Musik

Lady Gagas Performance als Avantgarde

Die Musikerin Lady Gaga posiert in einem schwarzen Lederkostüm neben einem Bildnis von ihr, das der Künstler Jeff Koons angefertigt hat.
Ihre Performance hat Avantgarde-Qualitäten: Lady Gaga © dpa/ picture alliance / Peter Foley
Thomas Hecken im Gespräch mit Timo Grampes · 20.08.2014
Das Berlin Atonal Festival will Pop und Avantgarde zusammenbringen. Doch gibt es überhaupt noch avantgardistischen Pop? Ja, meint Thomas Hecken, Herausgeber der Zeitschrift "Pop". In Teilen auch bei Lady Gaga.
Der Anspruch des Berlin Atonal Festivals: Pop und Avantgarde zusammenzubringen. Dabei verbindet man Avantgarde eher mit Dissonanz, Pop mit Wohlklang und Eingängigkeit. Avantgarde wird eher in die Sparte der E-Musik, also der "ernsten" Musik, einsortiert, während viele Pop eher in der Sparte der U-Musik, also der "unterhaltenden" Musik sehen. Wo also kommen die beiden zusammen? Was ist avantgardistischer Pop?
"Pop muss nicht immer nur unerst sein", sagte Thomas Hecken, Herausgeber der Zeitschrift "Pop" und Germanist an der Uni Siegen am Mittwoch auf Deutschlandradio Kultur. Popmusik habe in ihrer Geschichte auch oft starke inhaltliche Anliegen gehabt. Sei es gegen die Eltern in der "Teenie-Version" oder dann spätestens ab etwa 1968 gegen Autoritäten insgesamt. "Das hatte einen gewissen ernsten Zug, aber es sollte nicht der beflissene Ernst sein, der schulische Ernst."
"Avantgarde-Bezüge" bei Lady Gaga
Heute stünden viele Leute aus dem Techno-Bereich für Avantgarde-Pop. Das zeige sich auch an der Liste der Künstler beim Berlin Atonal Festival. Es erschließe sich, wenn man sich anschaue, was heute mit zeitgenössischer ernster Musik verbunden ist, erklärte Hecken. Da seien viele Leute, die in den 60er-Jahren angefangen haben, im Studio mit mit Synthesizern, mit neuen elektronischen Klangerzeugern zu arbeiten. "Das ist per se Musik, die man nicht notieren kann, die mit Geräuschen arbeitet, die viel auch mit Wiederholungsstrukturen arbeitet." Und das sei dann auch ein "Einfallstor für Pop" gewesen. Schließlich gehe es bei Pop oftmals nicht nur um den Song, sondern auch um Geräusche, die beispielsweise in Dub-Versionen wiederholt oder aufgesplittet werden. So liege eine Gemeinsam von Pop und Avantgarde "in nicht-notierter Musik, die stark auf das Geräusch und die elektronische Klangerzeugung setzt".
Für die heutige Popmusik, sei es typisch, dass sie in puncto Klangerzeugung und Songstruktur nicht in Richtung Avantgarde unterwegs seien. Dafür gäbe es bei der Performance häufig Avantgarde-Bezüge. Ganz klar beispielsweise bei Lady Gaga. Aber auch etwa Beyoncé falle darunter. Sie griffen vieles auf aus dem Bereich der erweiterten bildenden und Performance-Künste.
Hochzeit Anfang der 70er-Jahre
Besonders avantgardistisch sei der Pop "rund um 1968, Anfang der 70er-Jahre" gewesen, so Thomas Hecken. Da habe sich Pop verbunden mit den gegenkulturellen antiautoritären Bewegungen. Damit seien große Namen verbunden wie Zappa, Grateful Dead oder auch die Beatles mit ihren interessanten Soundmontagen; in Deutschland solche Gruppen wie Can oder Neu! und Kraftwerk.
Heute sei der Zusammenhang von Avantgarde und Pop breit institutionalisiert. Neben den Jahren um '68 seien das all die Dinge, die in den 90er- und Nuller-Jahren in der Szene der elektronischen Musik passiert sind. Das sehe man auch an den Protagonisten des Berlin Atonal Festivals, von denen viele aus diesem Umfeld stammten.
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