Putin in Ägypten

"Eine Nachricht an den Westen"

Der russische Präsident Wladimir Putin trifft seinen ägyptischen Amtskollegen Fattah el-Sisi in Kairo.
Der russische Präsident Wladimir Putin trifft seinen ägyptischen Amtskollegen Fattah el-Sisi in Kairo. © dpa / picture alliance / Klimentyev Mikhail
10.02.2015
Der Staatsbesuch von Russlands Präsident Wadimir Putin in Ägypten bietet beiden Ländern die Gelegenheit, gegenüber dem Westen Stärke zu demonstrieren, meint Jochen Hippler, Politikwissenschaftler und Friedensforscher am Institut für Entwicklung und Frieden an der Universität Duisburg-Essen.
Putin sei es bereits vor der Ukraine-Krise immer wieder darum gegangen, den eigenen Großmachtstatus zu demonstrieren, sagte Hippler am Dienstag im Deutschlandradio Kultur. Nun könne er von der Verstimmung profitieren, die zwischen Ägypten und den USA beziehungsweise Europa bestehe. Aufgrund des Putsches von General Sisi habe sich für Russland die Möglichkeit ergeben, dort "Punkte zu sammeln, die man vielleicht vorher nicht so hatte und die versucht man natürlich jetzt zu nutzen".
Interessant sei Putin als Partner für Ägypten auch, weil er einiges zu bieten habe. So verfüge Russland über die Möglichkeit im UN-Sicherheitsrat ein Veto einlegen zu können. "Das kann unter bestimmten politischen Bedingungen nützlich sein, wenn man eben so verhindern kann, dass ein Land verurteilt wird oder Druck auf es ausgeübt wird."
Außerdem sei Russland eine Macht, die im Bereich der Energieversorgung viel zu bieten habe. Nicht zuletzt verspreche die Nähe zu Russland politische Rückendeckung: "Wenn man sich nicht isolieren lassen möchte von der NATO, vom Westen - wohin soll man sich sonst wenden?" China halte sich "in solchen Makro-Fragen" immer noch häufig zurück.
Der Friedensforscher Jochen Hippler vom Institut für Entwicklung und Frieden der Universität Duisburg stellt am Dienstag (26.05.2009) in der Bundespressekonferenz in Berlin das Friedensgutachten 2009 vor.
Der Politikwissenschaftler Jochen Hippler meint, Putin gehe es immer wieder um den eigenen Großmachtstatus.© dpa / Alina Novopashina
Von einer strategischen Bindung zwischen Russland und Ägypten lasse sich noch nicht sprechen, betonte der Politikwissenschaftler. Für Kairo ergebe sich durch die Annäherung an Putin allerdings die Möglichkeit "dem Westen eine Nachricht zu senden 'seht her, notfalls, wenn ihr nicht aufhört, uns unter Druck zu setzen, geht es auch ohne Euch'". Hippler: "Die wichtigste Funktion ist eben tatsächlich, eine Drohkulisse aufzubauen - zu zeigen, wir können auch anders."

