Panama

"Wir tun doch nichts Illegales!"

Ein Blick auf die Skyline von Panama-Stadt
Die Skyline von Panama-Stadt © DB Franz Smets, dpa picture-alliance
Von Anne-Katrin Mellmann · 02.08.2016
Vor rund vier Monaten lösten die Panama Papers Debatten über Steuerschlupflöcher, Briefkastenfirmen und Steueroasen aus. Das kleine Land stand plötzlich im Mittelpunkt der Weltöffentlichkeit. Nun will es sein neues Image wieder loswerden.
Auf einem Einfache-Leute-Markt von Panama-Stadt verkauft der 71-jährige Remigio Lopez Kleidung. An sieben Tagen in der Woche steht er in drückender Hitze unter einem Wellblechdach. Auf dem Weg zur Arbeit sieht der alte Mann jeden Tag das Bankenviertel mit seinen glänzenden Spiegelfassaden und Wolkenkratzern. Er ist überzeugt: Reiche aus der ganzen Welt könnten mit Panamas Hilfe Steuern sparen oder Geld waschen, weil alle Politiker unter einer Decke steckten.
"Die Ungleichheit ist bei uns sehr groß. Die Reichen rauben uns aus, uns geht es schlecht. Hier gibt es viel Geld. Aber es gehört nur ganz wenigen."
Diese wenigen residieren in klimatisierten Büros hoch über der Stadt. Die Armut, in der 38 Prozent der Panamaer leben, bekommen sie nicht zu Gesicht. Anwalt Rodrigo Molino zum Beispiel: Er ist Chef einer Kanzlei, die ähnliche Offshore-Dienstleistungen anbietet wie Mossack Fonseca, kennt seine Kollegen.
Auch er empfängt vermögende Kunden. Die seien verunsichert wegen der Panama-Papers-Veröffentlichung und machten sich Sorgen um ihre Daten. Molino erklärt: Wir tun nichts Illegales und breitet wie zum Beweis stapelweise Gesetzestexte und Formulare auf dem Tisch aus:
"Wenn sich jemand an uns wendet, um eine Briefkastenfirma zu gründen, MUSS ich wissen, wer das ist. Er muss Formulare ausfüllen. Mit der Zeit erkennt man schon am Geruch, woher die Leute kommen und was sie wollen. Trotzdem suchen wir genauere Informationen. Dafür gibt es genügend Hilfsmittel – Google zum Beispiel. Attraktiv für unsere Kunden ist, dass sie in Panama nur versteuern, was sie hier verdienen. Wenn ihre Firma Gewinne etwa in den USA macht, müssen sie die hier nicht mal angeben. Ich glaube, viele Länder wollen, dass wir unsere Steuergesetze ändern."

Schwarzer Peter ist ungerecht

Es sei falsch, Panama den Schwarzen Peter zuzuschieben. Das meint auch der Direktor der Canal Bank Roberto Brenes:
"Wir sind ein Steuerparadies, weil die Staaten der OECD die Hölle sind!"
Da Länder wie Deutschland so hohe Steuern von ihren Bürgern verlangten, sei es völlig normal, wenn jemand woanders weniger Abgaben zahlen wolle. Panama macht es möglich, wegen seiner Steuergesetze und weil Firmengründungen einfach sind.
Der riesige Finanzsektor, der vor fast einem halben Jahrhundert entstand, arbeitet mit einer stabilen Währung – dem US-Dollar. Das ist besonders für lateinamerikanische Nachbarn attraktiv. Hinzu kommt die Lage in der Mitte Amerikas. Panama verbindet die Kontinente Nord- und Südamerika und es die Ozeane durch seinen Kanal. Ein nagelneuer Flughafen öffnet bald.
Sorgen um die Zukunft macht sich hier kaum jemand. Panama boomt. Die "Papers" sind kaum noch Thema. Die Medien sind voll von Berichten über den Fall der libanesisch-stämmigen Familie Waked – eine der mächtigsten des Landes. Sie soll in ihren Unternehmen Milliarden aus dem Drogengeschäft gewaschen haben.

Bereitschaft zur Veränderung

Vor dem Bürogebäude der Anwaltskanzlei Mossack Fonseca, gehen zwei sehr aufmerksame Wachmänner auf und ab: Zutritt verboten, Interviews gibt es nicht. Nur noch Touristen fotografieren das unscheinbare Haus. Die weltweite Aufregung nach der Veröffentlichung der Panama Papers hat sich gelegt.
Die Regierung zeigt Bereitschaft zur Veränderung und verhandelt mit mehreren Ländern über bilaterale Abkom-men, wie etwa ein Doppelbesteuerungsabkommen mit Deutschland. Ein weiteres zum Datenaustausch soll folgen. Panamas Wirtschafts– und Finanzminister, der frü-her für beim Offshore-Dienstleister Morgan&Morgan arbeitete, reist derzeit viel um die Welt. All die Abkommen und neuen Gesetze seien jedoch letra muerta – toter Text, meint der Anwalt für Verfassungsrecht Miguel Bernal, der an der Universität von Panama unterrichtet.
"Weil sich niemand daran hält! Die Regierenden halten sich nicht an die Gesetze, ebenso wenig die Judikative, wir alle. Die Frage ist, welches Hindernis können wir der Korruption in den Weg stellen? Sie droht unsere Gesellschaft fertig zu machen. Panama hat zwei Probleme: Korruption und Straflosigkeit. Wenn wir das nicht in den Griff bekommen, können die Behörden auch nichts untersuchen. Denn dann kommt jemand und bezahlt sie oder lenkt sie ab. Das Problem liegt bei uns als Gesellschaft. Jetzt fällt uns das als moralischer Infarkt auf die Füße, in Form der Panama Papers. Denn wir haben eine Offshore-Regierung!"

Wenig Einwohner, viel Korruption

Panama hat nur etwa so viele Einwohner wie Berlin, das schaffe starke Bande, erklärt Bernal. Das begünstigt Korruption. Wer etwas zu sagen hat, stammt häufig aus dem Finanzgeschäft. Selbst der Chef des Firmenregisters: Auch er arbeitete in einer Kanzlei für Offshore-Geschäfte. Ramon Fonseca von Mossack Fonseca ist ein Freund des Präsidenten. Die Zeitungen im Lande gehören Unternehmern und Ex-Präsidenten. Daher ist es kein Wunder, dass sie kaum über das Thema Panama Papers berichten.
Alle stecken unter einer Decke – so hatte es Textilienverkäufer Remigio ausgedrückt. Was macht man in einem solchen System? Man spielt mit. Er setzt auf seine Tochter:
"Meine Tochter hat studiert und arbeitet jetzt in einer Bank. Sie verdient gutes Geld dort und darum wird es auch mir gut gehen. Gerade hat sie ein Haus gebaut. Ein großes Haus."
Dem Finanzsektor gehört die Zukunft – den fast 100 Banken und den 27.000 Anwälten, die sich neue Dienstleistungen für ihre reiche Kundschaft ausdenken werden. Wie Autohändler, die auf andere Marken umsteigen, werden sie verschmerzen, wenn niemand mehr Briefkastenfirmen kauft.
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