Neu im Kino: "Mediterranea"

Trister Flüchtlingsalltag in Kalabrien

Pio Amato (r) als Ayiva in einer Szene des Kinofilms "Mediterranea"
Pio Amato (r) als Ayiva in einer Szene des Kinofilms "Mediterranea" © dpa / picture alliance / DCM
Von Jörg Taszman · 14.10.2015
Regisseur Jonas Carpignano zeigt in "Mediterranea" halb-dokumentarisch den Alltag afrikanischer Flüchtlinge in einer italienischen Kleinstadt. Sein Hauptdarsteller ist tatsächlich aus Burkina Faso geflohen - und darf sich in Europa immer noch nicht ganz frei bewegen.
Alle reden über die Flüchtlingskrise und wie so oft denken die Deutschen, sie seien dabei der Nabel der Welt. Kaum im Bewusstsein sind im reichen Mitteleuropa die Millionen von Flüchtlingen, die in Jordanien, der Türkei oder seit Jahren in Griechenland und Italien untergebracht werden mussten.
In "Mediterranea" geht es dem Regisseur Jonas Carpignano um den Alltag afrikanischer Flüchtlinge, die es bis nach Italien schaffen. Dort leben sie am Rande einer Kleinstadt in Calabrien fast wie in einem Ghetto. Fast ohne Hilfen und Unterstützung versuchen sie sich als billige Arbeitskräfte auf Orangenplantagen zu verdingen oder handeln mitunter auch mit gestohlenem Gut.
Ruhigere Bilder wären besser gewesen
Regisseur Jonas Carpignano setzt mit seiner Handkamera und einem semidokumentarischen Stil vor allem auf Authentizität. Stilistisch übertreibt es der Regisseur dabei mit seiner ständigen Wackelkamera ein wenig. Hier und da hätte man sich mehr ruhige Bilder gewünscht.
Inhaltlich jedoch kann "Mediteranea" überzeugen. Carpignano benennt die Konflikte und er verharrt nicht in Gut-Böse Klischees. So schlägt den Afrikanern ebenso Hilfe, wie Gleichgültigkeit, latenter und offener Rassismus entgegen. Das führt auch zu Gegengewalt. Eines Nachts zerschlagen sie Autos und randalieren, nachdem das Gerücht umgeht, zwei Afrikaner seien willkürlich erschossen worden.
Das Drama setzt sich für Koudous Seihon im realen Leben fort
Der engagierte Filmemacher und Sohn eines Italieners und einer Afroamerikanierin verfilmte die autobiografisch angehauchte Geschichte seines Hauptdarsteller Koudous Seihon, der aus Burkina Faso stammt und von allen Seehofers und De Maizieres dieser Welt nun wohl als "Wirtschaftsflüchtling" herhalten muss. Koudous lebt seit sechs Jahren in Italien, sein Film reist um die Welt und immer noch darf seine kleine Tochter, die in Burkina Faso lebt, ihn nicht in Italien besuchen.
Während sich die Presse kürzlich auf dem Filmfest Zürich um den Afrikaner riss, kann er immer noch nicht frei reisen. Am Flughafen in Italien verweigerte man ihm den Flug. In die Schweiz musste er dann den Zug nehmen. Integration wird von Politikern ja derzeit gerne beschworen, aber nicht praktiziert. Und so ist dieser Film ein aufrüttelndes, komplexes und keineswegs einseitiges Dokument, welche Gräben zwischen Einwanderern und europäischen "Gastländern" liegen.
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