Das Interview im Wortlaut:
Liane von Billerbeck: Als es noch zwei Blöcke gab, die NATO und den Warschauer Pakt, lang, lang ist's her, gefühlt zumindest eine Ewigkeit, damals jedenfalls gab es noch etwas Drittes, ein Dazwischen: die Bewegung der blockfreien Länder wie Ägypten, Indien und Jugoslawien. Doch nun: Der Warschauer Pakt ist perdu, Jugoslawien gibt es nicht mehr. Braucht es diese Blockfreien überhaupt noch? Und kann man eigentlich in Konflikten mit globalen Folgen wie denen in und um die Ukraine sich heraushalten? Das will ich jetzt von Jochen Hippler wissen, er ist Politikwissenschaftler und Friedensforscher am Institut für Entwicklung und Frieden der Universität Duisburg-Essen. Herr Hippler, guten Morgen!
Jochen Hippler: Guten Morgen!
von Billerbeck: Wie blockfrei, wenn wir das vielleicht mal mit unabhängig übersetzen, können denn Staaten heute noch sein im Zeichen zum Beispiel der Ukraine-Krise?
Hippler: Na ja, ist spannend, also es schwankt eben von ihren außenpolitischen Notwendigkeiten: Also wenn sie eben in der Nähe der Region sind, ist es schwerer, sich da rauszuhalten, als wenn sie halt sehr weit entfernt sind. Und es schwankt natürlich davon: Wie abhängig sind sie von etwa den Vereinigten Staaten oder jetzt von Russland? Also insofern, da würde ich sagen, es geht, aber es gibt bestimmte Voraussetzungen in dieser konkreten Situation, die erfüllt sein müssen.
von Billerbeck: Das heißt, unabhängig, Schrägstrich, blockfrei kann man nur sein, wenn man sich es leisten kann?
Hippler: Ja, das war aber auch früher eigentlich schon so. Also ich meine, im Kalten Krieg damals, als es die beiden Blöcke noch gab, von denen Sie ja gesprochen haben, da war es ja auch nicht immer kostenlos zu haben. Die beiden großen Mächte damals haben ja auch Druck ausgeübt auf die kleineren Staaten, gerade der Dritten Welt, sich einem der Blöcke anzuschließen. Und entweder mussten sie versuchen, die gegeneinander auszuspielen, das klappte nicht immer, oder sie mussten eben selbst genug Gewicht haben oder eine besondere strategische Bedeutung, dass sie dem widerstehen konnten. Also so ganz kostenfrei war es ja auch damals nicht.
Putin profitiert von der Verstimmung zwischen Ägypten und dem Westen
von Billerbeck: Putin ist unterwegs nach Kairo, besucht Ägypten. Wie sehr versuchen denn einerseits der Westen, Russland andererseits, solche, in Anführungsstrichen, unbeteiligten Staaten auf ihre Seite zu ziehen?
Hippler: Na ja, ich glaube, dass es im Fall Ägypten jetzt beispielsweise noch ein bisschen komplizierter ist, weil wir ja – unabhängig schon von der Ukraine-Krise und vor der Ukraine-Krise – eine Situation haben, in der halt Russland versuchte, zu demonstrieren, noch eine eigenständige Großmacht zu sein. Denken Sie an die unterschiedliche Politik gegenüber Syrien beispielsweise, denken Sie an die Versuche, im sogenannten nahen Ausland, also in der Nähe der alten oder in dem Gebiet der alten Sowjetunion Positionen zu halten. Da ist dann natürlich aufgrund der Verstimmung zwischen Ägypten und den USA, Ägypten und Europa... Aufgrund des Putsches von General Sisi hat sich eine Möglichkeit ergeben für Russland, Punkte zu sammeln, die man vorher vielleicht nicht so hatte, und die versucht man natürlich jetzt, zu nutzen.
von Billerbeck: Was hat denn Russland solchen Staaten wie eben Ägypten oder dem Iran zu bieten?
Hippler: Nun, natürlich nicht so viel, wie vielleicht die Vereinigten Staaten zu bieten hätten, aber erst mal verfügt Russland halt über die Möglichkeit, im UNO-Sicherheitsrat Veto einlegen zu können. Das kann unter bestimmten politischen Bedingungen nützlich sein, wenn man eben so verhindern kann, dass ein Land verurteilt wird oder Druck auf es ausgeübt wird. Zweitens ist Russland natürlich eine Macht, die halt im Bereich Energieversorgung – also Öl, Gas – was zu bieten hat, wenn das für manche Länder wichtig ist.
Und dann ist natürlich Russland, gerade wenn wir jetzt denken an Möglichkeiten, angedachte Möglichkeiten einer Blockbildung mit China, auch durchaus schon politisch noch eine mögliche Rückendeckung. Also wenn man sich nicht isolieren lassen möchte von der NATO, vom Westen – wohin soll man sich sonst wenden? China hält sich in solchen Makrofragen, solchen Konfliktfragen häufig immer noch relativ stark zurück und da bleibt eben nicht sehr viel anderes.
Noch keine strategische Bindung beider Länder
von Billerbeck: Wenn wir bei Ägypten bleiben, wohin Putin ja nun reist: Welche Vorteile, welche Nachteile bietet es denn für dieses Land, wenn es sich näher an Putins Moskau bindet?
Hippler: Also ich glaube, dass wir im Moment noch nicht davon sprechen können, dass es wirklich eine richtige, sagen wir mal, strategische Bindung geben würde, wie das ja früher unter Nasser mal gewesen ist für ein paar Jahre, sondern, dass es im Moment immer noch eher dazu dienen kann, dem Westen halt eine Nachricht zu senden: Seht her, notfalls, wenn ihr nicht aufhört, uns unter Druck zu setzen, geht es auch ohne euch.
von Billerbeck: Wir können auch anders.
Hippler: Wir können auch anders. Das heißt, wenn ihr halt nicht ... dieses Gerede über Menschenrechts-Regeln sprecht, oder wenn ihr halt ständig von dem Putsch sprecht, dann ist das halt nicht so, dass wir nicht irgendwie auch noch andere Optionen haben. Also insofern glaube ich, die wichtigste Funktion ist eben tatsächlich, Drohkulisse aufzubauen, zu zeigen: Wir können auch anders. Auf der taktischen Ebene, also ein, zwei Ebenen drunter, wird man ja auch über Militärkooperationen noch mal reden und über ähnliche Dinge.
von Billerbeck: Der Kalte Krieg wurde damals ja stark als Stellvertreterkrieg ausgetragen in Staaten der sogenannten Dritten Welt. Sehen Sie da heute ähnliche Tendenzen?
Hippler: Na ja, nicht auf dieser Ebene, dass es jetzt halt, sagen wir mal, in Staaten wie früher Angola oder Mosambik oder so richtige Kriege gab, wo man halt dann mithilfe Dritter ... Also etwa damals die Sowjetunion brachte dann Kuba ins Spiel, und der Westen fing dann an, richtige Milizen, auch Söldnergruppen, also die USA damals, aufzubauen. Also das kann ich im Moment noch nicht ganz sehen. Aber wenn ich halt an Georgien denke, wenn ich jetzt an die Ukraine denke oder an andere potenzielle Konflikte, dann ist es schon so, dass die beiden großen Pole nicht versuchen, also Russland, die USA vor allen Dingen, nicht versuchen, direkt ihre Soldaten aufeinander schießen zu lassen, sondern bizarrerweise besteht ja jetzt Herr Putin immer noch darauf, dass es keine eigenen Soldaten seien, sondern welche, die gerade Urlaub hätten, die in der Ukraine eingefallen sind.
Das heißt, da macht man indirekte Formen: Beide Seiten versuchen eben tatsächlich, an solchen konkreten Krisen, Konflikten beteiligt zu sein, aber noch das offizielle Entsenden eigener Truppen möglichst nicht zu machen. Denken Sie auch daran, dass jetzt zwar von Waffenlieferungen an die Ukraine gesprochen wird in Washington, aber kein Mensch bisher auf die Idee kommt, etwa amerikanische oder NATO-Truppen in die Ukraine zu schicken.
von Billerbeck: Jochen Hippler war das, Friedensforscher von der Uni Essen-Duisburg. Ich danke Ihnen für das Gespräch!
Hippler: Sehr gerne!
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio Kultur macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.
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