Neue Alben

Überproduziertes Pop-Geballer von Robbie Williams

Voller Einsatz: Robbie Williams performt Anfang 2016 auf der Bühne.
Voller Einsatz: Robbie Williams performt Anfang 2016 auf der Bühne. © dpa / picture alliance / EPA/ Zurab Kurtsikidze
Von Matthias Mauersberger · 04.11.2016
Robbie Williams' neues Album "The Heavy Entertainment Show" verspricht Großes - liefert aber dann doch nur seichten Pop. Immerhin: Der britische Musiker beweist eine gewisse Ironiefähigkeit.

Robbie Williams: "The Heavy Entertainment Show"

Wer ist Robbie Williams, und wenn ja, wie viele? Der Aufstieg des Ex-Take-That-Mitglieds ist seit den 90ern beispiellos, dabei hat es Robbie geschafft, sich von Album zu Album neu zu erfinden.
Spätestens seit seinem zweiten Jazz-Ausflug "Swings Both Ways" war man sich allerdings nicht mehr sicher, ob es nicht langsam Zeit wäre für den Friedhof der Frank-Sinatra-Doubles. Aber schon die erste Single aus dem neuen Album "The Heavy Entertainment Show" verspricht Großes: Party Like A Russian. Feiern à la Vladimir Putin.
Im Musikvideo spielt Williams einen russischen Oligarchen und löste damit in Russland einen veritablen Shitstorm aus. Und es sind genau solche subversiven Momente, die zu den wenigen Lichtblicken auf "The Heavy Entertainment Show" gehören.
Wenn der Wahl-Kalifornier im Titelsong davon singt, sich keine Villa in L.A. mehr leisten zu können, dann beweist das zumindest eine gewisse Ironiefähigkeit. Leider ertränkt der 42-Jährige solche guten Ansätze in einem Sumpf aus überproduziertem Pop-Geballer. "Heavy Entertainment"? Nein, leichte Unterhaltung.

Lee Fields & The Expressions: "Special Night"

Vielleicht sollte sich Robbie Williams mal ein Beispiel an Lee Fields nehmen. Der 65-Jährige kommt ohne millionenschwere Produzenten aus und wird im Alter auch noch immer besser. In den 70ern veröffentlichte der Mann aus North Carolina einige Singles, wurde dann aber erst Jahrzehnte später vom Label Daptone wiederentdeckt.
"Special Night", so heißt sein zweites Album mit Begleitband "The Expressions" - ein rabenschwarzes Funk- und Soul-Gebräu.
"Little James Brown" wird Lee Fields auch genannt, und das ist nicht nur eine Anspielung auf seine Körpergröße. Der New Yorker schreit und keucht sich durch zehn schweißtreibende Songs, erinnert dabei sowohl an den "Godfather of Soul", als auch an die goldenen Zeiten von Motown und Stax Records.
Während junge Soul-Männer wie Michael Kiwanuka versuchen, betont "alt" zu wirken, ist Lee Fields so etwas wie der Benjamin Button des Retro Soul: Er klingt mit den Jahren immer jünger.

Nouvelle Vague: "I Could Be Happy"

Nicht in die 60er und 70er, sondern in die 80er nehmen uns Nouvelle Vague auf ihrem neuen Album "I Could Be Happy" mit; ein Produzenten-Duo aus Paris, das sich nach einer avantgardistischen Strömung des französischen Films benannt hat.
Experimentell klingt ihre Musik zwar nicht, aber Nouvelle Vague haben sich einem ungewöhnlichen Konzept verschrieben: Sie präsentieren alte Songs des Punk und New Wave im legeren Lounge-Gewand.
"Cocktail-Punks", so wurden Nouvelle Vague schon genannt, und sicherlich ist die Mischung aus Easy Listening und düsteren Texten gewöhnungsbedürftig. Aber wenn "I Wanna Be Sedated" von den Ramones plötzlich sommerliches Bossa-Nova-Flair verströmt, dann hat das zweifelsohne Charme, und nutzt sich auch auf dem mittlerweile sechsten Werk der Franzosen nicht ab.
"I Could Be Happy" ist ein Album, das man guten Gewissens seinen Eltern zu Weihnachten schenken kann – um sich dann darüber zu freuen, wie sie plötzlich einen obskuren Post-Punk-Klassiker der Cocteau Twins mitpfeifen.
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