Präsident Katholiken-Zentralkomitee

"Die Laien sind nicht mehr nur Hilfskräfte"

Ein Diakon und Laien auf dem Alter einer katholischen Kirche.
Sollen eine wichtigere Rolle in der katholischen Kirche erhalten: die Laien. © imago / epd
Alois Glück im Gespräch mit Anne Françoise Weber · 27.09.2015
Die Bischofskonferenz hat hat Neuerungen etwa im Verhältnis von Klerikern und Laien beschlossen. Alois Glück, oberster Laienvertreter der deutschen Katholiken, sieht hier eine "große positive Entwicklung". Unter anderem bei der Rolle der Frau ist er aber noch nicht zufrieden.
Anne Françoise Weber: In der vergangenen Woche hat die Deutsche Bischofskonferenz in Fulda getagt und ein Wort zur Erneuerung der Pastoral verabschiedet. Das 50-seitige Dokument mit dem Titel "Gemeinsam Kirche sein" will grundlegende Texte des Zweiten Vatikanischen Konzils, das vor genau 50 Jahren stattfand, in heutigem Licht neu lesen und umsetzen. Unter anderem heißt es da: Es kann in der Kirche nicht um Konkurrenz und Kompetenz von Klerikern einerseits und Laien andererseits gehen.
Ich habe vor der Sendung mit Alois Glück gesprochen. Er ist Präsident des Zentralkomitees der deutschen Katholiken, also der organisierten Laienvertretung in der katholischen Kirche. Zunächst habe ich ihn gefragt, ob dieses Bischofswort denn für ihn eine lang erwartete Anerkennung bedeutet oder ob es doch nicht weit genug geht? Denn die Botschaft ist ja: Die katholische Kirche braucht ihre Laien, trotzdem aber bleibt den Priestern die geistliche Vollmacht vorbehalten.
Alois Glück: Dieses Wort ist eine ganz große positive Entwicklung im Vergleich zu dem, was noch vor wenigen Jahren die Sichtweise war vonseiten der Kirchenleitung. Es ist ganz deutlich damit ein anderes Kirchenbild zum Ausdruck gebracht, anknüpfend an das Zweite Vatikanische Konzil. Es ist sehr viel aufgenommen, was wir in einer gemeinsamen Arbeitsgruppe – Zentralkomitee und Bischofskonferenz – erarbeitet haben. Und natürlich bleibt es dabei, dass die geistliche Leitung federführend in der Kompetenz des geistlichen Amtes liegt, aber in diesem Papier ist betont die gemeinsame Verantwortung. Das heißt, die Laien sind nicht mehr nur die Zulieferer, sind nicht die Hilfskräfte, und so gesehen ist es ein wichtiger Schritt in Richtung einer synodalen Prozessentwicklung in unserer Kirche.
Weber: Der Mainzer Kardinal Lehmann sagte kürzlich, bei der Rolle der Laien in der Kirche sei doch noch Luft nach oben. Und man könnte ja tatsächlich an Frauen im Diakonat oder an verheiratete Männer als Priester denken. Haben Sie Hoffnung, dass die katholische Kirche bald solche Schritte tut? In diesem Dokument wurde das ja jetzt nicht explizit gefordert. Es wurde von einer geschlechtergerechten Verteilung von Leitungspositionen gesprochen, aber weiter ist man da jetzt nicht gegangen.
Glück: Das sind natürlich Entscheidungen auf der Ebene der Weltkirche. Das ist einmal schon die Frage des Diakonats etwa für die Frau, das wir seit Langem vertreten, wo aber dann eine Grundsatzdebatte da ist im Hinblick auf das Weihamt. Weil im traditionellen Verständnis jedenfalls das Diakonat ein quasi Schritt ist in Richtung Weihe zum Priester. Auf der anderen Seite haben wir in Deutschland seit Langem auch die Rolle des ständigen Diakons, also wo das Berufsziel dann eben nicht der Priester ist. Nur, dies kann in der Kirche in Deutschland so nicht entschieden werden und von daher hat es seine Logik. Aber wir sind ganz bei Kardinal Lehmann, wenn er das als Ziel nach oben formuliert.
Weber: Es kann nicht in Deutschland entschieden werden, das ist klar. Aber die Bischöfe hätten doch jetzt gerade dieses Bischofswort dafür nutzen können, sich da noch mal in diese Richtung positiv zu äußern?
