Obama in Indien

Schulterschluss in Neu-Delhi

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US-Präsident Barack Obama und Indiens Ministerpräsident Narendra Modi - ziemlich gute Freunde. © picture alliance / dpa / Harish Tyagi
Sandra Petersmann im Gespräch mit Isabella Kolar · 26.01.2015
US-Präsident Barack Obama findet in Indien neue Freunde. Premierminister Narendra Modi nennt ihn beim Vornamen, die Milliardäre stehen Schlange für ihn. Ein Gespräch mit unserer Korrespondentin Sandra Petersmann über den dreitägigen Obama-Besuch in Indien.
Isabella Kolar: Indien hat heute den Tag der Republik begangen. Der 26. Januar ist hier ein Nationalfeiertag, an dem jedes Jahr eine Militärparade in Neu-Delhi stattfindet, und Ehrengast in diesem Jahr ist drei Tage lang US-Präsident Obama. Sandra Petersmann, unsere Korrespondentin in Neu-Delhi: Diese Einladung an Obama ist sicherlich symbolisch wichtig für das Verhältnis beider Länder, das ja nicht immer spannungsfrei war. Aber es finden auch politische Gespräche statt, oder?
Sandra Petersmann: Ja, Barack Obama hat ja als erster US-Präsident überhaupt an der Militärparade im Regierungsviertel hier in Neu-Delhi teilgenommen, und diese Militärparade, das ist beides, zum einen ein Karneval der Kulturen, der die unglaublich große Vielseitigkeit dieses Landes demonstriert, aber es ist eben auch vor allem eine Machtdemonstration der eigenen militärischen Stärke.
Da werden zum Beispiel neben berittenen Kamelen auch hochmoderne Waffen wie Boden-Luft-Raketen mit mittlerer Reichweite paradiert, das alles vor Obama, und die sind eben alle Made in India. Und das ist eine Botschaft mit Außenwirkung sowohl an die USA, aber vor allem auch zum Beispiel an das verfeindete Nachbarland Pakistan. Was die Partner USA und Indien betrifft: Beide Seiten messen diesem Besuch unglaublich viel Bedeutung zu. Barack Obama und Narendra Modi sind inzwischen Duz-Freunde, sie sagen selber, dass die Chemie zwischen ihnen stimmt und dass sie die amerikanisch-indischen Beziehungen auf eine ganz neue Stufe heben wollen.
Die beiden haben auch Taten folgen lassen. Indien und die USA haben vereinbart, in Zukunft Waffen- und Militärtechnik, so wie heute bei der Parade gesehen, gemeinsam zu entwickeln und zu bauen, und die beiden haben auch einen Durchbruch bei der Zusammenarbeit im Bereich der zivilen Nutzung der Atomenergie geschafft. Einen entsprechenden Vertrag gibt es zwar schon seit sechs Jahren, aber erst jetzt konnten eben die letzten juristischen Stolpersteine aus dem Weg geräumt werden, und die USA und Indien, die begreifen sich als unverzichtbare, strategische, wirtschaftliche Partner, beide wollen wachsen und beide wollen vor allen Dingen ein Asien, in dem China nicht das einzige Machtzentrum ist.
Kolar: Und beide Länder sehen sich ja in der Rolle der neben China größten Umweltsünder weltweit vereint, beide Länder haben das Kyoto-Protokoll nie unterzeichnet. Beide Länder, wie gerade gehört, setzen auf Atomenergie, um den CO2-Ausstoß zu reduzieren.
Mit China haben die Amerikaner ja jüngst eine Übereinkunft erzielt, man hat sich gemeinsame Klimaziele gesetzt - vielleicht dasselbe auch bald mit Indien?
Petersmann: Ja, vielleicht bald, aber in Sachen Klimaschutz gab es hier jetzt bei den Gesprächen noch keine konkreten Ergebnisse. Obama hat zwar gesagt, dass Indien für die Diskussion unverzichtbar sei, dabei darf man aber eben auch nicht vergessen, dass sich die USA selber ja auch sehr vorsichtig und mit Zeitverzögerung bewegen.
Indiens Premier Narendra Modi, der ließ gestern bei den bilateralen Gesprächen erkennen, dass er auch ohne Druck von außen um die Bedrohung weiß. Er hat wörtlich gesagt: "Der Klimawandel und die globale Erwärmung sind für uns alle Druck genug. Wir sind alle verpflichtet, den zukünftigen Generationen ein gutes Leben zu ermöglichen."
Kolar: Also erst mal nur Absichtserklärungen, was das Klima betrifft. Premier Modi ist seit dem Mai letzten Jahres im Amt. Viele Hoffnungen ruhen auf ihm. Er soll unkonventionell sein, US-Außenminister Kerry bezeichnete ihn einmal als Rockstar, und er hat sich im Wahlkampf gerne am Ganges betend ablichten lassen. Ist die Umwelt und die Verschmutzung von Indiens heiligem Fluss für Modi als Hindu ein Thema?
Der heilige Fluss als Chefsache
Petersmann: Na, Narendra Modi ist ja sehr religiös, und Narendra Modi hat den heiligen Fluss zur Chefsache gemacht, vor allem in Worten, weniger in Taten. Er hat zum Beispiel direkt nach seiner Vereidigung ein eigenes Wasserministerium ins Leben gerufen, das den Auftrag hat, den Ganges zu reinigen.
