Pro und Contra des neuen Sorgerechts

21.08.2010
Das Bundesverfassungsgericht hat die Rechte unverheirateter Väter gestärkt. Das Bundesjustizministerium arbeitet nun an einer Neuregelung des Sorgerechts. Kritiker befürchten eine Flut von Rechtsstreitigkeiten.
Das Bundesverfassungsgericht hat die Rechte unverheirateter Väter gestärkt. Sie können nun auch gegen den Willen der Mutter das gemeinsame Sorgerecht verlangen. Bisher hatte automatisch die Mutter das alleinige Sorgerecht, war sie nicht einverstanden, hatte der Vater keine rechtliche Möglichkeit, sein Sorgerecht einzuklagen. Dies verstoße gegen das grundgesetzlich geschützte Elternrecht des Vaters, entschieden die Karlsruher Richter. Das Bundesjustizministerium arbeitet nun an einer Neuregelung. Ein Grund zum Feiern für Väter, Kritiker befürchten eine Flut von Rechtsstreitigkeiten.

"Das Urteil macht mich richtig froh", sagt Helge Messner vom Verein "Väteraufbruch für Kinder", "Kinder haben ein Recht auf beide Eltern." Der Lehrer hat lange mit der Mutter um jedes Treffen mit seinem Sohn gerungen:

"Ich musste um jede Stunde streiten, sie war der Meinung, zweimal sechs Stunden im Monat bei einem Vierjährigen seien ausreichend."

Dank eines Richterspruches sieht er den mittlerweile Fünfjährigen alle 14 Tage. Beide Eltern gehen mittlerweile in eine Mediation, um die weiteren Streitpunkte auszuräumen.

Bislang fühlte er sich als "bloßer Zahlvater", nun hofft er, dass die Gesetzesnovelle ihn zu einem "vollwertigen Vater" macht. Diese Erfahrung teilt er mit vielen Vätern, die er beim "Väteraufbruch" berät.

"Väter, deren Kinder in Behandlung oder im Krankenhaus sind, Väter, die lediglich wissen wollen, wie es ihrem Kind geht, Väter, die positiv auf die Entwicklung ihres Kindes Einfluss nehmen möchten."

Dass die Väter auch nach dem BVG-Urteil ihr Recht einklagen müssen, empfindet der 38-Jährige allerdings als "ein geradezu absurdes Verfahren. Deutschland darf beim Sorgerecht nicht Schlusslicht in Europa bleiben." Seine Forderung:

"Künftig sollen Eltern – ob mit oder ohne Trauschein – die elterliche Sorge für ihre Kinder ab Anerkennung der Vaterschaft gemeinsam ausüben."

"Das habe ich nicht gewollt! Es ist wirklichkeits- und praxisfern und mütter- und damit auch kinderfeindlich","

kommentiert die Juristin Jutta Wagner die geplante Gesetzesnovelle. Die Fachanwältin für Familienrecht kann auf eine mehr als 30-jährige Erfahrung in Sorgerechtsfällen zurückblicken. Als junge Anwältin hatte sie 1980 vor dem Bundesverfassungsgericht dafür gestritten, dass auch unverheiratete Väter mit Zustimmung der Mutter die elterliche Sorge für ihr Kind ausüben können.

""Damals habe ich verloren, weil Karlsruhe es für verfassungsgemäß hielt, den unverheirateten Vater von der elterlichen Sorge auszuschließen."

Die Zeiten haben sich geändert – ihre Haltung zum Thema auch. Zwar müsse sich die Rechtslage für die unverheirateten Väter ändern. Sie persönlich könne auch mit der aktuellen Übergangsregelung leben, dass Väter ihr Sorgerecht einklagen können. Ein automatisches gemeinsames Sorgerecht für Mütter und Väter – wie es der Justizministerin vorschwebt - lehnt sie allerdings ab.

"Wie sieht es denn im Alltag unverheirateter Mütter und ihrer Kinder aus? Von Beginn der Schwangerschaft an und erst recht meist ab der Geburt trägt die unverheiratete Mutter die Verantwortung für ihr Kind allein. Die Ausnahmefälle, in denen Paare sich bewusst - ohne verheiratet zu sein - für ein Kind entscheiden, spielen bei Streitigkeiten um das Sorgerecht kaum eine Rolle.

Entweder der Vater kann mit Zustimmung der Mutter das Sorgerecht mit ihr gemeinsam ausüben oder er trägt praktisch die Verantwortung. Dann kann er auch mitentscheiden. Denn für die Fragen des täglichen Lebens braucht er kein Sorgerecht auf dem Papier."

Die Präsidentin des Deutschen Juristinnenbundes befürchtet eine weitere Klagewelle:

"Für die Mütter jedenfalls wird das Leben nicht leichter werden. Sie werden Widerspruch gegen das gesetzlich gewollte, gemeinsame Sorgerecht einlegen. Und die Väter werden dagegen klagen, weil sie sich ihr Recht nicht nehmen lassen wollen. Familiengerichtliche Auseinandersetzungen sind also vorprogrammiert."

"Pro und Contra des neuen Sorgerechts"
Darüber diskutiert Stephan Karkowsky heute von 9 Uhr 05 bis 11 Uhr mit Jutta Wagner und Helge Messner. Hörerinnen und Hörer können sich beteiligen unter der Telefonnummer 00800 / 2254 2254 oder per E-Mail unter gespraech@dradio.de.

Informationen im Internet:
Verein "Väteraufbruch für Kinder"
Bundes-Arbeitsgemeinschaft für Familien-Mediation e.V.
Arbeitsgemeinschaft Familienrecht im Deutschen Anwaltsverein