Predigten in deutschen Moscheen

Immer entlang der roten Linie

Das Bild zeigt das weiße Gebäude vor blauem Himmel.
Moschee in Fürthen (Rheinland-Pfalz): Zentraler Ort für Botschaften © Thomas Frey / dpa
Constantin Schreiber im Gespräch mit Nana Brink · 27.03.2017
Acht Monate lang hat der Journalist Constantin Schreiber Freitagspredigten in deutschen Moscheen besucht. Was dort gepredigt wird, ist offenbar oft antidemokratisch und auch sonst problematisch. Schreibers Fazit ist ernüchternd.
Was wird aktuell an deutschen Moscheen gepredigt? Der Journalist Constantin Schreiber hat sich ein Bild gemacht - acht Monate lang hat er sich die Freitagspredigten in unterschiedlichen islamischen Gemeinden angehört. Sein Fazit ist ernüchternd:
"Der rote Faden war schon die Warnung vor dem Leben draußen in Deutschland. Es ging immer darum zu sagen: Wir, die Muslime, und die anderen, die Christen, die Ungläubigen (...). Das gab es in verschiedenen Schattierungen, das gab es auch mal subtiler, mal war es sehr ausdrücklich, da war die Rede davon, Deutschland will dich auslöschen, wie können wir hier standhaft bleiben, und dann gab es auch ganz konkret Hetze, wo gegen Juden und Jesiden gehetzt wurde, wo gesagt wurde, man kann nicht Muslim und auch Demokrat sein."

Die Moscheen sind der zentrale Ort für Botschaften

Die Moscheen seien Freitags der zentrale Ort, wo sich Muslime treffen, sagte Schreiber. Alle Freitagsgebete, die er besucht habe, seien sehr gut besucht gewesen, manchmal sei in "mehreren Schichten gepredigt" worden. Es gehe hier um einen zentralen Ort, an dem Botschaften verbreitet würden, so Schreiber.
Dass sie beobachtet werden, sei den Imamen bewusst, sagte der Journalist. Die Predigten seien voller Anspielungen und bekämen in der Regel gerade noch rechtzeitig die Kurve. Offen zur Gewalt sei nirgendwo aufgerufen worden. Man wisse um die roten Linien, die nicht überschritten werden dürfen. Einige der Predigten legte Schreiber auch dem Verfassungsschutz vor. Von dort hieß es, das Gesagte reiche nicht aus, um die Moscheen zu beobachten. Schreiber:
"Man kann sich jede Woche in einen Raum stellen und sagen, die Demokratie ist schlecht, Deutschland ist schlecht, die Deutschen sind schlecht, ihr sollt nicht mit Christen reden, das ist nicht verfassungsfeindlich."
(ahe)

Constantin Schreibers Arbeit sei sehr verdienstvoll, sagt der Islamwissenschaftler Mathias Rohe. Er warnt allerdings dringend davor, mit Prozentzahlen zu operieren. Es gibt zwar Moscheen, die haben ein Problem - aber man dürfe nicht über einen Kamm scheren. "Man muss kein Misstrauen gegenüber sämtlichen Moscheen haben, sondern das Gegenteil", so Rohe.
Autorenporträt Mathias Rohe
Autorenporträt Mathias Rohe© Karoline Glasow