Glück: Ja, gleichzeitig muss man natürlich die Situation in der Weltkirche vor Augen haben. Und man kann sich auch manchmal isolieren und wichtige Teilziele nicht erreichen, wenn gleich ein Ziel formuliert wird, das für viele noch nicht vorstellbar ist. Das Gebot der Klugheit in den Entwicklungsprozessen der Kirche gilt auch hier und nicht nur in weltlichen Prozessen.
Weber: Das ist sicherlich wahr! Bei der Vorstellung von diesem Bischofswort sprach der Münsteraner Bischof Felix Genn davon, dass die Gläubigen von der Versorgungslogik in die Partizipationslogik umsteigen müssen. Spricht aus diesen Worten nicht auch einfach die pure Not in Zeiten des Priestermangels? Also, man kann nicht mehr alle Gläubigen mit eigenen Priestern und Gemeinden versorgen, also sollen sie eben möglichst selbst mitmachen und partizipieren?
Leidensdruck ermöglicht Veränderungen
Glück: Ja, natürlich. Und das ist natürlich auch wieder allgemeine Lebenserfahrung: Wirkliche Veränderungen sind meistens erst möglich, wenn ein gewisser Leidensdruck da ist. Aber ich erinnere daran, dass Erzbischof Zollitsch in seiner Funktion damals als Vorsitzender der Bischofskonferenz schon vor einigen Jahren in einem Gespräch mit Vertretern der geistlichen Gemeinschaften formuliert hat: Nun ja, wir sollten einmal darüber nachdenken, ob der Priestermangel nicht ein Weg des Heiligen Geistes ist, damit andere Charismen in der Kirche, andere Fähigkeiten zur Geltung kommen können. Das, finde ich, ist ein ganz interessanter geistlicher Zugang, eine ganz andere Art natürlich noch von Begründung. Aber für viele braucht es offenbar zunächst den Notstand, um für solche weiteren Entwicklungen offen zu sein.
Jetzt sind wir ein gutes Stück weiter – natürlich noch nicht dort, wo wir glauben, dass man hin muss – und dafür sind wir zunächst einmal ganz froh. Das gilt es jetzt mit Leben zu gestalten, das heißt ganz konkret in vielen Diözesen, dass das jetzt auch keine innere Logik und Begründung mehr hat, wenn man etwa in der Planung und Entwicklung der künftigen Pfarrstrukturen immer im Hintergrund hat, priesterzentriert, wie viele Priester haben wir denn noch voraussichtlich morgen und übermorgen, und danach die Zahl der Pfarreien und der Großpfarreien konzipiert, sondern dann muss man eben jetzt zu anderen Gemeindemodellen kommen, was ja eine ganze Reihe von Diözesen auch mittlerweile macht.
Weber: Jetzt haben Sie gerade von Notständen gesprochen, die manches in Bewegung setzen. Ein so ein Beispiel ist ja auch dieser Gesprächsprozess, der vor fünf Jahren im Zuge der Krise um die Fälle sexueller Gewalt in der Kirche ins Leben gerufen wurde. Der wurde jetzt kurz vor der Bischofsvollversammlung abgeschlossen und Sie selbst haben sich sehr zufrieden mit dem Ergebnis gezeigt, aber der Regensburger Bischof Rudolf Voderholzer dagegen sprach von einem mutlosen Grundton und dem Eindruck, die Kirche sei ein Debattierclub. Woher kommen diese unterschiedlichen Einschätzungen? War das der gleiche Prozess?
Glück: Es war der gleiche Prozess. Und ich will festhalten, dass es nur zehn Gegenstimmen gab.
Weber: Zehn auf 300, stimmt das?
Glück: Ja, so in etwa in der Größenordnung. Und auch hier gilt wieder, dass zunächst einmal einfach ganz ehrlich beschrieben wird, was die Situation ist. Und es hilft uns nicht, ich sage mal, nur mit guter Überzeugung von unserem Glauben zu sprechen und vielleicht in charismatischer Fähigkeit. Wir werden den Menschen die Botschaft nur erschließen können, wenn wir zunächst ehrlich sind, was die Situation betrifft, wenn wir auf dem Weg und in der Entwicklung zu einer höheren und dienenden Kirche sind, das heißt, den Menschen zuhören. Und nur so kann es uns gelingen, die Botschaft des Evangeliums auch so zu erschließen, zugänglich zu machen, dass es für den Menschen von heute in seinen unterschiedlichsten Lebenserfahrungen und Lebenssituationen auch als hilfreich für das eigene Leben und als Orientierung für das eigene Leben auch tatsächlich sich erschließt.
