Popmusik

Betörend, aber nicht männertötend

Die drei Musikerinnen der Band Ganes, Maria Moling (l), Marlene Schuen (M) und Elisabeth Schuen. Sie stammen aus dem Südtiroler Dolomitenort La Val und singen in ihrer Muttersprache, dem Ladinischen.
Die drei Musikerinnen der Band Ganes: Maria Moling, Marlene Schuen und Elisabeth Schuen (von links) © dpa / picture alliance / Blanko Music / Gerald von Foris
Von Veronika Schreiegg · 28.08.2014
Es gibt nur 30.000 Menschen, die den ladinischen Dialekt sprechen und verstehen. Fast ausgestorben ist diese eigentümliche Sprache, die in den Tälern der Dolomiten und in Südtirol zu hören ist. Wahlweise aber auch auf den Alben von Ganes. Das Frauentrio besteht aus den beiden Schwestern Elisabeth und Marlene Schuen und ihrer Cousine Maria Moling.
Ihr Gesang klingt mystisch und erweckt fast ein wenig das Bild der Homerschen Sirenen – betörend, verlockend und ... nun ja, männertötend gerade nicht. Trotzdem ist der Fakt, dass Ganes für ihr Album "Caprize" das erste Mal ohne männliche Begleitband gearbeitet haben, ausschlaggebend für die neue, völlig reduzierte Ästhetik der Band.
"Es ist oft so, dass die Männer glauben sie müssen uns zeigen wie's geht – aber wir machen's einfach anders. Aber mittlerweile sind wir selber unsere Band – nur mehr ein Keyboarder ... jetzt ist es eher anders herum."
Nämlich so, dass Ganes den Ton angeben. Das bedeutet, dass neuerdings anstatt einer Backing-Band mehr Samples zu hören sind, ein digitales Knistern und Flirren, das an die Elektrotüftler Notwist erinnert.
Aufgenommen wurden die neuen Songs in alten Berliner Radiostudios, geprobt wurde allerdings zuerst in München – dem Ort, an dem Ganes eine Weile lang gleichzeitig lebten. Bei diesen Proben zum neuen Album kam der Humor der drei Frauen immer wieder zum Tragen, ein Humor, der sich aus lustvollen Regelverstößen, eben aus Caprizen speist.
"Wir haben da geprobt in München und da kam – am Anfang "Hey, what's your Bang Bang – I want a Rock'n Roll" – dann Schlagzeug "Boom Tschak, Boom Tschak", dann Klavier "da-da-da – da-da-da" – und da war der Song schon da, der schon sehr lustig klang – erst wollten wir den Text austauschen, aber dann haben wir uns an die Zeit erinnert in der wir noch Kinder waren und noch kein Englisch verstanden haben und einfach alle Songs von der Hitparade mitgesungen haben – so wie wir es dachten, dass es für uns klingt – auch Kassetten beschriften...und jetzt haben wir Bang Bang eben als Gaga-Englisch-Song."
Es sind die unkonventionellen Regelverstöße, die Ganes hin und wieder auf die Füße fallen. So zeigt ihre Verweigerung sich den starren Schubladen der Musikindustrie zu unterwerfen, auch Auswirkungen auf ihren Tour-Plan. Für die Bühnen der Popmusik-Festivals sind sie wegen der überwiegend ladinischen Sprache ihrer Songs zu speziell, den Weltmusik-Bühnen scheinbar zu wenig folkloristisch.
"Aber auf der Weltmusik-Messe wollten die uns auch nicht haben. Auf jeden Fall ist es nicht richtig, wenn man sagt wir machen Folklore aus Südtirol, das sind wir nicht. Maria: Wir kommen aus den Alpen, aber es hat außer der Sprache nichts traditionell alpines – bei Coldplay, wenn die Hackbrett verwenden, würde man das auch nicht sagen traditionell oder folkloristisch."
Ganes haben über die vergangenen fünf Jahre gelernt, dass es weder allein ihre Songtexte sind, noch die musikalische Sprache, die beim Publikum ankommt, sondern stets das Zusammenspiel aus beidem.
"Dadurch dass wir auf ladinisch vor einem Publikum singen, das die Sprache nicht versteht um so wichtiger ist es, dass die Atmosphäre vom Song sehr klar ist."
Und so kommunizieren Ganes in ihren Liedern immer über klangmalerische Stimmungsbilder, die auch auf ihrem neuen Album Caprize oft in der Landschaft ihrer Heimat angesiedelt sind, dem einsam gelegenen Bergdorf LaVal:
In ihrem Song "Nei"/Der "Schnee" heißt es: "Langsam fällt der Schnee.../Er überdeckt die Angst/ Und entzieht mir die Kälte/ Ich spüre nichts mehr/ Als die Welt nun stille wird."
Archaische Worte, einer archaischen Band.