Das Interview im Wortlaut:
Nana Brink: Immer wieder, zum Beispiel nach dem Anschlag auf den Berliner Weihnachtsmarkt, kommt ja die Frage auf: In welcher Moschee war denn der Attentäter, was wurde da gepredigt? Der "Tagesschau"-Journalist Constantin Schreiber hat sich monatelang Freitagspredigten in deutschen Moscheen angehört. Er hat auch vieles verstanden, denn er spricht fließend Arabisch, und seine Erlebnisse hat er dokumentiert, übersetzt und mit Experten einsortiert. Heute erscheint sein Buch "Inside Islam". Schönen guten Morgen, Constantin Schreiber, hier in "Studio 9"!
Constantin Schreiber: Guten Morgen!
Brink: Als ich mich auf das Gespräch vorbereitet habe, habe ich mich erst mal gefragt, wie viele Moscheen gibt es eigentlich in Deutschland, und ich bin auf keine konkrete Zahl gestoßen.
Der Journalist und Moderator Constantin Schreiber.
Der Journalist und Moderator Constantin Schreiber.© Deutschlandradio - Andreas Buron
Schreiber: Es gibt auch keine konkrete Zahl, weil sich ja Moscheen nicht registrieren müssen oder irgendwo anmelden müssen. Das ist Teil der Religionsfreiheit. Wenn jemand beschließt, ein Raum ist ab jetzt eine Moschee, dann ist das eine Moschee. Er muss auch nicht geweiht werden, er muss nicht angemeldet werden, und das macht es natürlich sehr schwierig, überhaupt zu erfassen, wo es überall Moscheen gibt. Es gibt Schätzungen, die reichen so von 2.800 bis etwas über 3.000 Moscheen. Aber es weiß niemand, und es ist auch de facto gar nicht zu recherchieren.
Brink: Sie haben nun nicht alle besucht, gehe ich mal davon aus, aber Sie sind einfach, ja, reingegangen, einfach so – ist Ihnen wahrscheinlich leichter gefallen als mir als Frau, würde ich mal sagen.
Schreiber: Genau. Es gibt schon eine ganze Zahl von Moscheen, da dürften Frauen auch gar nicht reingehen. Es hängt immer von der Moschee ab. Frauen dürfen ja zu Hause das Freitagsgebet verrichten, Männer müssen es in der Moschee machen. Und dann hängt es eben davon ab, ob es einen Frauenraum gibt, oder manche Moscheen erlauben es auch, dass die Frauen hinter den Männern beten, aber es gibt eben auch eine große Zahl von Moscheen, da dürften Frauen gar nicht rein. Also 50 Prozent der Bevölkerung in Deutschland könnten sich in sehr vielen Moscheen gar nicht ein eigenes Bild machen davon, was da eigentlich geschieht.
Brink: Nun sind Sie einfach reingegangen und haben zugehört. War das so einfach?
Schreiber: Das war in der Tat überraschend einfach. Ich habe schon damit gerechnet, dass ich vielleicht mal häufiger angesprochen werde, dass man mich vielleicht auch fragt, was ich da will. Ich habe ehrlich gesagt auch damit gerechnet, dass man mich vielleicht mal rauswirft, weil ich eben so ganz offensichtlich keinen nahöstlichen Migrationshintergrund mitbringe. Und viele kannten mich auch tatsächlich als Journalist irgendwie vom Sehen, aber das war in der Tat überhaupt kein Problem. Es war sehr normal, dass ich da einfach sein konnte.
Brink: Was haben Sie gehört?
Schreiber: Das hat mich dann andererseits schon wieder überrascht. Ich frage mich manchmal auch, mit welcher Erwartungshaltung ich da hingegangen bin. Und ich hatte irgendwie, glaube ich, doch so das Gefühl: Wahrscheinlich wird es irgendwie sein wie eine christliche Predigt. Man hört irgendwie gesellschaftlich relevante Themen, vielleicht irgendwas Theologisches, aber es war dann doch, ich sage so, der rote Faden war schon die Warnung vor dem Leben draußen in Deutschland. Es ging immer darum zu sagen: Wir, die Muslime, und die anderen, die Christen, die Ungläubigen auch zum Teil, draußen. Das gab es in verschiedenen Schattierungen, das gab es mal subtiler, mal war es sehr ausdrücklich. Da war die Rede davon: Deutschland will dich auslöschen. Wie können wir hier standhaft bleiben. Und dann gab es auch ganz konkret Hetze, wo also gegen Juden und Yesiden gehetzt wurde, wo gesagt wurde: Man kann nicht Moslem und auch Demokrat sein. Das war tatsächlich in eigentlich allen, in fast allen Predigten, 80, 90 Prozent, so, dass das der rote Faden war, der offenbar Imame in diesem Land unglaublich beschäftigt.
Brink: Und das hat Sie dann schon überrascht in der Massivität?
Schreiber: Ja, sehr. Ich hatte schon damit gerechnet, dass ich eigentlich wesentlich mehr Predigten besuchen müsste, um vielleicht auch mal was Kritisches zu hören. Dass es wirklich jede Woche wieder ein Aha-Erlebnis war, oder dass ich da kopfschüttelnd rausgegangen bin, das habe ich so überhaupt nicht erwartet.
