Modellprojekt "Haus des Jugendrechts"

Schneller Prozess durch enge Zusammenarbeit

Ein Polizist vor dem "Haus des Jugendrechts" in Mannheim in Baden-Württemberg
Ein Polizist vor dem "Haus des Jugendrechts" in Mannheim in Baden-Württemberg © picture alliance / dpa
Von Uschi Götz · 22.08.2016
Ein Modellprojekt, das Schule machte: Straffällig gewordene Jugendliche werden seit 1999 in Stuttgart-Bad Cannstatt engmaschig betreut und zügig verurteilt. Denn Polizei, Staatsanwaltschaft und Jugendamt arbeiten im "Haus des Jugendrechts" unter einem Dach.
Kriminalhauptkommissar Rainer Rudat zeigt auf eine Tür. Dahinter ist das Büro der Staatsanwaltschaft, ein paar Treppen höher hat die Polizei ihre Station, eine Etage tiefer liegt das Jugendamt. Nur das Gericht ist nicht im selben Haus, aber auch gut erreichbar.
Rainer Rudat ist seit Gründung des Hauses des Jugendrechts dabei. Er öffnet die Tür zu einem Zimmer.
"Mit 16 Jahren bin ich im Haus des Jugendrechts angekommen, weil ich geklaut habe, nicht mehr zur Schule gegangen bin und vor allem wegen einer Schlägerei mit einem 17- Jährigen."
Marcel ist heute 20 Jahre alt. Er trägt einen anderen Namen. Er will unerkannt bleiben.
"Zwei Stunden nach der Schlägerei bin ich in Cannstatt bei der Polizei gesessen."
Im Haus des Jugendrechts. Ab diesem Zeitpunkt arbeiten vier Behörden zusammen. Bis zum 21. Lebensjahr kommt hierher, wer in Stuttgart-Bad Cannstatt straffällig geworden ist.

"Mit der Polizei Tür an Tür"

In der Regel kommt die Staatsanwaltschaft erst zum Zuge, wenn ein Ermittlungsverfahren abgeschlossen ist. Anders im Haus des Jugendrechts.
Staatsanwalt Marcus Höschele: "Dadurch, dass die Polizei hier Tür an Tür ist, kann ich mich frühzeitig einschalten. Ich habe die Möglichkeit, auf Zuruf zu Vernehmungen von wichtigen Zeugen oder dem Beschuldigten hinzuzukommen, um dann auch einen persönlichen Eindruck von der Person zu bekommen."
Die Jugendlichen werden dabei nicht geschont, vielmehr werden Heranwachsende in kritischen Phasen konsequent begleitet. Dabei spielen auch die Folgen einer Tat für das Opfer eine große Rolle. Der sonst so anonyme Behördenapparat zeigt hier ein Gesicht, mancher Jugendliche erfährt zum ersten Mal: Auf Erwachsene kann man sich auch verlassen. Das gilt auch andersherum:
"Wenn es für mich keine Verbrecher in Anführungszeichen per se sind, sondern Menschen, die auch einen gewissen Hilfebedarf haben, dann trete ich denen anders gegenüber, als wenn ich entsprechend krass drauf bin."
Liegen mancherorts zwischen Tat und Strafe bis zu zwei Jahre, bleibt im Haus des Jugendrechts ein Fall meist nicht lange liegen. Innerhalb von drei Monaten fällt bisweilen das Urteil, bekommt der Jugendliche also die Konsequenz seines Handelns unmittelbar zu spüren.
Richterin Iris Keppler-Krüger wird von den drei anderen Behörden auf Hauskonferenzen informiert. Sie kennt meist schon vor einer Hauptverhandlung die persönlichen Umstände des Straffälligen, sein Umfeld, kennt ganze Cliquen in der Gegend.
Über 5000 Jugendliche sind seit Bestehen des Hauses den kurzen Weg durch die sonst langen Instanzen gegangen. Andere baden-württembergische Städte haben das Modell längst übernommen, auch andere Bundesländer.

Betreuung auch nach dem Urteilsspruch

Marcels Leben ist wieder im Lot. Als 16-Jähriger wurde er zu Sozialstunden verurteilt, blieb aber weiterhin auffällig. Im Haus des Jugendrechts hatte man ihn die ganze Zeit im Blick.
"Ich bin dann nach Ravensburg gekommen, in so eine Art Heim. Dort habe ich meine Mittlere Reife gemacht und bin vor einem Jahr wieder nach Stuttgart gekommen."
Mit dem Gesetz ist er nicht mehr in Konflikt geraten. Er lobt den fairen Umgang:
"Das waren schon immer klare Ansagen, aber die haben mich nie spüren lassen, dass ich unterlegen bin. Ich hab' halt auch mitbestimmen können und die haben mir immer wieder gezeigt, wie ich da wieder rauskomme."
Wissenschaftlich untersucht ist der Erfolg dieser Einrichtung nicht. Allerdings sind sich Experten und Beteiligte einig: Das Haus des Jugendrechts ist ein Erfolgsmodell, auch wenn die Arbeit für die beteiligten Behörden anstrengender ist.
Richterin Iris Keppler-Krüger: "Jede Behörde muss so aus ihrem normalen Bereich raus, muss nach außen, muss sich darauf einlassen, kann sich nicht mehr zurückziehen. Es ist enger, es ist fordernder, es ist wahrscheinlich auch anstrengender. Aber ich finde, das lohnt sich!"
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