Neuauflage des umstrittenen "Alpen-Beckett"

Reszensiert von Michael Opitz · 09.02.2006
Der Suhrkamp-Verlag gibt die bereits 1978 erschienene Erzählung "Ja" von Thomas Bernhard anlässlich des 75. Geburtstags des umstrittenen Autors erneut heraus. Wahnsinn und Selbstmord sind zwei häufig wiederkehrende Motive im Werk von Thomas Bernhard. Auch "Ja" endet mit einem Selbstmord, dem der Protagonistin.
Das Feuilleton wurde nicht müde im Erfinden immer neuer Begriffe, um Thomas Bernhard, dessen Geburtstag sich heute zum 75. Mal jährt, zu beschreiben. Als "Alpen-Beckett" wurde er bezeichnet und einen Meister der Suada sah man in ihm. Nur wenige haben so grandiose Hasstiraden auf Österreich verfasst wie Bernhard, keiner provozierte bei Preisverleihungen die Laudatoren wie er. Bernhard war immer für einen Skandal gut. Die Veröffentlichung seines Romans Holzfällen hat für einen Eklat gesorgt und die Inszenierung seines Stückes Heldenplatz war begleitet von heftigen öffentlichen Protesten.

Thomas Bernhard polarisiert. Das inzwischen in 45 Sprachen übersetzte Werk des 1989 verstorbenen Autors teilt die Leser in die ständig wachsende Gemeinde der so genannten "Bernhardiner", die dem Autor "verfallen" sind, und jene, die sich bereits nach der Lektüre der ersten Seiten eines Bernhard-Textes für immer vom Autor verabschieden.

Aus Anlass des Bernhard-Jubiläums hat der Suhrkamp Verlag die bereits 1978 erschienene Erzählung Ja nun erneut herausgegeben, denn Unveröffentlichtes, wovon sich in Bernhards Nachlass einiges fand, darf nach seiner testamentarischen Verfügung nicht veröffentlicht werden. Diese besagt übrigens auch, dass sein Werk in Österreich nicht verlegt oder gespielt werden dürfe, was die Nachlassverwalter allerdings veranlasste, Bernhards Verbot so zu interpretieren, dass seine Bücher weiterhin in Österreich erscheinen können.

Leider wird nun Ja nicht mit dem Einband vorgelegt, den sich der Autor gewünscht hatte. Während er in einem Brief an seinen Verleger Siegfried Unseld vorschlägt: "JA wäre am besten als weißes Buch, schwarz beschriftet. Ich freue mich auf den Streifen unter dem JA", hat sich der Verlag entschlossen, das Buch in schwarz zu halten mit gelber Schrift und auf den Streifen zu verzichten. Eine Entscheidung, die sich mit einem Zitat aus Ja kommentieren ließe: "Es gibt ja nur Gescheitertes."

Thomas Bernhard setzt in dieser Erzählung - zunächst hatte Bernhard als Titel Die Perserin vorgesehen und später Spaziergang - einen seiner typischen, in Selbstmonologen referierenden Erzähler ein, der bereits seit einer längeren Zeit mit einer Studie beschäftigt ist – auch ein häufig wiederkehrendes Motiv in seinem Werk. In einer Lebenskrise begegnet der Erzähler bei dem Realitätenvermittler Moritz zufällig einer Perserin.

Für ihn wird diese Begegnung zu einer Lebenswende. Denn eigentlich hatte der namenlose Erzähler seinen Freund mit der Befürchtung aufgesucht, dass er verrückt werden würde. Erst das Zusammentreffen mit der Fremden führt ihn aus seiner Krise. Selbst die lange Zeit liegen gelassene Arbeit wird wieder vorgenommen, wenn auch nicht entscheidend weitergeführt. Doch die eigentlich auf einer idealen Ebene sich verstehenden Fremden, die sich auf Spaziergängen immer näher kommen, entfernen sich im Laufe der Zeit wieder voneinander.

Schließlich beantwortet die Perserin am Ende die Frage des Erzählers, ob sie sich eines Tages umbringen wird mit "Ja". Sie ist – anders als der Erzähler - konsequent in der Entscheidung, die er in Krisensituationen erwägt, aber nicht umsetzt.


Thomas Bernhard: Ja.
Suhrkamp Verlag. Frankfurt am Main 2006
155 Seiten. 8,- Euro