Brink: Nun kann man ja sagen, dass dann der Islam über die Demokratie gestellt wird. Wie ernst muss man das nehmen? Weil die Predigt ist ja vielleicht nicht das einzige Mittel der Kommunikation.
Schreiber: Es ist nicht das einzige Mittel der Kommunikation, aber auch nach meinen Besuchen muss ich sagen, es ist der zentrale Ort in Deutschland, wo doch alle Muslime oder ein großer Teil der Muslime, aber durch alle gesellschaftlichen Sphären hindurch sich treffen. Da ist der Junge, der Alte, der Flüchtling, der Geschäftsmann. Da ist der Schüler, da sind also alle. Da sind auch gerade Zugereiste, das gibt es, so, wie ich das sehe, in keinem anderen Ort in unserem Land, dass man wirklich so einen Querschnitt der Muslime in großer Zahl hat. Und die Predigten, die Freitagsgebete, sie waren immer voll. Es hat nicht eine einzige Predigt gegeben, wo der Raum ausgereicht hätte für die Leute. Man musste mehrfach oder in den meisten Fällen tatsächlich in mehreren Schichten predigen, damit man die ganzen Leute überhaupt unterbekommt. Das war für mich schon so ein Indiz – also wenn man sagt: Na ja, gut, es gehen nicht alle Muslime in die Freitagspredigt, ja, es gibt ja auch andere Orte. – Ja, die gibt es, aber das ist schon wirklich der zentrale Ort, wo Botschaften verbreitet werden.
Brink: Nach all dem, was Sie erzählen, haben Sie recht einfach, sage ich jetzt einfach mal, auch verfassungsfeindliches Material gefunden, kann man wahrscheinlich so auf einen Nenner bringen? Oder würden Sie es anders formulieren?
Schreiber: Das würde ich tatsächlich anders sagen. Ich habe auch bemerkt, dass auch von den Nachfragen her – ich wurde, wenn ich dann mit dem Imam zum Beispiel gesprochen habe, ganz häufig oder auch häufiger mal gefragt, ob ich vom Verfassungsschutz sei. Man ist sich also sehr bewusst, dass man vielleicht in irgendeiner Weise beobachtet wird. Und das schlägt sich auch in den Predigten nieder, dass ganz häufig wirklich sehr geschickt noch so die Kurve gekriegt wird und viele Predigten voller Anspielungen sind. Also wirklich offen zu Gewalt aufgerufen, zum Dschihad, das hat es nirgendwo gegeben. Es ist, wie ich gerade sagte, feiner oder subtiler oder sehr bewusst um die roten Linien, die man nicht überschreiten kann. Das Wort Dschihad fiel zum Beispiel nur in einer einzigen Predigt, und da eher in einem sehr harmlosen Kontext. Das habe ich schon bemerkt, dass man sich dessen bewusst ist.
Brink: Und ermittelt der Verfassungsschutz da?
Schreiber: Ich habe ein paar der Predigten tatsächlich dann auch dem Verfassungsschutz zugeschickt, ich habe mit denen gesprochen. Und das war genau das, was die auch gesagt haben. Die sagten, die Predigten, die sie gefunden haben – also man kann sich jede Woche in einen Raum stellen und sagen, die Demokratie ist schlecht, Deutschland ist schlecht, die Deutschen sind schlecht, ihr sollt nicht mit Christen reden. Das ist nicht verfassungsfeindlich. Verfassungsfeindlich wird es in dem Moment, wo gesagt wird, ihr sollt Bomben legen, ihr sollt euch in die Luft sprengen. Und die sagten, das ist tatsächlich: Wir könnten anhand dieser Predigten noch nicht jetzt mit V-Leuten reingehen oder die observieren.
Brink: Vielen Dank! Constantin Schreiber über seine Erfahrungen in deutschen Moscheen. Und darüber hat er ein Buch geschrieben, es erscheint heute, "Inside Islam. Was in deutschen Moscheen gepredigt wird". Danke für Ihren Besuch hier.
Schreiber: Bitte!
(Versehentlich hat Moderatorin Nana Brink Contantin Schreiber mit Christian angesprochen, in der Abschrift wurde dies nun korrigiert. - d.R.)
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio Kultur macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.

In seinem "Moscheereport" berichtet Constantin Schreiber über das blühende Leben in den Gemeinden - aber auch über üble Bedingungen, unter denen gebetet werden muss. Der Report läuft erstmals heute Abend um 21.15 Uhr bei tagesschau24. Weitere Folgen werden am 24.04. und 22.05. gezeigt.

Constantin Schreiber: "Inside Islam – was in Deutschlands Moscheen gepredigt wird"
Econ Verlag, Berlin 2017,256 Seiten, 18,00 Euro

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