Regisseur Nurkan Erpulat

Türkei in zwei bis drei Jahren ohne Theater

Der Theatermacher Nurkan Erpulat, Hausregisseur im Berliner Maxim Gorki Theater, aufgenommen 2012
Der Theatermacher Nurkan Erpulat, Hausregisseur im Berliner Maxim Gorki Theater © picture alliance / dpa / Horst Ossinger
Nurkan Erpulat im Gespräch mit Susanne Burkhardt · 30.07.2016
"Love it or leave it" heißt das neue Projekt von Nurkan Erpulat, dem Hausregisseur des Berliner Maxim-Gorki-Theaters. Es geht um die Türkei, in der Erpulat 25 Jahre lang gelebt hat. Er glaubt, dass es dort in zwei bis drei Jahren keine Theater mehr geben wird.
Zurzeit recherchiert Nurkan Erpulat für sein Projekt "Love it or leave it" in Istanbul. Er hat die Niederschlagung des Putschversuches miterlebt. Seiner Meinung nach hat die Türkei kein "Erdogan-Problem", sondern ein Demokratie-Problem. "Ich liebe auf eine Weise dieses Land und hasse es genauso. Im Moment sieht es so aus, dass viele Leute das Land verlassen wollen."

Theaterschließungen von langer Hand geplant

In der Türkei würden Theaterdirektoren entlassen und durch politisches, AKP-nahes Personal oder etwa einen Ingenieur ersetzt. Die Regierung plant laut Erpulat seit gut zehn Jahren, die Theater ganz zu schließen. "Sie versuchen, diese Szene zu kriminalisieren, Stück für Stück die Protagonisten auszutauschen, überflüssig zu machen und letztendlich zuzumachen." Für Erpulat ist das keine Zukunftsmusik. Er glaubt, das werde in den nächsten zwei bis drei Jahren passieren.
Die Leute in der freien Theaterszene hätten Angst. Ihnen werde damit gedroht, ihre Theater anzuzünden oder sie zur Zielscheibe zu machen, so Erpulat. Vor diesem Hintergrund habe er bei seiner Inszenierung von Wolfram Lotz' "Die Lächerliche Finsternis" im Februar dieses Jahres in Istanbul Selbstzensur betrieben. Er habe Wörter wie "Türkei" und "Erdogan" nicht benutzt, um die Schauspieler zu schützen.
Die Künstler seien machtlos gegenüber dem Handeln der Regierung. "Wir nehmen an, was da passiert. Wir haben keine Kraft mehr", sagte Erpulat im Gespräch mit Deutschlandradio Kultur.
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