Originalton

Vom Vorsatz zur Tat

Eine gedeckte Tafel auf einem Demeter-Bauernhof in Hirschfelde (Brandenburg), 2012
Öfter mal ins Grüne fahren und sich gesund ernähren - auch gute Vorsätze. © picture alliance / dpa / ZB / Patrick Pleul
Von Peggy Mädler · 22.10.2014
Zig ungelesene Bücher warten im Regal der Schriftstellerin Peggy Mädler. Immer wieder nimmt sie sich vor, die alten Schinken zu lesen. Sie würde auch gerne regelmäßiger die Wohnung aufzuräumen oder früher schlafen zu gehen - aber es ist nicht so einfach mit den Vorsätzen.
Jahr für Jahr (und nicht nur an Silvester): irgendwelche Vorhaben oder Vorsätze, auch Versuche natürlich, das eine oder andere Vorhaben in die Tat zu überführen, mitunter aus Vernunftgründen oder Ehrgeiz vielleicht, die Anstrengung zu meistern, oder der Hoffnung, dass aus der Mühe irgendwann auch ein Vergnügen wird.
Wenn man nur erst einmal anfinge, von bestimmten Gewohnheiten zu lassen, stattdessen mehr Sport zu treiben, früher schlafen zu gehen, öfter zu kochen, eine neue Fremdsprache zu lernen oder jene, die man schon gelernt hat, im Alltag per Tandem zu praktizieren, regelmäßiger die Wohnung und das Laptop aufzuräumen oder wenigstens die digitalen Fotoordner, sich sorgfältiger Notizen zu machen, sich vielleicht auch sorgfältiger Gedanken zu machen, zum Beispiel über das, was in der Zeitung steht, tagsüber mehr Wasser zu trinken, abends mehr Tee zu trinken, endlich einmal die Bibel zu lesen von Anfang bis Ende, (weil in der Atheistin auch eine Kulturwissenschaftlerin steckt), auch den Ulysses zu lesen von Anfang bis Ende (und nicht nur die Sekundärliteratur über das Buch).
Überhaupt die vielen noch ungelesenen Bücher im Regal: A wie Austen im Original zum Beispiel oder B wie Bloch: Prinzip Hoffnung, zweiter und auch dritter Band, F wie Fassbinder: Sämtliche Stücke, H wie Hilbig: Das Provisorium, M wie Maupassant: Die Liebe zu dritt und Unser einsames Herz, P wie Pynchon: Gegen den Tag, T wie Tolstoi: Krieg und Frieden, W wie Wolfe: Es führt kein Weg zurück.
Gebundene Bücher oder Taschenbuchausgaben, vor Jahren schon geschenkt bekommen, vom ehemaligen Mitbewohner zurückgelassen, auf Flohmärkten oder in Antiquariaten entdeckt – und vorläufig ins Regal gestellt. Und daneben, darauf oder dahinter noch all die Bücher, die man doch schon längst einmal wiederlesen wollte, nur um zu schauen, was sich über die Zeit verändert hat. "Ein Roman ist ein Spiegel, der auf einer großen Straße entlanggeht", schreibt Stendhal in Rot und Schwarz. Manchmal sieht man sich in diesem Spiegel eben vor allem selbst beim Lesen zu.

Peggy Mädler wurde 1976 in Dresden geboren. Sie lebt in Berlin und arbeitet als freie Dramaturgin. Sie ist Mitbegründerin des Künstlerkollektivs "Labor für kontrafaktisches Denken". Sie erhielt unter anderem das Alfred-Döblin-Stipendium der Berliner Akademie der Künste. "Legende vom Glück des Menschen", ihr erster Roman, erschien 2011 im Galiani Verlag. In der täglichen Rubrik "Originalton" der Sendung "Lesart" bitten wir Schriftsteller um kurze Texte.

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