Recherche im Rotlicht-Milieu

"Das hat die Prostituierte völlig aus der Routine gebracht"

Prostituierte auf dem Weg in ein Bordell.
Prostituierte auf dem Weg in ein Bordell. © picture-alliance / Roman Vondrous
Nora Bossong im Gespräch mit Liane von Billerbeck und Hans-Joachim Wiese · 20.02.2017
Die Autorin Nora Bossong hat für ihr neues Buch "Rotlicht" in Sexkinos, Bordellen und Swingerclubs recherchiert. Die "mechanische Form von Sexualleben", die ihr dort begegnet sei, richte sich vor allem an Männer. Als Frau habe sie die Menschen im Rotlicht-Milieu irritiert.
Die Ursprungsfrage, der Nora Bossong nachging, war: "Was passiert, wenn Sex käuflich wird?". Sie habe positive, vor allem aber negative und ernüchternde Erfahrungen bei ihrer Recherche gemacht.
Eine schöne Form der käuflichen Sexualität sei die Tantramassage. Es sei "eine Möglichkeit, die einen Raum öffnet, in dem Sexualität stattfindet und in dem Sex passiert, wo aber der Respekt und die Ebenbürtigkeit der beiden Partner bestehen bleibt". Das bringe eine "Entschleunigung in die Sexualität, die wir, glaube ich, heute durchaus brauchen könnten".
Die Arbeit für das Buch habe romantisch verruchte Vorstellungen vom Rotlicht-Milieu aber größtenteils entidealisiert. "Meistens war es ernüchternd, manchmal war es entwürdigend", sagte die Reporterin, Lyrikerin und Schriftstellerin im Deutschlandradio Kultur. Immer wieder sei ihr "eine mechanische Form von Sexualleben" begegnet.

"Als Frau dort hinzugehen führt zu einigen Irritationen"

Durch ihre Besuche von Bordellen, Swingerclubs und Sexkinos habe Bossong einiges über dort herrschende Geschlechtervorstellungen erfahren. "Als Frau dort hinzugehen führt zu einigen Irritationen", sagte sie. Sie habe mit einem männlichen Begleiter ein Wohnungsbordell besucht und sich informiert, was der Sex zu dritt kosten würde.
"Das hat die Prostituierte völlig aus der Routine gebracht und sehr verunsichert, weil plötzlich das Schema durchbrochen wird."
Normalerweis richte sich im Rotlicht-Milieu alles für auf den männlichen Blick aus. Es gehe kaum um Erotik und das Spiel mit Verdeckung, sondern um den Körper und um "eine mechanische Form von Sexualleben".
Durch die Recherche habe sich Bossong immer wieder gefragt, warum die Sexbranche kaum Angebote für Frauen macht.
"Wie kann es sein, dass wir in einer anscheinend so gleichberechtigten Gesellschaft leben, aber dieser eine fundamentale Bereich, wo es um Sex geht und die Käuflichkeit davon, immer noch allein von Männern beherrscht wird?"
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