Mönche gegen Muslime

Von Udo Schmidt · 27.08.2013
Myanmar ist auf dem Weg Richtung Demokratie. Gleichzeitig brechen dort alte Animositäten zwischen Buddhisten und der muslimischen Minderheit wieder auf. Immer wieder kommt es zu blutigen Straßenschlachten zwischen radikalisierten Buddhisten und Angehörigen der muslimischen Minderheit.
Im Allgemeinen als friedliche geltende buddhistische Mönche wurden per Video der Prügelattacken auf Muslime überführt. Regierung und Oppositionsführerin Aung San Suu Kyi halten sich angesichts der wieder aufbrechenden religiöser Konflikte auffallend zurück.

Gebet in einer Ruine. Die kleine islamische Gemeinde von Kyot Pint Kaunt, einer Kleinstadt 200 Kilometer westlich von Rangun, hat sich fast trotzig in den Resten ihrer Moschee eingefunden. Sie wollen weitermachen, sich nicht vertreiben lassen - wie genau es aber weitergehen soll, das wissen sie im Moment auch nicht, sagt U Min Swe, der Imam der kleinen grünen Moschee, deren Minarette noch stehen, deren Schulräume aber vollkommen zerstört sind.

"Vor einigen Wochen überfielen nachts buddhistische Mönche, Mitglieder der radikalen Gruppe 969, die Moschee, erzählt U Min Swe, berichten aufgeregt alle Mitglieder der Gemeinde - rund 100 Menschen drangen auf das Gelände, mit einem Bulldozer rissen sie Teile des Gebetshauses ein."

Eine gezielte Aktion aggressiver Buddhisten gegen die islamische Minderheit war das, keine spontane Affekthandlung. Vorhanden war diese Aggression schon immer, sagt Mya Aye, Muslim und Führungsmitglied der Oppositionsgruppe 88 Students Generation Group:

"Seit 1997 etwa gab es immer wieder kleine Auseinandersetzungen, viele muslimische Einwohner Myanmars standen immer unter Druck, das ist nicht erst jetzt entstanden. Gerade auch die Rohingya-Minderheit in der Rakhine Provinz hatte immer Probleme, durfte nicht reisen, den jeweiligen Ort nicht verlassen."

Die Muslime von Kyot Pint Kaunt jedenfalls wollen bleiben, sagt U Tin Win, der die Geschäfte der Moschee führt. Wohin sollen sie auch gehen, die feindselige Stimmung gibt es derzeit überall im Land.

"Wir wissen im Moment nicht, was wir tun sollen, wir hoffen auf die Regierung."

Demolierte Autos, zerstörte Klassenzimmer
U Tin Win blättert in einem Fotoalbum. Bilder von demolierten Autos aus der Nachbarschaft sind eingeklebt, auf die Motorhauben ist die Zahlenkombination 969 gesprüht.

Die radikalen buddhistischen Mönche dieser Gruppe, die Hass gegen Muslime in Myanmar predigen, haben ihr Zeichen hinterlassen. Daneben Fotos des zerstörten Klassenzimmers der Moschee:
"Hier sieht man, dass alles zusammengebrochen ist."

Ermittlungen gegen die Täter gibt es keine in Kyot Pint Kaunt – Sicherheitskräfte aber tauchen während der Interviews auf und brechen diese ab. Keine Gespräche mehr mit den Muslimen in ihrer Moschee, schon gar keine Fragen an die buddhistische Mehrheit der Kleinstadt, lautet die Anweisung.

U Min Swe bleibt nur noch, zum Abschied seine Angst auszudrücken:

"Wir sind sehr vorsichtig geworden, immer wenn wir irgendetwas hören, gerade nachts, schrecken wir auf."

Thit Lwin Aung ist schlank, fast dünn und hat kurzgeschorenes Haar. In einer orangenen Robe würde der 23-Jährige einen perfekten Mönch abgeben. Der junge Mann ist jedoch frisch diplomierter Mathematiker. Trotzdem verbindet ihn etwas mit den Mönchen.
Er unterstützt die Gruppe 969, junge radikalisierte Mönche, die glauben, den Buddhismus in Myanmar verteidigen zu müssen und sich daher in den vergangenen Monaten Straßenschlachten mit der Minderheit der Muslime im Land geliefert haben. Dutzende Menschen kamen dabei ums Leben.

"Die 969er wollen die Religion schützen, sie wollen den jungen Menschen zeigen, was Buddhismus bedeutet, in friedlicher Weise natürlich. Aber manche haben das falsch verstanden."

969 als Symbol für Buddhismus-Tugenden
969, die Zahlenkombination steht für die Tugenden des Buddhismus. An vielen Autos kleben derzeit 969-Aufkleber, Straßenstände in der Innenstadt Ranguns verkaufen 969-T-Shirts, die direkt neben bedruckten Hemden mit dem Logo der Nationalen Liga für Demokratie hängen, der Partei der Friedensnobelpreisträgerin Aung San Suu Kyi.

