Neue Sachbücher

Kurz und kritisch

24.12.2013
Ein traumatisiertes Kind entwickelt sich zu einem erfolgreichen Boxer, Ludger Volmer siniert über die deutsche Außenpolitik und Bruno Baumann hat die Seidenstraße mit E-Bike und Auto bereist.
Kabul im Jahr 1992. Ein Spätsommertag. Ein trügerisch schöner Himmel. Der achtjährige Hamid und sein bester Freund Khalil essen Eis, als die Bombe explodiert. Khalil stirbt. Hamid überlebt, völlig traumatisiert. Das Wort Kampf wird für ihn zum entscheidenden Wort seines weiteren Lebensweges.
Mit seiner Familie flieht er nach Hamburg. Er stottert, verbringt seine freie Zeit vorm Fernseher, immer wieder eingeholt von den Erinnerungen an den Geruch von Minze, Koriander, Lammfleisch, karamellisierten Zwiebeln und an den bedrohlichen Kriegslärm der afghanischen Hauptstadt. In der Schule fällt er auf, er ist aggressiv, häufiger in Schlägereien verwickelt.
Aber da ist noch etwas anderes: Der Wunsch, eines Tages nach Kabul zurückzukehren und etwas Großes zu schaffen. Er schwänzt die Schule, taucht ein in die Hamburger Unterwelt: Drogen, Kriminalität, Haft. Wieder klickt er sich durch TV-Kanäle, sieht einen Boxkampf, beschließt nach der Entlassung aus dem Gefängnis Boxer zu werden.
Beeindruckend, detailliert und in vielen poetischen Bildern erzählt Hamid Rahimi seine Lebensgeschichte zusammen mit der Autorin Mariam Noori. Zwanzig Jahre nach seiner Flucht kehrt er nach Kabul zurück als gefeierter Boxer, dessen Meinung zählt, auch der Präsident will ihn sprechen.

Hamid Rahimi. Die Geschichte eines Kämpfers, erzählt von Mariam Noori, Osburg Verlag Hamburg, 372 Seiten, 19,95 Euro

Immer wenn es für Joschka Fischer zu heikel, zu langweilig oder zu wenig glanzvoll gewesen sei, habe er als Staatsminister im Auswärtigen Amt ausländische Delegationen empfangen - 1998 bis 2002 in Zeiten des rotgrünen Kabinetts.
Ludger Volmer war Mitbegründer der "Grünen", die aus der Friedensbewegung entstanden waren. Und diese Partei und ihr Spitzenpersonal war nun für Außenpolitik verantwortlich und musste ihre pazifistischen Ideale an der Realität messen - in Zeiten, in denen Kriege seltener, Konflikte häufiger wurden, wie Staatszerfall, organisierte Kriminalität, ökologische und soziale Katastrophen.
Ludger Volmer: Kriegsgeschrei
Ludger Volmer: Kriegsgeschrei© Europa Verlag Berlin
Oft flog der grüne Außenpolitiker von Berlin aus in Krisengebiete, war Verschwörungstheorien, Verleumdungen, Hass ausgesetzt und kehrte zurück mit der Frage: Wieso glauben eigentlich die Europäer, dass rationaler Diskurs der Schlüssel zur Weltverständigung ist?
Ein spannendes Buch schrieb er nun mit bizarren Details, interessanten Reflexionen, manchmal witzig, stets unterhaltsam und ohne Beschönigungen.
Und er definiert den Pazifismus neu: Ein reines Nein zu Militäreinsätzen reiche nicht. Sicherheitspolitik müsse Alternativen schaffen, die mindestens so effektiv seien, und sie müsse an der Vision Immanuel Kants vom ewigen Frieden weiterarbeiten.

Kriegsgeschrei. Ludger Volmer über die Tücken der deutschen Außenpolitik, Europa Verlag Berlin, 256 Seiten, € 18,99, auch als ebook erhältlich

"Die Seidenstraße ist das bedeutendste Band, das es je auf Erden zwischen Völkern und Kontinenten gab." Mit diesem Zitat beginnt der Text- und Bildband von Bruno Baumann. Er zeigt, dass die Seidenstraße mehr ist als eine nostalgische Route, auf der einst wertvolle Waren und kostbares Wissen transportiert wurden.
Seine Reise beginnt in Venedig. Bereits die Römer machten sich von dieser Stadt aus auf nach China, interessiert an Seide, an Porzellan, Tee und Gewürzen. Damals legte man die Strecke mit Schiffen und Kamelen zurück, Bruno Baumann mit E-Bike, Auto und LKW.
Bruno Baumann: Die Seidenstraße
Bruno Baumann: Die Seidenstraße© terra magica
Den ersten Streckenabschnitt über Ungarn, die Karpaten, Bulgarien und die Türkei reist er mit Künstlern. Mit seinem Projekt "Roads of Dialogue" macht er Zwischenstation in Varna und Istanbul, wo Zelte aufgeschlagen, Konzerte gegeben, Diskussionen geführt werden. Dann reist er ohne seine Kulturkarawane weiter nach China.
Fotos von Märchenwäldern, zerklüfteten Gebirgslandschaften, faszinierenden Wolkenmassen stehen neben Begegnungen mit Näherinnen, Teppichknüpfern und Händlern. Eine spannende Reise zwischen der Antike und heute.

Die Seidenstraße. Bruno Baumann auf der legendären Route nach Asien, Herbig-Verlag München, 272 Seiten, 24,99 Euro

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