Neu im Kino

Provokation als Prinzip

Der US-Schauspieler Jake Gyllenhaal bei der Premiere von "Enemy" am 20.3.2014 in Madrid
Der US-Schauspieler Jake Gyllenhaal bei der Premiere von "Enemy" in Madrid © picture-alliance / dpa / Juanjo Martin
Von Patrick Wellinski · 21.05.2014
Denis Villeneuve hat mit "Enemy" einen verstörenden, provozierenden Film geschaffen. Sein Vorbild-Roman "Der Doppelgänger" von José Saramago hat er in düsteren, sepia-getränkten Bildern umgesetzt. Er setzt dabei weniger auf den Plot als auf die Vermittlung des Klimas.
Das erste was man dem Kanadier Denis Villeneuve ("Prisoners") und seinem neuen Film "Enemy" zu gute Halten muss: Er macht uns nichts vor. Denn bevor er uns in seine sepiagetränkten Bilder einer anonymen Großstadt stößt - die ein einsamer Ort voller Gewalt, unterdrückter Triebe und dunkler, dämonischer Kräfte ist - hat der Regisseur seinem Film ein Zitat vorangestellt: "Chaos bedeutet Ordnung, die nicht entziffert ist." Und das ist dann auch das Prinzip von "Enemy": Verstörung, Unruhe, Provokation.
Dabei orientiert sich das Drehbuch an José Saramagos Roman "Der Doppelgänger". Und wie im Buch steht auch im Film der Hochschullehrer Adam (Jack Gyllenhaal) im Mittelpunkt der Erzählung. Sein einsames Leben besteht in erster Linie aus Vorlesungen über Hegel und der völlig leidenschaftslosen Affäre mit einer jungen Frau. Träge schlurft Adam durch den Alltag bis er in einem Film einen Schauspieler entdeckt, der ihm bis aufs Haar gleicht. Er beschließt, diesen Darsteller zu suchen und gerät in eine Spirale der Verwechslungen.
"Enemy" von Denis Villeneuve ist in vielerlei Hinsicht ein Doppelgängerfilm. Zum einen, weil er, treu nach Saramago, auf der Plotebene nach dem Unheimlichen in der Vermutung sucht, dass jeder von uns einen Doppelgänger hat. Zum anderen, und das macht den Film wirklich sehenswert, spiegelt Villeneuve stilistisch seine großen Vorbilder: So kriecht die Kamera in "Enemy" qualvoll langsam um die Ecken wie bei David Lynch. Ein andermal blickt sie voller Lust aus dem Fenster wie in Hitchcocks "Das Fenster zum Hof" oder "Vertigo". Und die klaustrophobischen Zimmeransichten wirken wie aus einem Polanski-Film entlehnt.
Wohin man nur schaut: Doppelgänger-Bilder. Das ist sehr schlüssig, vor allem weil Villeneuve nicht so sehr auf die Konstruktion eines Plots setzt, sondern sich auf das Vermitteln eines Klimas konzentriert. Er denkt in Bildern und nicht in Buchstaben wie Saramago. Und das unterscheidet das Kino nun mal von der Literatur.
Kanada/Spanien 2013; Regie: Denis Villeneuve; Darsteller: Jake Gyllenhaal, Sarah Gadon, Isabella Rossellini; Dauer: 90 Minuten