"Die, die jetzt die Aufkleber am Auto oder am Schaufenster haben, die wollen einfach zeigen, dass sie überzeugte Buddhisten sind. Sie wollen damit nicht ausdrücken, dass sie die Gewalt befürworten,"

sagt Thit Lwin Aung, der Student.

Nächtliche Ausgangssperren sogar in der Metropole Rangun machen auch dem Letzten deutlich, dass die Reformen in Myanmar in Gefahr sind. Genau diesen Zusammenhang betont auch Studentenführer Di Nyein Lyin. Der 25-jährige saß bis Anfang vergangenen Jahres m Gefängnis, vier Jahre verbrachte er hinter Gittern. Bisher darf er sein Studium nicht weiterführen. Di Nyein Lyin hat also viel Zeit, sich Gedanken zu machen.

"Myanmar hat viele Probleme, den Konflikt mit der Kachin-Minderheit im Norden, Auseinandersetzungen mit Bauern um ihr Land, die Regierung will mit dem Religionskonflikt davon ablenken. Sie schürt ihn daher."

Diese These taucht immer wieder auf, es gibt für sie aber keinen Beleg. Wenn, dann könnte diese Annahme nur für die Hardliner in der Regierung gelten, die, die alles wieder zurückdrehen wollen. Wirklich wahrscheinlich scheint dieses Szenario aber nicht, auch wenn viele es immer wieder ansprechen. Auch wenn die Hardliner beginne, von den Reformen zu profitieren, ökonomisch zumindest.

U Thein Win Tun ist Muslim, einer von fünf Prozent der Bevölkerung in Myanmar. Er lebt in einer geräumigen, schönen Wohnung mitten in der Altstadt Ranguns.

"Wir leben doch schon immer hier"
"Manche haben eben ein Interesse, von den eigentlichen Problemen abzulenken und die Demokratisierung zu stoppen. Daher der Konflikt mit uns Muslimen. Wir leben doch schon immer hier."

Der 27-Jährige lehrt islamisches Recht an einer Privatschule, Al-Sheik Saeedullah heißt er dort. In unserer Familie haben wir auch Buddhisten, sagt der junge Mann, es gab nie ein Problem, aber die Gruppe 969, die mache ihm schon Angst.

"Plötzlich tauchte die Gruppe 969 auf, das ist schon besorgniserregend. Und sie sehen sich als Reaktion auf die Gruppe 786 der Muslime. Das ist aber ein Missverständnis. Mit 786 wird doch nur die Zahl der Wörter einer wichtigen Koransure angegeben."
Thit Lwin Aung, der junge Mathemati ker, hält einiges von den radi
kalen Mönchen der 969er, die hart durchgreifen. Aber was nicht sein darf, darf nicht sein, das sagt er auch:

"Ein Buddhist, der tötet, oder sich wünscht, zu töten, kann niemals ein Mönch sein. Es sind keine Mönche, die so etwas tun."

Di Nyein Lyin, der Studentenführer, der nicht studieren darf, sieht es genauso:

"Vielleicht waren es falsche Mönche"
"Wir wissen doch nicht genau, wer jeweils die Moscheen zerstört hat. Es gibt keine Beweise. Vielleicht waren es falsche Mönche, nur entsprechend angezogen.

Es gab in den vergangene Monaten in vielen Orten eine Ausgangssperre ab neun Uhr am Abend. Viele Gebäude wurden erst nach neun Uhr in Brand gesetzt."

Was man übersetzen könnte mit der These, dass die Bewohner selber, also die Muslime sie angesteckt haben könnten.

Eine gewagte These, wurden doch in Meikhtila prügelnde buddhistische Mönche auf Video festgehalten und nicht islamische Extremisten, gibt es doch unstrittig die radikale buddhistische Gruppe der 969er, die vom rassistisch auftretenden Mönch Saydaw Wirathu angeführt wird.
Dieser ruft, wenn nicht zur Gewalt, dann zumindest zur Ausgrenzung der Muslime auf. Ba Da Na Paung Maw Kah winkt ab - wer da mitmache, sei kein Mönch, sagt auch er, wie zuvor schon Thit Lwin Aung:

"Die, die in Meikhtila demonstriert haben, die auf den Straßen waren, sind keine richtigen Mönche gewesen. Sie haben zwar orange getragen, aber sie glauben nicht wirklich an die buddhistischen Lehren."

Ko Phoe Tar aus Arakan, der Rhakin Provinz ist kein Mönch. Daher muss der 43-jährige seine Ansichten weniger verbergen, wenn es etwa um die verfolgte Minderheit der Rohingya-Muslime in seiner Heimatprovinz geht.

"Sie kommen aus einem anderen Land zu uns, aus Bangladesh, und lösen ganz viel Unruhe aus, wir wollen sie nicht, sie müssen wieder gehen."

Über die radikalen 969er Mönche, deren Ansichten er unterstützt, müsse man nicht weiter reden, fügt er hinzu:

"Wer in unser Land kommt, muss 969 kennen, die Zahlen beziehen sich schließlich auf Buddha."

969, die Zahlenkombination steht für die Tugenden Buddhas, des buddhistischen Rechts sowie der Mönche. Was Ko Phoe Tar meint, ist: wer nach Myanmar kommt, der hat sich gefälligst mit dem Buddhismus auszukennen.

