Mühlenmystik in Kirchentellinsfurt

Viele Müller trieben es wild

Windräder einer Windmühle vor blauem Himmel
Eine "Schwarze Schule" nannte Otfried Preußler die Mühle in seinem Roman "Krabat". © imago/McPHOTO
Von Uschi Götz · 27.01.2015
Müller hatten schon immer einen schlechten Ruf. Auch in der um 1300 erstmals erwähnten Kirchentellinsfurter Mühle soll es Prostitution und Hexenaustreibungen gegeben haben. Heute lebt ein Architekt in dem längst stillgelegten Bau - und lauscht dem geheimnisvollen Knacken im Gebälk.
Karin Luz: "Der Dieter ist neulich nachts aufgestanden, weil er es hat knacken hören. Und dann ist er hier durch das Haus gelaufen und hat gedacht: huch, da ist irgendeiner … war aber nicht."
Kind liest aus "Krabat" von Ottfried Preußler: "Der Alte trat näher, sagte mit ängstlicher Miene: 'Ich möchte dich warnen, Junge. Meide den Kroelbruch und die Mühle am Schwarzen Wasser, es ist nicht geheuer dort …'"
Karin Luz: "Durch das Alter lebt das Holz eben auch immer noch. Es knackt, wenn Du läufst, oder nachts wenn es kalt ist oder wenn es dunkel ist. Du darfst Dich nicht fürchten, dann knackt es halt."
Kind liest aus "Krabat": "Der Mann hielt ein Kerzenlicht in der Hand. Er musterte Krabat schweigend, dann schob er das Kinn vor und sagte: 'Ich bin hier der Meister. Du kannst bei mir Lehrjunge werden, ich brauche einen. Du magst doch?'"
Dieter Luz: "Mühlen, das sind ja mit die ältesten Gebäude immer. Das heißt, sie haben eine ganz alte Tradition und tragen auch die Geschichte mit, die haben so eine alte Tradition wie kaum andere außer Pfarrhäuser."
Dieter Luz: "Die Mühle steht da in diesem geheimnisvollen Kontext, wo man immer sagt, ja das ist so alt und mit dem Wasser in Verbindung doch auch etwas Geheimnisvolles."
Dieter Luz ist freier Architekt. Er hat schon viele Gebäude geplant und gebaut: Krankenhäuser, Theaterhäuser, Wohnhäuser. Hochgelobte Architektur. Er selbst wohnt in einem steinalten Gemäuer.
Mit seiner Frau Karin kaufte er vor über 30 Jahren eine jahrhundertealte Mühle, eine Mahlmühle. Was die beiden daraus machten, wird selbst in Fachkreisen als genial bezeichnet.
Die Mühle steht in Kirchentellinsfurt, unten im Tal, das Dorf liegt knapp 100 Meter oberhalb. Früher gab es Dutzende Mühlen die Echaz hinauf. Jenem kurzen Flüssle, das von Richtung Reutlingen mit dem ablaufenden Wasser vom Albtrauf in Richtung Neckar fließt. Neben der Mahlmühle stand einst eine Ölmühle, auch eine Sägemühle.
Von der Echaz wurde ein Kanal abgezweigt, der Mühlenkanal. Alle Mühlen bis kurz vor dem Neckar wurden mit dem Wasser aus dem düsteren Kanal betrieben.
Oft waren Adelsleute die Besitzer
Erstmals erwähnt werden die Mühlen wahrscheinlich um 1007 in einer Urkunde. So dürfte die Mahlmühle eine der ältesten in der Region Reutlingen und Tübingen sein, denn die meisten Mühlen gibt es schon lange nicht mehr.
In der alten Mahlmühle fanden sich beim Restaurieren noch überraschende Spuren aus der Vergangenheit. Auch in Archiven stieß ein Historiker auf sehr alte Dokumente.
Sprecher: "Es klappert die Mühle am rauschenden Bach …"
Die erste gesicherte urkundliche Erwähnung einer Getreidemühle in Kirchentellinsfurt stammt aus dem Jahr 1292. Ein Albrecht Bächt, Bürgermeister aus Reutlingen, kaufte in Esslingen dem Grafen von Diepold von Aichelberg das Patronatsrecht, wie es in der Dorfchronik heißt, von der hiesigen Kirche und einer Mühle ...
Oft waren Adelsleute die Besitzer von Mühlen, betrieben wurden sie von angestellten Müllern. Die Besitzer wechselten häufig, die Mühlen hatten früher einen hohen Wert.
