Reaktionen auf Prostitutionsgesetz

Kontrolle oder Aufklärung?

Eine Frau mit einem teilweise transparenten Rock steht mit High-Heels an einer rot beleuchteten Bar und unterhält sich mit einem Mann.
Die Novelle des Prostitutionsgesetzes ernet Kritik von verschiedenen Seiten. © picture-alliance / dpa / Jens Kalaene
Von Susanne Arlt · 19.02.2015
Neuerungen im Prostitutionsgesetz sollen die Zwangsprostitution eindämmen. Doch Bordellbesitzer kritisieren die zusätzliche Meldepflicht als Kontrolle, die nicht wirklich dem Schutz der Frauen dient. Auch das Bezirksamt Berlin-Mitte ist skeptisch. Dort herrscht die Meinung, dass es stattdessen mehr Aufklärung und Beratung bräuchte.
Samstagnacht. Das "Café Pssst!" in Berlin-Wilmersdorf ist gut besucht. Frauen und Männer sitzen auf Barhockern und an kleinen Tischen, nippen an ihrem Sekt oder knabbern Chips. Schummriges Licht schafft eine intime Atmosphäre, an den Wänden hängen Kristallspiegel. Doch das "Café Pssst" ist keine Bar wie jede andere. Die dunkle Skulptur auf dem Tresen, eine nackte Liegende, verrät, worum es wirklich geht. Hier bieten Sexarbeiterinnen Liebesabenteuer auf Zeit.
Felicitas Schirow führt den bodellartigen Betrieb. Sie vermietet stundenweise Zimmer an die selbstständigen Frauen. Für das Interview führt sie ihren Besuch lieber ins Souterrain, dort ist es ruhiger. Das Thema liegt ihr am Herzen. Von der Novellierung des Prostitutionsgesetzes hält die 58-Jährige nichts. Wer sich prostituieren will, muss das künftig den Behörden melden und die Bescheinigung alle zwei Jahre erneuern.
"Das ist eine zusätzliche Erfassung, die nichts mit einer Erfassung zu tun hat, die es in irgendeiner anderen Branche gibt. Sondern das ist eine Erfassung, die für mich der Kontrolle dient, damit man eine Übersicht hat über die Aktivitäten. Wie verteilt sich die Prostitution, wie bewegen sich die Frauen. Und das hat für mich auch nichts mit Schutz der Frauen zu tun, sondern das ist in meinen Augen ein Vorwand, um eben die volle Kontrolle zu haben."
Nach wie vor keine unerhebliche Dunkelziffer
Felicitas Schirow redet sich in Rage. Solch ein Dokument kann ja auch mal verloren gehen oder die Handtasche wird geklaut. Mit diesem Ausweis fühle sie sich gebrandmarkt, sagt sie. Will sie ihre Konzession nicht verlieren, muss sie die Frauen, die bei ihr arbeiten, künftig den Behörden melden. Unterlaufe ihr dabei mal einen Fehler, sei die Erlaubnis schnell weg. Diese Restriktionen hätten nur ein Ziel:
"Die Tendenz geht tatsächlich dahin, dass die Großbordelle dadurch gestärkt werden sollen. Es ist so, dass sie natürlich am liebsten ein Haus haben, wo die ganzen Weiber drin sind. Weg mit den Schmuddelstrichen, am besten nur saubere Großpuffs."
Ziel des novellierten Gesetzes ist vor allem, die Zwangsprostitution einzudämmen. Laut Bundeskriminalamt ist die Zahl der in Deutschland bekannt gewordenen Fälle in den letzten Jahren zwar gesunken. 2013 wurden 425 Ermittlungsverfahren abgeschlossen. Nach wie vor müsse man aber von einer nicht unerheblichen Dunkelziffer ausgehen. Maya Perrier vom Zentrum für sexuelle Gesundheit beim Bezirksamt Charlottenburg-Wilmersdorf glaubt jedoch nicht, dass eine Meldepflicht oder eine gesundheitliche Beratung diese Frauen schützen wird:
"Die Gesundheitsämter kennen das ja, früher gab es ja sowas. Das ist ein wahnsinniger bürokratischer Aufwand. Wo noch gar nichts an Qualität für Beratung, von Mitteilung, von Information, von dem Eindruck; wie freiwillig, wie unter Stress oder wie gezwungen sitzt mir jemand gegenüber; aussagt."
Verlogene Gesetzesdebatte
Statt mehr Kontrolle, sollte mehr Geld in die Aufklärung gesteckt, Kondome kostenlos verteilt und anonyme Beratungen in den Bordellen durchgeführt werden. Marc Schulte, Bezirksstadtrat für Stadtentwicklung und Ordnungsangelegenheiten in Wilmersdorf, sieht das ähnlich. Er findet die ganze Gesetzesdebatte verlogen. Bordelle gelten als störend. Solange das Baurecht vorschreibt, dass sie nur in Gewerbegebieten angesiedelt sein dürfen, sozusagen im Verborgenen, werde sich nichts ändern:
"Warum sind sie immer was, was man verheimlicht. Das gehört eben auch dazu, wenn man das ernst meint und sagt, Prostitution ist ein Beruf. Oder man geht eben den anderen Weg, den ja auch viele Feministinnen für sich entschieden haben, zu sagen, wir verbieten Prostitution insgesamt. Aber das finde ich unehrlich."
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