Osteuropa nach 1989

Historiker kritisiert "neo-liberale Wende"

Kerzen auf dem Prager Wenzelsplatz erinnern am 25. Jahrestag an die Proteste vom 17. November 1989
Die Hoffnungen vieler Menschen auf den Wandel in Osteuropa waren groß - hier erinnern Kerz in Prag an die Proteste von 1989. © dpa / picture alliance / Katerina Sulova
27.11.2014
Der Osteuropa-Historiker Philipp Ther hat dem politischen Wandel des historischen Jahres 1989 und seinen Folgen ein Buch gewidmet. In "Die neue Ordnung auf dem alten Kontinent" setzt er sich mit den Entwicklungen kritisch auseinander.
Bei den Demonstrationen 1989 hätten die Menschen ganz andere Dinge gefordert, als schließlich dabei herauskam, erinnerte sich Ther im Deutschlandradio Kultur. Dies sei der politische Grund gewesen, sein neues Buch "Die neue Ordnung auf dem alten Kontinent" zu schreiben, in das auch viele persönliche Erfahrungen mit eingeflossen seien.
Es sei zwar nichts Neues, dass Revolutionen immer anders ausgingen, aber es habe ihn interessiert, warum die Forderungen nach Freiheit, Menschlichkeit und Solidarität schon etwa ein halbes Jahr später gar nicht mehr auf der Tagesordnung gestanden habe. Stattdessen habe es eine "neo-liberale Wende" gegeben.
Fragwürdiges Standardrezept
1989 werde häufig in Osteuropa verortet, dabei habe es so etwas wie ein "Globales 1989" gegeben. Damals habe es ein Washingtoner Konsenspapier gegeben, an dem sich der Internationale Währungsfonds, die Weltbank und das US-Finanzministerium beteiligt hätten. "Und da ging es erst mal um Wirtschaftsstrategien eigentlich für Südamerika." Diese Staaten seien damals sehr inflationsgeplagt und verschuldet gewesen. "Da wurde so ein Standardrezept entwickelt und das hat man dann auch im östlichen Europa, also in den postkommunistischen Staaten angewandt."
Diese Verbindung habe ihn sehr interessiert. In seinem Buch beschreibt er detailliert, wie die Staaten des früheren "Ostblocks" die verordnete Privatisierung und Liberalisierung ihrer Wirtschaft als Großexperiment kontinentalen Ausmaßes erlebten.
Ther war selbst vor Ort, als die Menschen im Herbst 1989 in Prag auf die Straße gingen und lebte später in Tschechien, Polen und in der Ukraine. Heute lehrt der Wissenschaftler an der Universität Wien.

Philipp Ther: Die neue Ordnung auf dem alten Kontinent. Eine Geschichte des neoliberalen Europa, Suhrkamp-Verlag, 26,95 Euro

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