Omid Nouripur: Humanitärer Einsatz in Libyen ist notwendig

Omid Nouripour im Gespräch mit Gabi Wuttke · 12.04.2011
Nach Meinung von Omid Nouripur, verteidigungspolitischer Sprecher der Bundestagsfraktion von Bündnis 90/Die Grünen, steht die Notwendigkeit eines humanitären Einsatzes der Bundeswehr in Libyen außer Frage. Zugleich kritisierte Nouripur den "Zickzackkurs" der Bundesregierung in dieser Angelegenheit, der für Unklarheit sorge.
Gabi Wuttke: EUFOR Libya, der Arbeitstitel des Hilfseinsatzes der Europäischen Union für die libysche Zivilgesellschaft, Bodenkontakt alles andere als ausgeschlossen. Die Außenminister der EU arbeiten an den Details des Operationsplans, weil damit gerechnet wird, dass die Vereinten Nationen Europa sehr bald um Unterstützung bitten werden. Dann wird die deutsche Regierung Farbe bekennen müssen, was sie inzwischen unter humanitärem Einsatz in Libyen versteht, und sich dafür ein Mandat des Bundestages holen müssen. Im Deutschlandradio Kultur begrüße ich jetzt Omid Nouripour, den sicherheitspolitischen Sprecher der Grünen-Bundestagsfraktion. Guten Morgen!

Omid Nouripour: Schönen guten Morgen!

Wuttke: Wie viel Verantwortung sollte die Bundeswehr bei einem EU-Einsatz Ihrer Meinung nach übernehmen?

Nouripour: So viel Verantwortung wie notwendig, damit der Einsatz tatsächlich auch funktioniert. Und es gibt Dinge, die die Bundeswehr kann, es gibt andere wiederum, die andere besser können. Und davon hinge es dann jeweils ab.

Wuttke: Was ist denn notwendig und was heißt das im Blick auf die Robustheit eines Mandats?

Nouripour: Die Robustheit eines Mandates ist so ein vager Begriff. Soldaten, die nicht bewaffnet sind, sind keine Soldaten, da kann man auch THW schicken. Und in dem Augenblick, in dem man sie bewaffnet, ist die Frage, wie sehr man sie, oder welche schweren Geräte gibt man denen mit. Was in Libyen jetzt konkret notwendig ist, das wissen die ehrlich gesagt in dieser Situation nicht, weil wir nicht genau wissen, was eigentlich ein Hilfseinsatz für einen Charakter haben soll. Das ist alles bisher ziemlich vage, es ist nicht ganz bekannt.

Wuttke: Wie sieht man das denn bei Ihnen in der Fraktion, ist man da einhelliger Meinung, oder sagt man sich zum einen, ja, wir wissen, da kann es dann auch Tote geben, oder sagen die anderen, humanitär und bloß nicht in den Gefährdungsrahmen?

Nouripour: Das ist ein Abweichen von zwei Extremen, die bisher grundsätzlich in de Debatte falsch laufen. Das eine ist, humanitär tut so, als würde man tatsächlich dann Aufbauhelfer schicken oder das Rote Kreuz mit ein paar Waffen. Das ist Quatsch, humanitärer Einsatz kann auch bedeuten, dass es natürlich zu Gefechten kommen kann. Habe ich diese Angst nicht, dann habe ich gar keine Legitimität, eine Armee zu schicken. Auf der anderen Seite ist nicht überall, wo humanitär draufsteht, auch humanitär drin. Also wir sagen, wir sehen die absolute Notwendigkeit humanitär zu helfen, in Libyen den Zivilisten, den Frauen, Kindern, es gibt ziemlich schlimme Berichte auch der UN derzeit, die vorliegen. Wir wissen, dass man helfen muss, wir verweigern uns dem überhaupt nicht, aber wir werden ein Mandat, was vorliegt, wohlwollend, aber trotzdem kritisch überprüfen. Wir müssen natürlich wissen, was genau passiert, wir müssen wissen, ob ein solcher Einsatz der Bundeswehr verhältnismäßig wirksam wäre, und ob das am Ende auch Sinn macht und ob es vom Ende her gedacht ist. Und natürlich die Frage, die alle sich stellen müssen nach Afghanistan: Wie kommen wir da auch wieder raus?

Wuttke: Ihr Kollege von der SPD, der Verteidigungsexperte Rainer Arnold, fordert klare Bedingungen, um einem EU-Mandat zuzustimmen. Sie haben es gerade gesagt, wir wissen eigentlich nicht so wirklich viel. Also was kann man denn dann als Bundestagsabgeordneter für klare Bedingungen erwarten?