Sprecher: "Am Durnstag nach Lätare 1487 schreibt der Tübinger Obervogt, Ritter Jörg von Ehingen an Württembergs Graf Eberhard im Bart: 'Der Hainz Bynder von Kirchen bietet der Stadt Reutlingen, wegen seinen Stiefkindern, die Malmilin zu Kirchentellisfurt mitsamt Zimmerholz an.'"
Ist in einem Dokument aus dem 15. Jahrhundert zu lesen. Der Kirchentellinsfurter Ortshistoriker und frühere Lehrer Dr. Peter Maier hat lange und gründlich recherchiert.
In den Archiven fand er einiges über die zahlreichen Besitzer der Mühle, weniger über die Müller. Doch an einer Stelle wurde er fündig. Aus einem Mühlbrief von 1520 geht hervor, dass der Müller schon damals unter besonderer Beobachtung stand:
Sprecher: "Unnd so der Müller sunst/ gefehrlichkeheitten treyben wöllte, so hand die von Kürchen, oder die darüber von Inen geordnet werden, guett recht unnd vollen gewallt, darumb, Ihne/ Howher unnd tewrer zuestrafen."
Über den Lauf vieler Jahrhunderte hat sich nur wenig an dem schlechten Ruf der Müller geändert, erinnert sich Ortshistoriker Maier:
Dr. Peter Maier: "Was ich so ein bisschen noch so weiß aus Erzählungen von Bauern ist, dass dieses Grundmisstrauen gegenüber den Müllern immer ein bisschen vorhanden war. Die haben dann ihr Getreide abgeliefert und mussten dann warten, was dann aus der Mühle wieder herauskam und was sie gekriegt haben. Und der Verdacht war natürlich immer da, dass der Müller ein bisschen etwas abzweigt oder in seine eigene Tasche wirtschaftet, auch wenn man dann gewartet hat."
"Wer zuerst kommt, mahlt zuerst!"
Das Warten vor den Mühlentoren war allerdings seit jeher geregelt: "Wer zuerst kommt, mahlt zuerst!" Dieses bis heute gültige Sprichwort war einst Gesetz und hatte seinen Ursprung im sogenannten Sachsenspiegel, dem ersten deutschen Rechtsbuch von Eike von Repgow. Niedergeschrieben in der Zeit zwischen 1220 und 1230.
Für das tägliche Brot waren Müller und Mühlen unersetzlich. Ein Müller musste deshalb nicht in den Krieg ziehen. Das war zwar ein klarer Überlebensvorteil, andererseits hatte diese Freistellung auch einen Haken. Wer nicht kämpfen konnte, der gehörte auch keinem Stand an.
Ein Müller hatte auch keine Waffenehre. Und wer die Waffenehre nicht hatte, der galt als unehrlich. Das bedeutete im früheren Sprachgebrauch: ohne Ehre.
Ohne Ehre war so schlecht auch wieder nicht: Man konnte tun und lassen, was man wollte. Und viele Müller trieben es wild. Drunter und drüber soll es auch in der Mahlmühle zu Kirchentellinsfurt bisweilen gegangen sein.
Dr. Maier: "Ja, mühsame Sache, gell, aber wo Menschen sind, da passiert halt alles. Dadurch, dass die Mühle nicht nur weg vom Ortskern war hier, vom Rathaus aus gesehen, sondern auch noch 100 Meter tiefer im Talgrund, war die Entfernung auch etwas schwieriger zurückzulegen, die polizeiliche Aufsicht war damals natürlich vom Rathaus hier oben runter ein bisschen schwieriger und vom Wannweiler Rathaus etwas entfernt."
Und da war viel Platz für Fantasie. So heißt es, in vielen Mühlen wurden Kinder vom Teufel gezeugt.
War auch diese Mühle eine "Schwarze Schule" wie sie Otfried Preußler in seinem Roman "Krabat" nach einer sorbischen Sage so eindrücklich erzählt hat?
Kind liest aus "Krabat": "Am Abend befahl der Müller die Burschen und Krabat zu sich in die Meisterstube. Bekleidet mit einem schwarzen Mantel, saß er in seinem Armstuhl: Zwei brennende Kerzen vor sich auf dem Tisch, zwischen denen ein Handbeil lag – und sein Dreispitz, der gleichfalls von schwarzer Farbe war."
Noch bis ins 20. Jahrhundert sollen in der alten Kirchentellinsfurter Mahlmühle Hexenaustreibungen stattgefunden haben, erzählt man sich im Dorf.
