Opernuraufführung "Frau Schindler" in München

Auch Heldinnen haben Eheprobleme

Von Jörn Florian Fuchs · 09.03.2017
Seit Steven Spielbergs Filmklassiker "Schindlers Liste" kennt man den Unternehmer Oskar Schindler als gefeierten Judenretter. Nun begegnen wir in der Oper "Frau Schindler" auch seiner Gattin. In der Inszenierung von Kenneth Cazan überzeugt insbesondere Katerina Hebelková in der Hauptrolle.
Auch gute Menschen haben so ihre Probleme. Zum Beispiel das Ehepaar Schindler, es streitet sich gerne und ausführlich. Oskar Schindler ist seiner Emilie untreu, sie verachtet seinen Opportunismus in Bezug auf nationalsozialistische Amtsträger.
Er war halt nicht nur der spätestens seit Steven Spielbergs Filmklassiker "Schindlers Liste" gefeierte Judenretter und Menschenfreund, sondern auch Geschäftsmann. Freilich spielen die Abgründe Oskar Schindlers bei der Münchner Opernuraufführung letztlich nur eine kleinere Rolle, wirkmächtiger und eindringlicher sind auch hier Judenverfolgung und NS-Brutalität. Erzählt wird all dies allerdings aus der Perspektive Emilie Schindlers und es sind ihre Sorgen, Nöte und Reflexionen, die der bekannten Geschichte eine spannende Variante hinzufügen.
Leider muss die wunderbare Katerina Hebelková in der Titelrolle immer wieder arg triviale Texte zum Besten geben, etwa über die Schwierigkeit schwadronieren, eine gute Hausfrau zu sein.

Mit reichlich Pathos geschwängerte Orchesterausbrüche

Das Libretto rumpelt arg und gibt auch manchem Kitschmoment breiten Raum, was wiederum zur Musik passt. Der Amerikaner Thomas Morse nennt seine Methode "neo-romantischen Minimalismus", man hört rasch, was gemeint ist: mit reichlich Pathos geschwängerte Orchesterausbrüche, kombiniert mit eher im Hintergrund surrenden repetitiven Mustern. Ab und an wird es auch flächig-kratzbürstig, ein bisschen im Stil von György Ligeti.
Im Ganzen gibt es viel zu viel Text und zu wenig musikalische Variabilität. Gekonnt gesetzt ist das alles aber schon. Und gesungen wird überwiegend toll. Das Ensemble ist riesig, selbst in kleineren und mittleren Rollen hört man Erstaunliches, etwa Levente Páll als Wache und Kommandant oder Jennifer O'Loughlin als Emilie Schindlers Hausmädchen Marthe Marker.
Regisseur Kenneth Cazan inszeniert einen historischen Bilderbogen auf einer großen Scheibe, rasch wechseln Räume und Situationen. Man spielt in der Reithalle, einer Ausweichstätte fürs Münchner Gärtnerplatztheater, das gerade saniert wird. Trotz begrenzter Technik gelingt es Cazan und seinem Ausstatter Kevin Knight, starke Stimmungen zu schaffen.

Sie ist stärker bei der Rettung der Juden involviert als ihr Mann

Nach den Kriegswirren verschlägt es die Schindlers nach Argentinien, dort bleibt Emilie am Ende allein zurück, in der letzten Szene der Oper begegnet sie einem Reporter, der sie mit der Aussage "Sie sind eine Heldin!" überrascht. Tatsächlich erweist sich in der Rückschau Emilie Schindler als deutlich moralischere und bei der Rettung von Juden stärker involvierte Figur denn ihr Mann.
Man kann natürlich diskutieren, ob das den historischen Tatsachen exakt entspricht. Aber das ist vielleicht gar nicht so entscheidend, wichtiger scheint zweierlei: wir haben hier eine neue, veritable Opernheroine kennen und schätzen gelernt – und das Münchner Gärtnerplatz Theater punktet mit einer fulminanten Ensembleleistung, wozu auch Andreas Kowalewitz' engagiertes Dirigat zählt.