Neu im Kino: "Das unbekannte Mädchen"

Die fatalen Folgen des Wegschauens

Die belgischen Brüder Jean-Pierre (l) and Luc Dardenne (r)
Die belgischen Brüder Jean-Pierre (l) and Luc Dardenne (r) © picture-alliance / dpa / Nacho Gallego
Von Anke Leweke · 14.12.2016
In "Das unbekannte Mädchen" erzählen die Dardenne-Brüder die Geschichte einer jungen karriereorientierten Ärztin. Sie reagiert auf ein sehr spätes Klingeln nicht. Später erfährt sie, dass es eine junge Frau war, die daraufhin ermordet wurde. Die Ärztin lernt sich dann neu kennen.
Mit ihrer Kamera begeben sich die belgischen Brüder Dardenne stets an den so genannten Rand unserer Gesellschaft, sie folgen Menschen, die mit sozialen Ungerechtigkeiten zu kämpfen haben. Sie machen moralisches Filme, ohne dass das Kino zur moralisches Lehranstalt wird.
Weg- oder Hinschauen, Weg- oder Hinhören: Um diese Frage kreist ihr neuer Film. Im Mittelpunkt steht Jenny, eine junge Ärztin, die übergangsweise eine in einem sozialen Brennpunkt gelegene Praxis, übernommen hat. Als es eines Abends sehr spät klingelt, sie mit ihrem Praktikanten in ein Gespräch vertieft ist, öffnet sie nicht die Tür. Am anderen Morgen wird sie von der Polizei darüber informiert, dass eine junge schwarze Frau in der Nähe ermordet wurde. Überwachungsvideos zeigen, dass das Tatopfer vor Jennys Tür stand.

Jenny spürt die soziale Verantwortung

Dieser Mord lässt Jenny anders auf ihr Leben sehen, aus ihrem bisherigen Dasein heraustreten. Sie fühlt sich schuldig, beginnt auf eigene Faust zu recherchieren, möchte den Namen der Toten herausfinden, damit diese keine Unbekannte bleibt.
Letztlich gibt es in diesem Film zwei unbekannte Mädchen: Da ist einmal die Tote, doch auch Jenny lernt sich anders kennen. Sie spürt die soziale Verantwortung, tätig zu werden, entscheidet, die Praxis weiterzuführen, nicht Karriere als Wissenschaftlerin zu machen. Auch im kleinen privaten Rahmen kann man etwas bewegen. Das klingt moralischer, als es der Film erzählt.

Jean-Pierre und Luc Dardenne: "Das unbekannte Mädchen"
Belgien/Frankreich 2016, 106 Minuten, ab 6 Jahren
Mit: Adèle Haenel, Jérémie Renier, Olivier Bonnard
Webseite des Verleihs

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