Die heutigen Besitzer stehen allerdings mit beiden Beinen im Leben, mit Okkultismus haben sie nichts zu tun. Obwohl. Sie haben ihre Berufe und reisen als Kunst- und Kulturliebhaber bis heute manchmal im Auftrag namhafter Museen nach Afrika. Einige ausgewählte Fundstücke aus verschiedenen afrikanischen Ländern hängen jetzt an den alten Wänden der Mühle.
Dieter Luz: "Es ist schon einiges Mystisches und Gruseliges hier geblieben. Das sind die Masken, es gibt ja unendlich viele Masken, es ist ja ein kleines Museum inzwischen geworden, weil wir begeisterte Sammler sind. Da ist doch etwas von dieser geheimnisvollen Mühlenmystik geblieben. (lacht) in anderer Weise."
Auf Spuren der alten Mühlenmystik stießen die Luzen hingegen beim Restaurieren der Mühle. Bis heute können sie die entdeckten Zeichen nicht deuten. Am Eingang zur Mühle und am Ausgang zum Mühlengarten finden sich Graffitis auf großen Steinen und an den Wänden. Einzelne Graffitis konnte Dieter Luz nicht erhalten, er zeigt Fotos von den Zeichen:
Dieter Luz: "Dann gab es ziegenartige Gravuren, die aber so langsam abfielen. Es waren auch kreisförmige Formen da, mit einem Mittelpunkt, und wir vermuten, es war eine Sonnenuhr. Die haben einfach da vorne eine Sonnenuhr hingemacht."
Zeichen aus dem 30-jährigen Krieg
Dieter Luz geht zur Mühlentür zu den Zeichen, die wahrscheinlich aus der Zeit des Dreißigjährigen Kriegs stammen:
Dieter Luz: "Und das sind jetzt diese Gravuren, mit so einer Spitzenhaube, das sieht doch so … 30-jähriger Krieg, 1646, in diese Zeit könnte das reinpassen. Und hier 1697, das sind die beiden effektiven Zahlen, die wir hier im Gebäude vorgefunden haben an den Steinen."
Kinder: "Der Müller saß Vorm Mühlentor, Klabuster, klabaster, Klabumm! Da trat ein schmucker Knapp hervor: Klapuster, klabaster, Ein Knapp‘ hervor – Klabuster, klabaster, Klabumm!"
Dr. Maier: "Gerüchteweise habe ich gehört, dass es da auch Geschichten in Richtung Hexerei gegeben hat. Hexenaustreiberei und dergleichen, manche Müller haben sich dann da vielleicht Spezialkenntnisse erworben, die dann von den Bauern wieder angefordert worden sind bei Bedarf. Das kann ich nur ganz leise sagen, das kann ich nicht konkretisieren."
Kinder: "Der Müller saß Vorm Mühlentor, Klabuster, klabaster, Klabumm
Dr. Maier: "Ich habe noch Gerüchte gehört so … aus dem 20. Jahrhundert, so ein bisschen, wenn man als Familie lange in einer Mühle drin ist, dann färbt das natürlich auch ab. Auf die Besitzer und Betreiber … (Autorin) Inwiefern? (Dr. Maier) Dass die ein bisschen leichtgläubig, nicht orthodox gläubig waren und sich religiöse Bedürfnisse aus nicht offiziellen Quellen geholt haben."
Eine Weile gehörte die Mühle den Bauern des Dorfes. Ab 1608 ging die Mahlmühle in den Besitz eines gewissen Peter von Imhof über. Imhof ließ die alte Mühle abreisen und eine neue bauen. Das war über 400 Jahren. Kaum stand die neue Mühle damals, schon gab es Ärger:
Dr. Maier: "Die Bauern hatten oft wenig Bargeld und der Müller hat dann einen Mahlzins erhoben, wenn der nicht in klingende Münze ausgezahlt werden konnte, hat er gemiltert. Miltern, mit t geschrieben. Der hat einen Teil des Mehls dann einbehalten als Mahllohn. Da kann man natürlich auch immer streiten, wie viel. angemessen."
Am Ende musste Imhof nachgeben. Er hatte einen Streit mit der Gemeinde und dem Herzog verloren.
Es ist die Zeit des 30-jährigen Kriegs, auch die Kirchentellinsfurter leiden. Ein Teil des Dorfs brennt ab.
Vom Müller zum Schultheiß
Dr. Maier: "Und wenn man in die Kirchenbücher hineinguckt, die Sterbeeinträge summieren sich. Etliche Kirchemer sind dann auch nach Reutlingen geflüchtet, weil Reutlingen war relativ sicher, als Stadt und ummauert, weniger nach Tübingen. Tübingen ist ja mehrfach auch belagert worden ist und dann auch eingenommen worden ist."
