Regionale Dialekte

Morschn! Über Sächsische Mundbrecher

Speisekarte des Erlebnisrestaurants "Dresden 1900" mit sächsischen Spezialitäten.
Speisekarte des Erlebnisrestaurants "Dresden 1900" mit sächsischen Spezialitäten. © picture alliance / dpa / Matthias Hiekel
Von Matthias Biskupek  · 26.05.2016
Die Steigerung der sächsischen Mundart ist der sächsische Zungenbrecher. Dabei glaubt der eine oder andere Nicht-Sachse, Sächsisch sei an sich eine Aneinanderreihung von Wortungetümen.
Die an sich weiche Zunge kann nur dann gebrochen werden, wenn sie sich widerspenstig verhält – daraus folgt, dass in der weltberühmten sächsischen Sprache sisch nischde brischd – denn das weiche Quirlen, das für diese Lautung so charakteristische schmiegsame Aufeinanderfolgen von Zischlauten – s glidschische Nauswurschdln – ist immer lieb zur Zunge.
Gewiss, wenn ich korrekt ausspreche, was "Sechsundsechzig sächsische Schuhzwecken bezwecken" ist das halsbrech- also zungenbrecherisch. Und piekt durch jede Schuhsohle: "Sechsundsechzig sächsische Schuhzwecken zwicken." Doch was geschieht, wenn man durch rischdschn düschdschn mächdschn Maddsch ruddschd, also über meterdickes feuchtes Erdreich gleitet? Sprachlich ist dies im Sächsischen fließend: man tut sich zumindest nichts weh uffm richdschn düschdschn mäschdschn säggschn Maddsch.
Und da wir nun just während des feuchten Wetters Himmel und Erde betrachten, so sagen wir Sachsen: Rehschnwärmerkrieschn, was gleichlautend heißt: "Regen werden wir kriegen" oder aber "Regenwürmer kriechen". Rehschnwärmerkriechn.

Keine Knall- und Knacklaute

Auch die charakteristische Weglassung von Knall- und Knacklauten macht die sächsische Sprache zur Zungen-und-Lippen-Wohltat: Birnbohm schreibd ma midd Birnbohm B und Babbelbohm schreibd ma midd Babbelbohm B.
Auch im historisch grundierten Einzeiler wird die Sprachökonomie deutlich: Gaiser Garl gonnde geene Gimmelgärner gaun. Sollte Kaiser Karl in der Tat sächsische Kümmelkörner versucht haben zu kauen, so dürfte ihm das in Sachsen immer gelungen sein: Gimmelgärner sinn weesch. Die brauch mor gorni gaun oder gadschn, wie mir sachn.
Bleiben wir bei der Historie: Jener Satz, der das Schicksal Europas im neunzehnten Jahrhundert besiegelte, mag unsere kleine Sprach-, Landes-, und Geschichtskunde beschließen. Als nämlich Napoleon nach der Völkerschlacht bei Leipzig über das Städtchen Wurzen floh:
Vor Wurrdsn wurrdsn schlächd, nach Wurrdsn wurrdsn bässor.
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