Ostukraine

"Putin wird ihn zwingen, endlich Steuern zu bezahlen"

Der Unternehmer und Milliardär Rinat Achmetow gilt als reichster Mensch der Ukraine.
Der Unternehmer und Milliardär Rinat Achmetow gilt als reichster Mensch der Ukraine. © picture-alliance / dpa / RIA Nowosti / Irina Aleksandrova
Von Florian Kellermann · 06.05.2014
In der Ostukraine richtet sich der Hass auch gegen die sogenannten Oligarchen, die reichen Geschäftsleute, die sich mit der Regierung in Kiew arrangieren. So gehen Stahlarbeiter gegen den Werkseigentümer Rinat Achmetow auf die Barrikaden.
Eine aufgebrachte Menge vor der Kantine des Stahlkombinats in Jenakiewe: Arbeiter wollen die Gewerkschaft dazu bringen, sich ihren Forderungen anzuschließen. Gemeinsam soll es gegen den Werkseigentümer Rinat Achmetow gehen, den reichsten Ukrainer - und für ein Referendum, für die Abspaltung des Bezirks Donezk von der Ukraine.
In allen Teilen des Unternehmens mit 7000 Beschäftigten wollen die Arbeiter Wahlkommissionen für die Abstimmung am kommenden Sonntag bilden. Von Achmetow, der sich für eine einige Ukraine erklärt hat, wollten sie sich nichts mehr vorschreiben lassen, sagt ein Mann, zur Not würden sie das Unternehmen unbefristet bestreiken.
Nur eine der versammelten Arbeiterinnen findet das nicht in Ordnung:
"Ich beklage mich nicht, wir bekommen einen anständigen Lohn. Dieses Theater hier braucht kein Mensch, ich gehe nicht zu dem Referendum. Ich bin für die Ukraine."
Die Frau hat kaum ausgesprochen, da schreien die Umstehenden auf sie ein. Eine Lügnerin sei sie, eine Provokateurin, wahrscheinlich nicht einmal wirklich eine Werksangehörige. Die Vertreterin der Gewerkschaft, die ihren Namen nicht nennen will, versucht, die Situation zu beruhigen. Sie verstehe die Menschen ja, sagt sie:
"Unser Betrieb muss weiter arbeiten, das ist das Wichtigste. Wir sind gesetzestreue Bürger. Aber es stimmt schon, unser Land, die Ukraine, gibt es eigentlich nicht mehr. Wir können nicht mehr zusammenleben."
Unversöhnliche Stahlarbeiter
Die Ereignisse im südukrainischen Odessa, 700 Kilometer von hier, haben die Arbeiter von Jenakiewe unversöhnlich werden lassen. Bei einem Brand starben dort am Freitag über 40 Menschen, für die Versammelten gibt es nur eine gültige Beschreibung der Katastrophe: Kämpfer des nationalistischen Rechten Sektors hätten pro-russische Demonstranten ermordet und sich dann auch noch mit ihrer Tat gebrüstet und die Opfer verhöhnt. So zeigt es das russische Fernsehen, so glauben es die meisten Menschen in Jenakiewe. Und da die Regierung in Kiew, die gesamte West- und die Zentralukraine den Rechten Sektor unterstützen, wie sie meinen, sei ein Zusammenleben nicht mehr denkbar.
Zum ersten Mal richtet sich der Hass auch auf die sogenannten Oligarchen, die reichen Geschäftsleute, die sich mit der Regierung in Kiew arrangieren. Viktor Andrejewitsch, ein Bergmann, steht vor dem Rathaus, das die Separatisten besetzt halten:
"Achmetow hält sich an die verbrecherische Regierung in Kiew, weil er Angst hat. Wenn wir uns abspalten und heimkehren zu Russland, dann kann er nicht mehr so viel klauen. Der russische Präsident Putin wird ihn zwingen, endlich Steuern zu bezahlen."
Privatbank stellt Betrieb ein
Noch viel schlechter zu sprechen sind die Menschen auf Ihor Kolomoyskyj, den die Regierung zum Gouverneur des Bezirks Dnipropetrowsk ernannt hat. Die Filiale der Privatbank in Jenakiewe, die Kolomoyski gehört, ist völlig verwüstet. Randalierer sind vor zwei Tagen nachts eingedrungen und haben drinnen alles kurz und klein geschlagen, auch der Geldautomat ist zerstört.
Auch anderswo in den ostukrainischen Bezirken Donezk und Luhansk drangen pro-russische Aktivisten in Vertretungen der Privatbank ein. Das Geldinstitut stellte deshalb gestern seinen Filialbetrieb in diesem beiden Bezirken ein.
Separatisten wollten auch den Gouverneur des Bezirks Donezk Serhij Taruta schädigen und verwüsteten in den vergangenen Tagen Büros des Konzerns Industriebündnis Donbass.
Sie bedachten nicht, dass Taruta den Großteil an dem Konzern verkaufte, erklärte ein Mitglied der Rebellen in Kampfanzug und Maske in einer Videobotschaft.
"Dieses Büro hier hat schon lange nichts mehr mit Taruta zu tun, es gehört jetzt einer russischen Firma. Ich bitte Euch, bringt den Server und die anderen Sachen zurück, die ihr hier mitgenommen habt. Das ist sehr wichtig für unsere Zusammenarbeit mit Russland."
Viktor Andrejewitsch, der Bergmann, hofft, dass sich bald alle Angestellten von pro-ukrainischen Oligarchen gegen ihre Arbeitgeber erheben. Dann wäre die separatistische Bewegung nicht mehr aufzuhalten, meint er.
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