1763 ging die Mühle in den Besitz eines gewissen Martin Scherers über. Scherers Sohn Michael, ebenfalls Müller, gelang etwas, was bei den Müllern damals nahezu aufgrund ihres schwachen Standes unmöglich war: Michael Scherer wurde Ende des 18. Jahrhunderts Schultheiß.
Im Zusammenhang mit einem Gesangbuchstreit schmiss der Müller und Schultes von Kirchentellinsfurt im Jahr 1802 jedoch alles hin und wanderte mit seiner zweiten Frau und etwa 15 Stiefkindern aus.
Dr. Maier: "Er ist dann nach Galizien ausgewandert, Anfang des 19. Jahrhunderts, und dort geblieben und auch dort gestorben. Galizien gehörte ja damals noch zum Habsburger Reich. Das ist die Zeit gewesen, als der Bevölkerungsdruck im Land sehr gewachsen ist, die religiösen Bedürfnisse der Württemberger durch die strenge württembergische Landeskirche, sich nicht wohlgefühlt haben, und dann mehr Freiheit wollten. Eigentlich nur vorstellbar auf dem Hintergrund des französischen Revolution und deren Folgen."
Die heutigen Besitzer, Karin und Dieter Luz, stehen im ehemaligen Mühlraum. Im großzügigen Küchen und Essbereich steht ein Flügel, die afrikanischen Masken hängen an den Wänden.
Noch immer hat die Mühle ihre alten, kleinen Fenster. Ein Feuer brennt im offenen Kamin und sorgt für eine wohlige Wärme trotz der Größe des Raums.
Karin und Dieter Luz erzählen von Müller Scherer und von einem Brief eines Nachfahren des ausgewanderten Müllers, den sie vor einiger Zeit aus Wien bekommen haben:
Karin Luz: "Sehr geehrter Herr Luz, anbei das … habe ich retuschiert und mit der Jetzt-Schrift versehen. Ich hoffe damit, ihre Sammlung über die Echazmühle bereichern zu können. Mit freundlichen Grüßen Waldemar Scherer."
Es geht um ein Schriftstück, das beim Umbau hinter den Schindeln im Mühleninneren entdeckt wurde. Der Verfasser: Michael Scherer. Das historische Schriftstück stammt also von jenem Müller und Schultes, der der Freiheit wegen einst nach Galizien ausgewandert war.
Karin Luz: "… habe ich retuschiert und mit der Jetzt-Schrift versehen. Ich hoffe damit, Ihre Sammlung über die Echazmühle bereichern zu können. Mit freundlichen Grüßen Waldemar Scherer."
Ehemaliger Abfülltrichter als Dunstabzugshaube
Sprecher "Im Jahr Christi Anno 1778 Hab ich Michael Scherer Müller von Kirchentellinsfurth diese stube deffern Lassen von Meisterschreiner Antonius Rauscher von Kirchentelinsfurth.
Und Anno 1763 hat mein Vatter Martin Scherer diese Mühle kaufft von den Geißbergischen Edelleut.
Meine Haußfrau hat geheißen Anna Maria Eine gebohrne Walckherin und schultheißen Tochter Von Kirchentellinsfurth.
Ich und Mein Vatter seyn gebirtig von Betzingen.
Soli Deo Gloria”
"Gott allein zu Ehre" diese lateinische Wendung zählt als religiöser Grundsatz zu den sogenannten fünf Solas der Reformation. Der Müller unterschrieb das Papier mit diesen Worten.
Das schummrige Licht in der Mahlmühle beflügelt die Gedanken. Irgendwo knackt es. Das Mühlrad kann es nicht sein, es steht schon seit vielen Jahren still.
Das Mühlrad, mit einem Durchmesser von sieben Metern, ist durch eine große Glasscheibe hindurch zu sehen:
Dieter Luz: "Wir stehen auf der Höhe der alten Mahlgänge. Es waren hier drei Mahlgänge hintereinander geschaltet, die durch das große Mühlrad, das vor 1907 hier gebaut wurde und diese drei kleinen Mühlräder ersetzte und auch ein ganz besonderes Profil hatte, das sogenannte französische Profil, das wie eine Badewanne ausgemuldet war."
Beim Umbau der Mühle, eng abgestimmt mit dem Denkmalamt, münzten Dieter und Karin Luz einst einige Gegenstände aus alten Mühlentagen einfach um.
