Ökonom Rudolf Hickel

"Gabriel ist sehr stark auf die Wirtschaft zugegangen"

Der Wirtschaftswissenschaftler Rudolf Hickel spricht auf dem SPD-Landesparteitag 2011 in Bremen
Der Wirtschaftswissenschaftler Rudolf Hickel spricht auf dem SPD-Landesparteitag 2011 in Bremen © dpa / picture alliance / Ingo Wagner
Rudolf Hickel im Gespräch mit Marianne Allweiss · 26.12.2014
Er will den Alptraum der Schröder-Jahre nicht neu erleben und hat doch wieder Ärger mit dem linken Parteiflügel: SPD-Chef Sigmar Gabriel handle als Wirtschaftsminister klug, aber auch opportunistisch, meint der Ökonom Rudolf Hickel. Auf die Sympathie der Wirtschaft solle er aber besser nicht hoffen.
Der Ökonom Rudolf Hickel hat einen Kurswechsel des SPD-Vorsitzenden Sigmar Gabriel in der Wirtschaftspolitik kritisiert. "Ich bin natürlich enttäuscht, dass er jetzt das macht, was Wirtschaftsminister in dem Amt immer gerne machen, und sich sehr stark auf die Wirtschaft zubewegt", sagte Hickel im Gespräch mit Deutschlandradio Kultur. Als Beispiele nannte der SPD-nahe Wissenschaftler den Umgang mit der Kohleindustrie, die Gabriel "ja früher mal massiv abgelehnt hat", und das Freihandelsabkommen TTIP: "Da ist, ich sage es mal so ganz bewusst mit freundschaftlicher Solidarität, auch Opportunismus im Spiel."
Sigmar Gabriel sei aber "sehr klug, im Unterschied zu Schröder, der den schweren Fehler bei der Hartz-IV-Gesetzgebung gemacht hat, sich bewusst mit den Gewerkschaften geradezu in Kriegssituation zu begeben." Gabriel hingegen versuche immer wieder, auch die Gewerkschaften einzubinden, doch 2015 müsse er in der harten Auseinandersetzung um TTIP Farbe bekennen: "Will er den umstrittenen Investitionsschutz, der ja am Ende nur ein Schutz der Unternehmer ist und in gewisser Weise auch Demokratie gefährdend ist, will er den, ja oder nein?"
Auch bei stärkeren Investitionen in die Infrastruktur, die BDI-Chef Ulrich Grillo gestern forderte , hofft Hickel auf "eine gute Einsicht" beim Wirtschaftsminister: "Grillo hat im Prinzip Recht, es muss investiert werden, (...) aber die Führungsfunktion bei den Investitionen, um auch die Nachfrage der Unternehmen zu stärken, muss der Staat übernehmen. Wir brauchen dringendst... wir haben riesige Infrastruktur-Defizite, und wenn da die Politik die Führungsrolle übernimmt, wird es auch der Wirtschaft gut tun."
SPD muss Arbeitnehmer wieder für sich gewinnen
Angesprochen auf die Kanzlerkandidatur 2017 erinnerte Hickel an den "Alptraum" der SPD aus der Ära Schröder: "Gabriel muss wissen, er wird durch die Freundlichkeit, durch das Zugehen auf die Wirtschaft nicht eine einzige Stimme gewinnen, sondern eher Stimmen verlieren." Die SPD mit Gabriel müsste Vertrauen vor allem in den Betrieben zurückgewinnen − zunächst beim Thema Mindestlohn, der nicht durchlöchert werden dürfe − und "die Wählerschichten zurückholen, die sie in gewisser Weise mit der Hartz-IV-Gesetzgebung ja nicht ganz unverständlicherweise verloren hat".
Gabriel brauche dazu "eine offene Beratung, die auch in der Lage ist, ihm mal etwas Kritisches gegenüber der Wirtschaft zu sagen". Der SPD-Chef sei ein richtiger Vollblut-Wirtschaftspolitiker geworden, "aber er droht wieder am Ende, sich selbst zu messen an der Sympathie der Wirtschaft, und dass er die nicht gewinnen kann, wenn er eine gute Politik macht, das zeigt ja auch die Kritik von Grillo an dem ersten Jahr Regierungskoalition."
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