Muslime sind demnach abzulehnen, sie bedrohen den Buddhismus. Mya Aye ist ein solcher Muslim. Als führendes Mitglied der Oppositionsgruppe 88 Student Generation Group saß er lange im Gefängnis.

"Differenzen der einzelnen Ethnien"
Ja, sagt er, es ist gefährlich geworden in Myanmar. Die da aufeinander losgingen, darunter auch muslimische Hardliner, seien aber eine kleine Minderheit:

"Nach 50 Jahren Diktatur bricht eben vieles auf, auf Seiten der Buddhisten und Muslime, aber das sind nur kleine Gruppen. Grundsätzlich geht es bei Konflikten in Myanmar auch nicht nur um Religion, es geht auch um die Differenzen der einzelnen Ethnien, der jeweiligen Minderheiten. Das ist jetzt eine Herausforderung für unser Land."

Die Gruppe 969, fügt der Muslim Mya Aye noch hinzu, dürfe nicht mit wirklichen Buddhisten verwechselt, in einen Topf geworfen werden.

"Das sind keine Buddhisten, auch wenn sie vielleicht wie welche aussehen. Das sind einfach nur aggressive Menschen, die prügeln und Häuser zerstören.

Solche Leute und gibt es auf beiden Seiten, auch bei den Muslimen. Aber es gibt jetzt natürlich viele Muslime, die sich zusammenschließen und sich schon fragen, ob dieses Myanmar überhaupt noch ihr Land ist."

Eine These vieler derzeit in Myanmar, ob nun Buddhist oder Muslim, will Mya Aye nicht teilen: die Vermutung, dass die Konflikte von den Hardlinern in der Regierung geschürt werden, um die Grenzen der Demokratie aufzuzeigen und damit eine Rückwendung zur Militärdiktatur zu ermöglichen:

"Das ist viel zu einfach, den Konflikt so zu erklären. Das stimmt auch nicht. Natürlich wollen gerade auch in der Regierung einige den politischen Prozess stoppen, aber es gibt keinen Beleg dafür, dass die Regierung die Probleme noch vergrößert, das nehme ich nicht an."

Auch der Mönch Ba Da Na Paung Maw Kah, der sich selber als Anhänger der 969er bezeichnet, gibt sich am Ende des Gesprächs in seinem Kloster versöhnlich. Natürlich können Buddhisten und Muslime in diesem Land zusammenleben, erklärt er.

Dieses Zusammenleben aber ist nicht einfacher geworden durch die Gewalt der vergangenen Monate, Myanmar braucht ein klares Bekenntnis von Regierung und Opposition zum Schutz der Minderheiten im Land.

Das aber, sagt Mya Aye, braucht Zeit, viel Zeit:

"Nach Jahrzehnten der Diskriminierung brauchen es jetzt wohl 10 oder 20 Jahre, es braucht Bildung auch für den Großteil der armen muslimischen Bevölkerung in Myanmar – allen muss klar werden, dass Diskriminierung kein Weg für unser Land ist. Wäre es in den vergangenen Jahrzehnten in Myanmar gerechter zugegangen, dann hätten wir diesen Konflikt wohl gar nicht."

Konflikte als Image-Problem
Wir haben so lange zusammengelebt, alle in Myanmar, alle Religionen, auch wenn es nicht immer gerecht war, meint U Thein Win Tun, der junge Islamgelehrte. Das muss doch funktionieren. Und er führt seine Familie als gutes Beispiel an:

"Der Bruder meines Großvaters war Buddhist, und natürlich haben wir seinen Tod mit einer buddhistischen Feier gewürdigt, das ist doch ganz normal."

Von Normalität ist aber an vielen Orten Myanmars nicht so viel zu spüren, wie man wünschen möchte. Frage an den jungen Thit Lwin Aung, den Mathematiker und Anhänger der radikalen Buddhistenbewegung 969, warum denn die Muslime im Land so gefährlich sind und bekämpft werden müssen:

"Ausgang der Konflikte sind natürlich die Rohingyas, die Minderheit in der Rakhine Provinz. Aber natürlich sind die Muslime im Land, die schon lange hier leben, nicht gefährlich."

Die 800.000 muslimischen Rohingyas im Land, die keine Staatsbürgerschaft besitzen und die auch die Regierung gerne nach Bangladesh ausweisen möchte, sind die Sündenböcke Myanmars. Auf sie projizieren alle Burmesen ihren Hass, auch die Opposition unter Aung San Suu Kyi ist da nicht wirklich auszuschließen.

Für das Image Myanmars, das dringend Investitionen benötigt, um den Reformeifer zu unterstützen, dessen Präsident Thein Sein international immer mehr Anerkennung einfährt, dessen Oppositionsführerin Aung San Suu Kyi im Westen als Freiheits- und Friedensikone verehrt wird, sind die religiös verbrämten Konflikte, hinter denen massive, rassistisch scheinende Ressentiments stecken, jedenfalls ein großes Problem.
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