Religiöser Hass gegen Schwule und Lesben

Von Michael Hollenbach · 19.01.2013
Noch immer gibt es in vielen afrikanischen Staaten harte Strafen für Homosexuelle. Nicht selten sind es Religionsvertreter, die die Gewalt anheizen. Das Thema wird mittlerweile zu einer Belastungsprobe für die weltweite Kirchengemeinschaft.
Nigeria gilt als Afrika im Kleinen - ein Kontinent abgebildet in einem Land. Im Norden dominiert der Islam, im Süden das Christentum. Was vor allem den Islam und das Christentum in Nigeria verbindet, ist die Bekämpfung der Homosexualität. Doherty Aken'Ova ist Leiterin des International Center for Sexual Rights in Nigeria:

"Wir haben schlechte Erfahrungen mit den Religionsführern gemacht. Ihre Äußerungen in den Medien sind oft sehr hasserfüllt. Manche sagen: Die Homosexuellen sind nur fünf oder zehn Prozent der Bevölkerung - warum töten wir sie nicht?"

Nach Einführung der Scharia im islamischen Norden wird praktizierte Homosexualität dort mit der Todesstrafe bedroht. Aber auch die anglikanische Kirche Nigerias bekämpft die gleichgeschlechtliche Liebe.

"Es ist sehr enttäuschend. Die Religionen haben doch eigentlich den Anspruch, Frieden und Liebe zu verkünden. Wenn es um die sexuelle Orientierung der Menschen geht, enttäuschen sie diese Erwartungen."

Vor allem der anglikanische Erzbischof Peter Akinola präsentiert sich in Nigeria als Hardliner, der die Homosexualität "unafrikanisch" nennt. Sie sei eine Abartigkeit, die geeignet sei, einen sozialen und kulturellen Holocaust in Nigeria zu betreiben, so der Erzbischof wörtlich. Akinola gilt als Anführer der homophoben Anglikaner, die eine Spaltung ihrer Weltkirche prognostiziert haben, falls es beim Thema Homosexualität in den USA und Europa zu einer weiteren Liberalisierung kommen sollte.

Auch in Malawi leben Homosexuelle in Todesangst
In Malawi wurden bis vor kurzem gleichgeschlechtliche Beziehungen mit bis zu 14 Jahren Haft bedroht. Die rigiden Gesetze gegen Homosexualität sind nun von der neuen Regierung erst einmal außer Kraft gesetzt worden. Sehr zum Unmut der protestantischen Kirchen, sagt Gift Trapence, Direktor einer malawischen Menschenrechtsorganisation:

"Die Kirchen stehen in vorderster Front, wenn es um die Schwulenfeindlichkeit geht. Sie hassen die Homosexuellen. Die eindeutige Botschaft der Kirche lautet: Homosexuelle sollen ausgegrenzt werden."

Und der Einfluss der Kirchen in Malawi ist groß: 80 Prozent der Bevölkerung gehören einer christlichen Kirche an. Auch wenn sich die neue Regierung für liberalere Gesetze einsetzt, so sei die Stimmung in der Gesellschaft gegenüber Homosexuellen noch immer sehr aggressiv, meint Gift Trapence:

"Die Menschen haben Angst, verprügelt zu werden. Sie befürchten, entlassen zu werden. Sie haben Angst, vergewaltigt oder getötet zu werden. Es gibt viele Probleme, wenn es jemand wagt, sich als Homosexueller zu outen."

Mehrere europäische Länder hatten Malawi aufgrund der massiven Diskriminierung Homosexueller die Entwicklungshilfe gekürzt. Eine Maßnahme, die nicht immer zum Erfolg führt, sagt Tim Kuschnerus. Er ist evangelischer Geschäftsführer der Gemeinsamen Konferenz Kirche und Entwicklung:

"Es ist so, dass Schwulen- und Lesbenorganisationen aus Uganda gesagt haben: Leute, tretet in einen Dialog mit unserer Regierung ein. Schwingt aber nicht die Keule, dass ihr die Entwicklungsgelder sofort alle stoppt, das ist kontraproduktiv. Dann werden wir noch mehr Opfer von Gewalt, weil die Leute uns dann letztlich dafür verantwortlich machen, dass nicht mal mehr Entwicklungsgelder ins Land fließen."

Anglikanischen und lutherischen Kirchen droht die Spaltung
Nicht nur in der anglikanischen Kirche, auch innerhalb des Lutherischen Weltbundes droht eine Spaltung an der Frage der Homosexualität. Lutherische Kirchen aus Tansania und Äthiopien haben angekündigt, ihre Zusammenarbeit mit jenen Partnerkirchen aus dem Norden aufzukündigen, die nicht ihrer rigiden Ablehnung der gleichgeschlechtlichen Liebe folgen würden. Der Theologe Tim Kuschnerus warnt davor, sich gegenseitig Vorschriften zu machen:

"Ich denke, uns Kirchen kann es ja nicht darum gehen, dass die Kirchen in Afrika auch sofort Schwule und Lesben im Pfarramt aufnehmen oder gleichgeschlechtliche Partnerschaften segnen. Es geht primär darum, dass sie anerkennen, dass jeder Mensch - gleich welcher Herkunft, Rasse, Geschlecht oder sexuellen Orientierung - ein Kind Gottes ist, und dass es insofern nicht sein kann, dass Kirchen aktiv dazu aufrufen, dass sexuelle Minderheiten kriminalisiert oder sogar Opfer von Gewalt werden."

Dass es auch anders geht, hat in den vergangenen Jahren die südafrikanische Regierung bewiesen. Mittlerweile gilt Südafrika als eines der liberalsten Länder des Kontinents. Das hat sich auch in der islamischen Gemeinschaft bemerkbar gemacht, sagt Muhsin Hendricks. Der 42-Jährige ist der weltweite erste Imam, der offen seine Homosexualität lebt:

"Vor 2007 war die Stimmung in der muslimischen Gemeinschaft, dass man Homosexuelle töten sollte. Aber dann lief in Südafrika der Dokumentarfilm 'Ein Jihad für die Liebe', der zeigte, dass Islam und Homosexualität sich nicht widersprechen. Und danach gab es eine Veränderung, wie Homosexualität wahrgenommen wurde - vor allem bei den muslimischen Geistlichen. Wir konnten feststellen, dass Imame nicht mehr predigen, Homosexuelle zu töten. Sie wollen zwar noch über die Sünde reden, aber sie verurteilen nicht mehr den Sünder. Ich bin also hoffnungsvoll, auch weil wir in den vergangenen Jahren immer mehr Unterstützung innerhalb der muslimischen Gemeinschaft bekommen haben."

Als sich der Südafrikaner Muhsin Hendricks Mitte der 90er-Jahre als schwuler Imam outete, wurde er sofort aus der konservativen Islamic Social Welfare Association ausgeschlossen. Wieder aufgenommen wurde er zwar noch nicht, aber immerhin lädt ihn der muslimische Wohlfahrtsverband nun ein, um offen über das Thema Islam und Homosexualität zu debattieren.


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