Und das sind jetzt vielleicht immer innerkirchlich unterschiedliche Zugänge, wir brauchen in der Kirche auch die ganze Bandbreite von Frömmigkeitsformen, von Glaubenswegen, wir brauchen auch dieses, wenn man so will, konservative Element. Aber keine der Ausprägungen hat eigentlich die Legitimation zu erklären, nur dieser Weg ist katholisch! Es gibt so viele Wege zu Gott, wie es Menschen gibt, hat Kardinal Ratzinger damals im ersten Interviewband mit Seewald formuliert.
Agieren Orbáns "nicht akzeptabel"
Weber: Ein Thema, das die Bischofsvollversammlung diese Woche ja auch dominiert hat, waren die Flüchtlinge. Auch da gibt es ganz unterschiedliche Sichtweisen. Die Bischöfe haben die Gläubigen aufgerufen, sich weiter zu engagieren und Integration voranzutreiben. Ihre Parteifreunde von der CSU haben in der gleichen Zeit den ungarischen Ministerpräsidenten Viktor Orbán empfangen. Der hat ja nun wirklich eine ganz andere Politik und zieht an seinen Grenzen Zäune gegen Flüchtlinge. Was sagen Sie da zu Horst Seehofer und den anderen CSU-Spitzenleuten?
Glück: Zunächst gilt einmal politisch, dass man natürlich auch Partner braucht, mit denen man inhaltlich nicht übereinstimmt, wenn man wichtige Ziele gemeinsam erreichen muss. Also beispielsweise die Sicherung der Außengrenzen. Wie sehr Politik oft in diesem Dilemma steckt, zeigt sich ja darin, wenn auch die Bundeskanzlerin gerade erklärt hat, man muss auch mit Assad reden, um in Syrien überhaupt zu einer Lösung zu kommen. Assad ist ein Schlächter seines eigenen Volkes, da hat man irgendwo einen inneren Widerwillen, aber es geht nicht anders.
Für mich ist wichtig klarzumachen, dass, wie Orbán in Ungarn agiert, nicht akzeptabel ist für ein Menschenbild mit der Würde des Menschen. Und von daher gesehen muss diese Unterscheidung auch für uns deutlich bleiben. Auf der anderen Seite können wir in Europa die Dinge nicht regeln, wen wir ihn oder andere, die andere Maßstäbe haben, ausgrenzen würden in politischen Handlungen. Hier geht es um die Ebene des politischen Handelns. Für die Integration sehe ich keine Differenz zwischen dem, was ich etwa im Zentralkomitee der deutschen Katholiken vertrete und was die eigene Partei in dem Zusammenhang vertritt.
Der Präsident des Zentralkomitees der deutschen Katholiken, Alois Glück.
Der Präsident des Zentralkomitees der deutschen Katholiken, Alois Glück.© picture alliance / dpa / Jan Woitas
Weber: Aber mit Herrn Orbán reden ist ja doch noch mal was anderes als ihn zu einer Klausurtagung einzuladen! Sind Sie da nicht sehr gespalten? Sie sagen ja eben, es ist eigentlich nicht akzeptabel, was er tut. Und Ihre Partei lädt diesen Ministerpräsidenten zu ihrer Klausurtagung ein?
Glück: Na ja, da gibt es innerhalb der eigenen Partei natürlich unterschiedliche Sichtweisen, ob es richtig war, diese Plattform der Klausurtagung zu wählen, ob jetzt dieses notwendige Gespräch nicht in anderer Weise hätte stattfinden können. Aber wichtig ist mir, dass am Schluss klar ist, wo sind Übereinstimmungen und wo bleiben Differenzen gegebenenfalls im Hinblick auf den Umgang mit diesen Menschen. Denn egal, wer kommt und aus welchen Gründen: Zunächst gilt einmal für uns, dass jeder den Anspruch hat, mit Respekt behandelt zu werden, auch diejenigen, wo man von vornherein sagen muss, Leute, ihr könnt bei uns keinen Daueraufenthalt haben - ihr zählt nicht zu denen …; beispielsweise mehr als 99 Prozent derer, die aus dem Westbalkan kommen -, ihr könnt hier kein Asylrecht beanspruchen. Aber auch die Menschen haben Anspruch darauf, dass wir sie mit Respekt behandeln und dass wir so mit ihnen umgehen.
