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Börsenfusion
Noch viele Fragen in Frankfurt und London

Pünktlich zur Bekanntgabe der neuen europäischen Superbörse werden auch wieder Anschuldigungen laut gegen den Chef der Deutschen Börse, Carsten Kengeter. Es geht um Berichte, dass er in Manipulationen des Zinssatzes Libor verwickelt sein soll. Die Vorwürfe sind nicht neu und der Zeitpunkt der Veröffentlichung wohl auch kein Zufall.

Von Brigitte Scholtes | 16.03.2016
    Carsten Kengeter, der Vorstandsvorsitzende der Deutschen Boerse AG in Frankfurt.
    Carsten Kengeter, der Vorstandsvorsitzende der Deutschen Boerse AG in Frankfurt. (imago/Sven Simon)
    "Die Anschuldigungen sind falsch". Kurz und knapp antwortete Deutsche-Börse-Chef Carsten Kengeter heute auf die Nachfrage, ob denn etwas dran sei an den Vorwürfen eines Händlers, er habe Bescheid gewusst über die Manipulationen von Leitzinsen wie dem Libor. Damals war Kengeter noch bei der schweizerischen Großbank UBS tätig. Daran also dürfte die Fusion nicht scheitern, will der designierte Chef der fusionierten Börse damit deutlich machen. Sie darf aus seiner Sicht nicht scheitern, weil sie ein so hohes Wachstumspotenzial für beide Börsen und ein Einsparpotenzial von jährlich 450 Millionen Euro bringe – weitaus mehr als beim letzten Fusionsversuch der Deutschen Börse, damals mit der New Yorker Börse. Das Vorhaben soll bis Ende dieses Jahres, spätestens Anfang 2017 abgeschlossen sein.
    Die große Eile hat zur Folge, dass vieles noch nicht klar ist: So sollen zwar wichtige Funktionen der dann weltgrößten Börse auch in Frankfurt angesiedelt sein, Kengeter selbst will "viel Zeit" in der Mainmetropole verbringen. Aber was bedeutet das für die Arbeitsplätze in Frankfurt? Carsten Kengeter: "Deshalb kann ich eigentlich nur konzedieren, dass es sicherlich Veränderungen gibt, aber die Details dieser Veränderungen – das wäre noch zu früh, darüber zu spekulieren."
    Die Auswirkungen gerade auf Frankfurt beobachten aber die Akteure in Frankfurt trotz grundsätzlicher Zustimmung zu einer Fusion mit großer Sorge, so auch Stefan Winter, Präsident des Verbands der Auslandsbanken: "Uns ist es natürlich nicht egal, eine Börse ist ein sehr, sehr starker Infrastrukturfaktor für jeden Standort."
    Auch das Tempo mache ihm Sorge, sagt Christoph Schalast von der Frankfurt School of Finance and Management: "Ich halte das wirklich für einen Fehler, vor allem auch angesichts der Unsicherheit bei einem möglichen Brexit."
    Den möglichen Brexit aber sehen die Beteiligten offenbar recht gelassen, dabei könnte der Ausgang des Referendums in Großbritannien vieles verändern, auch die mögliche Zustimmung der Aktionäre. Carsten Kengeter: "Es ist keine Entscheidung getroffen, wann die Befragung der Aktionäre exakt stattfindet. Es könnte auch nach dem Referendumsdatum sein. Das ist offen."
    Christoph Schalast aber sieht nach den Erfahrungen früherer Fusionsversuche das größte Risiko bei den Aktionären der Deutschen Börse: "Hinzu kommen möglicherweise Hedge Fonds und institutionelle Anleger, die sich ja auch schon beim letzten Versuch dagegen gestemmt haben und Alternativen letztendlich für sich gesehen haben. Hier muss man abwarten, wie die Gespräche dann laufen."
    Auch hier also ist noch vieles offen. Das kritisiert auch Wolfgang Kirsch, Chef der DZ-Bank, der selbst gerade im Fusionsprozess mit der WGZ-Bank steckt: "Der Teufel liegt doch im Detail, und deswegen bin ich nicht gegen die Fusion, aber ich bin jetzt für knechtliche Arbeit, dass man jetzt die Pros und Kons dieses Schrittes, dass man das nachweist."
    Die grundsätzliche Zustimmung der Aufsichts- und Wettbewerbsbehörden sollten sich die Beteiligten gesichert haben, hofft man in Frankfurt. So beruhigt auch Xavier Rolet, Chef der Londoner Börse, auch wenn er einschränkt, man könne nicht genau abschätzen, wie die Analyse und das Ergebnis der Wettbewerbsbehörden ausfallen werde.