So ist die Abzugshaube über dem großzügigen Küchenherd ein ehemaliger Mehl- und Abfülltrichter. Der schirmartige Trichter wurde einfach andersherum aufgehängt und mit einer Absauganlage versehen.
Dieter Luz geht eine Treppe nach oben, im ersten Stock befinden sich Schlafräume und ein recht modernes Bad. Dafür hängen die Kleider der Luzen in einem jahrhundertealten Mehlspeicher:
Dieter Luz: "Das ist ein Silobehälter, um das Mahlgut zu speichern, und nach Bedarf die Säcke füllen kann."
Der Architekt und Künstler ließ in die beiden vorgefundenen Silobehälter im zweiten Stock jeweils zwei Drehspindeln einbauen. Beide Behälter dienen seit vielen Jahren als Kleiderschränke mit unglaublichen Kapazitäten.
In nur einem Jahr haben die Luzen die alte Mahlmühle restauriert. So schön, dass sie 1986 mit dem Denkmalschutzpreis des Schwäbischen Heimatbunds ausgezeichnet wurden.
Es gab weder das Feierabend- noch das Feiertagsgebot
Tag und Nacht haben sie gearbeitet, erzählen die beiden und blättern in ihrem eigenen Mühlenbuch, das mit eindrücklich guten Schwarz-Weiß-Fotos von Dieter Luz bebildert ist.
Karin Luz: "Das ist auch so ein bisschen die Chronik von unserer Familie während des Umbaus. Und das war so nett, da mussten natürlich unsere Töchter feste mithelfen."
Kind liest aus "Krabat": "Die Mühle im Kroelbruch mahlte Tag für Tag, werktags und sonntags, vom frühen Morgen an bis zum Einbruch der Dunkelheit. Wenn Krabat nicht Korn schleppte oder Mehl siebte, musste er Holz spalten, Schnee räumen, Wasser zur Küche tragen, die Pferde striegeln. Abends, wenn er dann auf dem Strohsack lag, war er wie gerädert."
Für den Müller galten weder das Feierabend- noch das Feiertagsgebot, er konnte sich nicht nach gesellschaftlichen Normen richten, er war von der Natur abhängig. Auch das machte den Müller zu einem Außenseiter. Besonders hart war das Leben in einer Mühle für die Mühlknappen. Da hatten es die schönen Müllerstöchter doch einfacher. Glaubt man.
Der Boden in der Mühle war gelegt, 400 Quadratmeter neue Wohnfläche entstanden.
Karin Luz: "Und wie wir hier einzogen, in dem Moment wollten die nicht mehr, dann haben die nicht mehr geholfen."
Ein Jahr Arbeit in der Mahlmühle hat den schönen Töchtern der neuen Mühlenbesitzer gereicht.
Dieter Luz: "So halbwüchsige Mädchen, die natürlich sagten, wir haben auch andere Ideen, wie in Mühlengebäude mit Fliesen zu legen und ähnliches mitzumachen. Die hatten zwar inzwischen hier große Zimmer und hatten alle Freiheiten, die man sich vorstellen konnte. Aber es funktionierte einfach nicht mehr. Die brauchten ein bisschen mehr Luft und sind deshalb beide auch nach der Schule zum Studieren hier weggezogen und kommen jetzt aber zusammen mit den Enkelkinder eigentlich ständig wieder hierher. Und so kommt es hier wieder ganz nahe zusammen."
Kind liest aus "Krabat": "Gehen wir Krabat.
Während sie auf die Häuser zuschritten, fing es zu schneien an, leicht und in feinen Flocken, wie Mehl, das aus einem großen Sieb auf sie niederfiel."
1967 endete auch die Geschichte der Kirchentellinsfurter Getreidemühle: Der Mühlbetrieb wurde eingestellt. Der letzte Müller und seine Brüder verkauften die Wasserrechte. Ein folgenreicher Schritt. Jetzt war die Gemeinde in der künftigen Bebauung des Tals an fast nichts mehr gebunden. Bald wurde ein paar Hundert Meter talaufwärts ein großer Supermarkt gebaut.
Lange kämpften Karin und Dieter Luz noch gegen eine zu nahe Bebauung rund um ihre historische Mahlmühle. Vergebens. Am Ende kam doch ein Haus nach dem anderen in der Nachbarschaft hinzu. Doch mit ihrem Widerstand blieben sie der Tradition der Müller treu. Sie gelten ein wenig als Exoten im Dorf, so wie eben einst die Müller.
Dieter Luz: "Die Gemeinde ist etwas sauer auf mich, weil ich so heftig agierte gegen die Bebauung hier. Aber so ist das halt mal, damit muss man leben."
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