen Rente, müssen auch die privaten und betrieblichen Vorsorgesysteme attraktiver und vor allem wirkungsvoller gestaltet werden, um den gewünschten Effekt zu erzielen.
Aber bei der nach wie vor wachsenden Zahl der Geringverdiener wird das wenig nützen. Sie haben heute schon kein oder zu wenig Geld für die zusätzliche Vorsorge.

Schweizer Modell könnte Vorbild für soziale Grundrente sein

Deshalb sollte man die Frage vielleicht einmal grundsätzlich stellen. Müssen nicht auch die Selbstständigen und die Beamten in die gesetzliche Rente einbezogen werden, damit es zu einem für alle Bürger gerechten Umverteilungssystem kommt, das nicht mehr so sehr allein von der steigenden Zahl der Niedriglohnempfänger abhängt?
Das Schweizer Modell könnte das Vorbild für diese soziale Grundrente sein. Ein Modell das alle Bürger gleich behandelt und Altersarmut weitgehend ausschließt. Darum sollte es im Grundsatz gehen.
Die Ergänzung durch private und betriebliche Versorgungssysteme bleibt für die Besserverdienenden bestehen. Doch an diese Grundsatzdebatte traut sich in Deutschland keiner wirklich ran. Zu viele Privilegien stehen auf dem Spiel und da fehlt den noch existierenden Volksparteien der Mut, das anzugehen.
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