Bei Familiensynode "eine intensive Auseinandersetzung zu erwarten"
Weber: Und für die soll ja jetzt auch eine legale Einwanderungsmöglichkeit dann doch noch geschaffen werden. Wenn wir jetzt noch mal zurückblicken auf die kirchlichen Ereignisse, da wirft ja ein Großereignis seine Schatten voraus: In einer Woche kommen die Bischöfe der Welt zur viel erwarteten Familiensynode in Rom zusammen. Die deutschen Bischöfe haben sich jetzt dazu nicht besonders konkret geäußert, sondern eher gemahnt, die Erwartungen nicht zu hoch zu hängen.
Aber dabei hängt doch viel davon ab und es ist für viele Gläubige entscheidend, wie sich die Kirche jetzt zu den wiederverheirateten Geschiedenen oder zur Homosexualität stellt. Was ist Ihre Einschätzung, was kann diese Familiensynode bewegen?
Glück: Zunächst hat man jetzt im Vorfeld schon gespürt, dass hier ganz unterschiedliche Kulturen gewissermaßen, ja, aufeinanderprallen vielleicht. Etwa in der Freiheit der Homosexualität wird es auf dieser Weltebene keine Verständigung geben. Weil etwa insbesondere in Afrika, aber es geht ja schon los etwa in Mittel- und Osteuropa, hier eine völlig andere Prägung da ist. Das braucht einen Prozess.
In den Fragen Geschieden/Wiederverheiratet ist meine Erwartung, dass es zumindest zu Ergebnissen kommt, die dann der Deutschen Bischofskonferenz das Handeln im Sinne des großen Mehrheitsbeschlusses der Bischofskonferenz - nämlich dafür einzelfallbezogen, aber eben doch nach klaren Maßstäben die Wege zu öffnen -, dass das nach der Synode möglich ist, hier zu handeln. Das heißt, dass eben auch – und das hat eine Bedeutung weit über dieses Thema hinaus –, dass ein Prozess einsetzt, dass für die Kirche in den unterschiedlichen Räumen, für die Ortskirchen in Deutschland, in Europa, und in anderer Weise meinetwegen für andere Themen in Lateinamerika und für wieder andere Themen in Afrika und so weiter, Freiräume möglich sind, um seelsorgerlich Dinge zu gestalten. Natürlich immer in dem Rahmen, dass etwa die Grundsatzfrage Unauflöslichkeit der Ehe im katholischen Verständnis damit nicht infrage gestellt ist.
Es ist sicher eine intensive Auseinandersetzung zu erwarten. Ich hoffe, dass bei der Synode genauso ein Prozess der Veränderung und der Diskussion und der Erkenntnis stattfinden wird, wie dies im Zweiten Vatikanischen Konzil war. Der Ausgangspunkt war hier auch ein völlig anderer als das Endergebnis.
Weber: Sie selbst stehen jetzt seit sechs Jahren an der Spitze des Zentralkomitees der deutschen Katholiken und haben schon angekündigt, Ihr Amt im November niederzulegen. In Ihrer politischen Partei, in der CSU haben Sie sich selbst auch schon mal als wandelnden Vermittlungsausschuss bezeichnet. Waren Sie das auch so ein bisschen zwischen dem Klerus und den Laien? Und wie geht es dann ohne diesen Vermittlungsausschuss weiter?
Glück: In diesen Jahren ist ja jetzt viel gewachsen. Wir haben ein viel entspannteres, ja konstruktives Verhältnis etwa zur Bischofskonferenz. Es war damals aus den verschiedensten Gründen sehr angespannt. Und der Prozess wird weitergehen, dazu bin ich nicht notwendig. Es wäre schlimm, wenn es immer nur personenabhängig wäre. Aber natürlich habe ich meine Aufgabe darin gesehen, einerseits Entwicklungen voranzutreiben, und auf der anderen Seite auch Brücken zu bauen, weil mir aus jahrzehntelanger Erfahrung in Führungsämtern schon auch zugänglich ist, dass, wenn man Führungsverantwortung hat, man natürlich auch in ganz anderen Konstellationen ist, weil man auch das Ganze irgendwo zusammenhalten muss.
Ich habe in der Politik gelernt, in Spannungen, in Spannungsfeldern zu leben, auch in der Führungsverantwortung. Das ist in der Kirche letztendlich genauso. Und ja, in diesem Spannungsverhältnis habe ich mich auch entsprechend natürlich mit einer bestimmten Zielsetzung bewegt und versucht, meinen Beitrag zu leisten.
Weber: Und dabei sicher so einiges vermittelt! Das war Alois Glück, Präsident des Zentralkomitees der deutschen Katholiken und früherer CSU-Landtagsabgeordneter in Bayern. Ganz herzlichen Dank für das Gespräch!
Glück: Ich danke auch!
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio Kultur macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.
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