Nouripour: Ich würde gerne einen Mandatstext vor mir haben, bevor ich beurteilen kann, ob der Sinn macht oder nicht. Wir haben ja bei dieser Bundesregierung nicht immer gute Erfahrungen gemacht in den letzten Monaten, nicht nur, was vage Information betrifft, sondern auch, was Widersprüche und Zickzackkurs betrifft, aber auch, was Mandatstexte betrifft. Wir haben Anfang des Jahres einen Mandatstext vorgelegt bekommen für Operation Active Endeavour, ein maritimer Einsatz im Mittelmeer, eine wie ich finde sinnvolle Mission. Der Text war so verquast, dass ich am Ende meiner Fraktion empfehlen musste, dem nicht zuzustimmen. Da stand nämlich drin, dass die deutschen U-Boote Terrorausbildungslager zerstören, was natürlich total absurd ist. Und deshalb muss man so einen Text erst mal sehen, damit man darüber auch urteilen kann. Natürlich ist wichtig und eine absolute Bedingung, dass es eine UN-Anforderung gibt, und eine weitere Bedingung ist, dass die Rahmen der UN-Resolution 1973 – alsodass es nicht zu Besatzungstruppen kommen darf und so weiter – natürlich einzuhalten sind. Aber wir müssen auch sehr vorsichtig sein, wenn wir sehen, dass die Nachbarstaaten extrem vorsichtig sind bei der Forderung, dass westliche Länder Bodentruppen nach Libyen schicken. Da muss man sehr genau abwägen.

Wuttke: Sie haben ja gerade vom Zickzackkurs der Regierung gesprochen, dann lassen Sie uns doch mal diesen Aspekt aufgreifen: Zu wie viel Teilen geht es eigentlich noch um die Libyer oder vielmehr um das Ausbügeln der deutschen UN-Enthaltung oder möglicherweise – das frage ich Sie – um die Demontage von Außenminister Guido Westerwelle?

Nouripour: Auf der einen Seite war das natürlich eine verheerende Provinzialisierung der deutschen Außenpolitik, vor Landtagswahlen zu sagen, wir wollen aber im UN-Sicherheitsrat anders abstimmen, als wir es sonst vielleicht getan hätten, weil wir gerade Wahlen haben in Rheinland-Pfalz und Baden-Württemberg. Das ist natürlich mit einer verantwortungsvollen Außenpolitik, mit der Kontinuität der letzten Jahrzehnte überhaupt nicht vereinbar. Auf der anderen Seite kann es nicht sein, dass wir jetzt Soldaten irgendwo hinschicken, damit sie mit dem Einsatz ihres Lebens möglicherweise sogar jetzt Nachholen der Sünden der Bündnissolidarität der Bundesregierung jetzt tatsächlich dann vollziehen müssten. Der Einsatz muss in sich kohärent sein, muss in sich selbst Sinn machen und wirksam sein. Was außen rum passiert, das ist zu Recht den Soldaten egal, und deshalb brauchen wir für jeden einzelnen Waffengang eine sehr, sehr genaue Begründung. Die sehe ich derzeit nicht, ich sehe nur, dass die Bundesregierung gestern alles kategorisch ausschließt, heute sagt, humanitär vielleicht ein bisschen, und nebenbei gibt es Leute, die sagen, na ja wir werden möglicherweise auch mit Bodentruppen reingehen müssen. Das ist alles nicht wirklich kohärent, es macht keinen Sinn. Und deshalb würde ich gerne schwarz auf weiß vor mir haben etwas, über das ich entscheiden kann, und nicht über die widersprüchlichen Pressekonferenzverlautbarungen der Regierung.

Wuttke: Kann es denn Aufgabe der Opposition sein, die Scharte von Guido Westerwelle und Angela Merkel auszuwetzen?

Nouripour: Aufgabe der Opposition ist natürlich, sehr genau hinzuschauen, was macht die Regierung falsch, und Vorschläge machen, wie man das richtig machen kann. In dem Augenblick, in dem Deutschland sich im Sicherheitsrat so blamiert – anders kann ich es nicht sagen –, wie es Deutschland gemacht hat, ist es natürlich auch unsere Aufgabe, mit zu schauen, wie man diesen Fehler auch wieder ausmerzen kann. Es geht ja nicht nur um Parteien, es geht auch natürlich um das Ansehen in der Bundesrepublik Deutschland in der Welt. Aber noch mal: Es ist kein Argument den Soldaten gegenüber zu sagen, wir schicken euch in Einsatz, weil wir bei einem andern Einsatz Mist gebaut haben. Es ist genau so, wie es falsch war zu sagen, da wir in Libyen nicht dabei sind, schicken wir jetzt mehr Soldaten nach Afghanistan. Man muss es aus der Sache selbst begründen.

Wuttke: Deutschland und der Libyen-Einsatz der EU. Dazu im Interview der "Ortszeit" von Deutschlandradio Kultur Omid Nouripour, der sicherheitspolitische Sprecher der Grünen-Bundestagsfraktion. Besten Dank, Herr Nouripour, schönen Tag!

Nouripour: Danke Ihnen, Frau Wuttke!

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