Das soll in den nächsten drei Jahren passieren. Bereitgestellt worden ist dafür eine Ausgangssumme von zurzeit über 330 Millionen Dollar. Aber ab dann werden die Informationen zu diesem Ganges-Programm eher dürftig. Es ist ein sehr ehrgeiziges Programm, hat aber kaum Details, wie Umweltschützer hier bemängeln, denn Modi ist ja nicht deshalb gewählt worden, weil er den Ganges retten will, sondern weil er Wirtschaftswachstum und Arbeitsplätze versprochen hat. Und beim Rettungsplan für den Ganges haben wir es bis heute mit ganz viel Rhetorik zu tun, auch religiöser Rhetorik, weniger aber mit konkreten Handlungen.
Eine Frau sitzt während des hinduistischen Festes Maha Kumbh Mela am Flussufer und hält eine brennende Gabe in der Hand.
Eine Frau beim Gebet während des hinduistischen Festes Maha Kumbh Mela.© imago/Invision
Um mal die Dimension dieses Projekts klar zu machen: Dieser Fluss entspringt hoch oben im Himalaya, fließt dann durch Indien rein nach Bangladesch, über 2.500 Kilometer ist er lang, dieser Fluss, und an ihm siedeln fast 40 Prozent der indischen Bevölkerung. Und das ist eben eine Bevölkerung, die mit rasender Geschwindigkeit wächst, a), und es ist eine Bevölkerung, in der viele hundert Millionen Menschen ohne Toilette, ohne Kanalisation leben. Indien ist ein Land mit wachsender Industrie, aber ohne Kläranlagen zur Wasseraufbereitung. Das alles verwandelt den Ganges in eine heilige Kloake. Und Indien wird sich als Ganzes verändern müssen, um den Ganges zu retten. Ich hoffe, das ist Herrn Modi klar.
Kolar: Und die Erkenntnis, dass der Ganges gründlich gereinigt werden müsste, ist ja auch nicht neu in der indischen Politik, da sind auch schon andere Premiers in den letzten 30 Jahren drauf gekommen, oder?
Die Religion ist tief verwurzelt - der Umweltschutz noch nicht
Petersmann: Ja, zum Beispiel der ermordete indische Premierminister Rajiv Gandhi, auch er hatte ein ehrgeiziges Projekt zur Rettung des Ganges aufgelegt. Damals wurden zum Beispiel in der heiligen Stadt Varanasi am Ganges, das ist ja die heiligste Stadt der Hindus, auch moderne Klärwerke gebaut. Aber die brauchen eben 24 Stunden am Tag Strom, und den gibt es in Varanasi und in den meisten anderen indischen Städten nicht.
Ich habe diese Kläranlagen selbst mal besucht. Sie standen still. Da gab es ehrlich gesagt mehr Spinnen als aufbereitetes Wasser. Das ist die Realität. Wenn man mal selber am Ganges unterwegs gewesen ist, gerade auch in der heiligen Stadt Varanasi, in die Modi ja ganz bewusst einen seiner Wahlkreise gelegt hat, dann findet man dort Stellen im Ganges, da steigen tatsächlich Methangasblasen auf, weil das Wasser komplett gekippt ist. Da hat man dann wirklich nur noch braunen, stinkenden Schlick. Und Sie sehen dort am Ganges auf engstem Raum, wie Leute sich erleichtern, wie Menschen sich waschen und ihre Zähne putzen, wie Wäsche gewaschen wird, wie verstorbene Angehörige mit einer Feuerbestattung auf Scheiterhaufen verbrannt werden, um die Asche dann anschließend in den heiligen Ganges zu streuen.
Das ist indisches Leben in seiner ganzen Vielseitigkeit und mit all seinen Problemen, das alles findet sich gebündelt am Ganges, und es gibt durchaus auch heilige Männer, Gurus, die das Problem offen ansprechen, aber grundsätzlich gilt eben in so einem traditionellen Land wie Indien: Die Religion, die ist tief verwurzelt, sie gehört zur Tradition - der Umweltschutz noch nicht. Das muss sich ändern.
Kolar: Noch ein Wort zu den Methoden, mit denen Modi arbeitet: Er agiert ja für einen 64-Jährigen erstaunlich modern, nutzt zum Beispiel soziale Medien für seine Zwecke, Stichwort Twitterkönig.
Petersmann: Ja, absolut. Er twittert auch mit dem Ganges, das ist dann eben Rhetorik, und wir warten alle auf die Handlung. Modi nutzt die sozialen Medien so ausgefuchst wie sonst vermutlich nur Barack Obama, nehme ich an. Modi twittert täglich, was das Zeug hält. Das geht bei ihm sogar so weit, dass seine Twittermeldungen Interviews ersetzen sollen. Dann kommt wirklich aus seinem Büro der Satz: "Folgen Sie uns bitte auf Twitter, es gibt kein Interview."
Er hat seit seinem Amtsantritt am 26. Mai des vergangenen Jahres noch kein großes Interview gegeben, wir warten auch, dafür hat er aber auch an uns zigtausende Twitternachrichten verschickt, auch jetzt beim Obama-Besuch. Da hat er dann am Samstagmorgen fröhlich getwittert, dass er sich jetzt auf den Weg zum Flughafen macht, um den Gast persönlich abzuholen. Das war protokollarisch gar nicht vorgesehen, aber so ist Modi eben.
Er will kontrollieren, er will die Kontrolle behalten, er gilt als Modernisierer, als Macher, aber eben auch als Autokrat, der keinen Widerspruch duldet und das ist bei Twitter sicherlich eher der Fall als bei Journalisten, die vor ihm sitzen.
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio Kultur macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.
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