Regierung versus Kirche

Von Jochen Spengler · 30.07.2012
In Großbritannien bahnt sich derzeit der größte Streit zwischen Staat und Kirche seit Gründung der Church of England vor 500 Jahren an. Wenn ein konservativer Premierminister wie David Cameron homosexuellen Paaren eine Trauung auf dem Standesamt ermöglichen will – gerät so manches geistliche Weltbild durcheinander, auch wenn die deutliche Mehrheit der Briten dafür ist.
Es folgte im vergangenen Monat ein Positionspapier der Anglikaner, das die spezifische Natur der Ehe als Bund von Mann und Frau betont. Damit werden die unterschiedlichen Positionen zur britischen Homo-Ehe deutlich.

Jeder Engländer, egal ob gläubig oder nicht, hat das Recht, in seiner anglikanischen Gemeindekirche zu heiraten. Ehen zu schließen, ist traditionelle Aufgabe der Church of England als offizieller Staatskirche, deren Oberhaupt die Queen ist.

"Ehe ist als Teil der Lehre der Church of England die Vereinigung zwischen einem Mann und einer Frau. Es gibt momentan nicht so etwas wie eine zivile und eine davon unterschiedene religiöse Ehe - es gibt nur eine Ehe. Und deswegen wäre das wirklich eine grundsätzliche Veränderung der Ehe, so wie sie jeder versteht."

Die grundsätzliche Veränderung, die Stephen Croft, der Bischof von Sheffield, befürchtet betreibt die konservativ-liberale Regierung ihrer Majestät. Ehe soll nicht mehr nur auf die Vereinigung von Mann und Frau beschränkt sein.

Der Regierung reicht es nicht, dass Homosexuelle seit 2005 ihre Lebenspartnerschaft eintragen lassen können, sie will bis zum Ende der Legislaturperiode 2015 in England und Wales die Homosexuellen-Ehe einführen.

Umfragen zufolge unterstützen 70 Prozent der Bevölkerung diese Absicht, die Premierminister David Cameron zu seinem persönlichen Anliegen gemacht hat.
"Konservative glauben an die Beziehungen, die uns binden. Dass die Gesellschaft stärker ist, wenn wir voreinander Gelübde ablegen und uns gegenseitig helfen. Deswegen unterstütze ich die Homo-Ehe nicht, obwohl ich ein Konservativer bin, sondern weil ich ein Konservativer bin."

Die Regierung hat im März einen entsprechenden Gesetzentwurf vorgelegt, lässt aber Innenministerin Theresa May versichern, dass religiöse Organisationen und Kirchen, nicht gezwungen würden, gleichgeschlechtliche Ehen zu schließen.

"”Religious organisations and Churches won’t be forced to host same sex marriages.”"

Doch dies beruhigt die Church of England keineswegs. Sie fürchtet um ihre traditionelle Rolle, die sie verlöre, wenn der Staat Ehe künftig anders definiert als es seine Kirche tut. Das könne sogar in eine Verfassungskrise münden.

Auszuschließen sei auch nicht, dass nach Einführung der Homosexuellen-Ehe der europäische Menschenrechtsgerichthof irgendwann urteile, dass es einer Diskriminierung gleichkommt, wenn nicht auch gleichgeschlechtliche Paare in einer anglikanischen Gemeindekirche heiraten dürfen.

Die Kirche ist selbst zutiefst uneins über die Zulassung homosexueller Priester und Bischöfe. In einem 13-seitigen Positionspapier warnt sie vor dem größten Streit zwischen dem Staat und seiner Kirche seit 500 Jahren. Die Einführung der Homosexuellen-Ehe werde die Bedeutung der Institution Ehe verwässern, ihren Sinn entleeren und sie aushöhlen. Der Bischof von Norwich Graham Jones:

"Seit Jahrhunderten war die Ehe eine soziale Institution, in der die biologische Ergänzung von Mann und Frau anerkannt war. Die Regierung will die Ehe neu definieren und das betrifft uns alle."

Dem entgegnet Ben Summerskill von der Anti-Diskriminierungsorganisation Stonewall, dass keine religiöse Organisation die Definitionshoheit über das Wort Ehe gepachtet habe.

"”No one religious organisation has copy right over the word marriage.”"

Schützenhilfe bekommt die anglikanische von der katholischen Kirche des Landes, die ebenfalls prinzipiell gegen die Öffnung der Ehe streitet. Auch große Teile der Konservativen Partei sind gegen die Regierungspläne.