Neu im Kino: "Köpek - Geschichten aus Istanbul"

Die Willkür der Stärkeren

Eine junge Frau und drei Männer gehen in der türkischen Hauptstadt Istanbul im Juni 2015 bei Nacht eine Gasse hinab.
In den Gassen Istanbuls spielt auch der Film "Kröpek". © imago/Haytham Pictures
Von Jörg Taszman · 12.10.2016
Die schweizerisch-türkische Regisseurin Esen Işık zeigt in "Köpek" zwei Jungen, eine Transsexuelle und ein Ehepaar in ihrem Alltag. So porträtiert sie eine von gewalttätigen Männern dominierte Gesellschaft. Sehenswert, doch der Pessimismus ist schwer zu ertragen.
Momentaufnahmen aus dem Alltag einer Metropole. Zwei zehnjährige Jungen gehen nicht zur Schule, sondern verkaufen ohne viel Erfolg Taschentücher auf der Straße. Sie wetten darum, wer es wohl wagen wird, das hübsche Mädchen aus der reichen Nachbarschaft anzusprechen.
Ebru ist transsexuell und kommt gerade von einem Kunden. Verliebt ist sie in einen Apotheker, der zu feige ist, zu ihr zu stehen. Und Hiyat hat am frühen Morgen noch Sex mit ihrem Ehemann, der sie danach kaum alleine aus dem Haus gehen lassen will.
Lakonisch und einfühlsam führt Regisseurin Esen Işık ihre Protagonisten ein, die man dann in Parallelmontagen einen ganzen Tag lang verfolgt. Dabei weicht die relative Banalität des Alltags immer dramatischeren Wendungen. Die Jungs finden einen kleinen Hund, den niemand will. Sie werden immer wieder von Polizisten drangsaliert und mitunter auch geschlagen. Hiyat trifft heimlich ihren ehemaligen Verlobten, schickt ihn jedoch wieder fort. Ihr Ehemann terrorisiert sie daraufhin nicht nur psychisch. Und Ebru kämpft um seine Liebe, neigt jedoch zur Selbstzerstörung.

Hoffnung scheint es für die Türkei nicht mehr zu geben

Esen Işık porträtiert eine von gewalttätigen Männern dominierte Gesellschaft die weder Mitgefühl und Toleranz noch Lebensfreude kennt. Kinder, Frauen und Nicht-Heterosexuelle sind dabei der Willkür der körperliche Stärkeren ausgesetzt. Das Ende ist brutal, trostlos und leider sehr deprimierend.
Auch wenn "Köpek-Geschichten aus Istanbul" filmisch und darstellerisch höchst sehenswert bleibt, so ist der abgrundtiefe Pessimismus am Ende nur schwer zu ertragen. Hoffnung scheint es für Istanbul und damit wohl auch die gesamte Türkei derzeit nicht mehr zu geben. Und dabei entstand dieser Film lange vor dem Putsch und dem Gegenputsch Erdogans.

"Köpek - Geschichten aus Istanbul"
Türkei/Schweiz 2015
Regie: Esen Işık
103 Minuten,FSK: ab 12 Jahren

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