Mit Risikofreude in den Bundestag

    Von Claudia Altmann · 19.09.2013
    Als der promovierte Musikwissenschaftler Thomas Feist vor vier Jahren gegen den prominenten SPD-Politiker Wolfgang Tiefensee antrat, galt seine Kandidatur als aussichtslos. Doch Feist gelang die Überraschung - trotz eines Low-Budget-Wahlkampfes.
    Ganz in der Nähe vom Leipziger Hauptbahnhof, in der Brühl-Arkade, ist das Wahlkreisbüro von Thomas Feist. Auf einem Werbeaufsteller vor der großen Glasfront steht das Motto des CDU-Politikers: Für Leipzig aktiv im Bundestag.

    In dem kleinen Raum sitzen links zwei Mitarbeiter an ihren Schreibtischen. Blickfang an der Wand ist ein großes Porträtgemälde von Kanzlerin Merkel. Geradezu ist Feist ins Gespräch mit einem älteren Herrn vertieft. Es ist Bürgersprechstunde.

    Thomas Feist im Gespräch:

    "Wenn wir eine größere Stadt wären - wir sind ja nur so eine Provinzmetropole - dann würde das auch so gehen, wie beispielsweise in Berlin, dass Taxis oder auch Fahrgemeinschaften zu bestimmten Zeiten die Busspur benutzen dürfen. Das finde ich eine sehr sinnvolle Sache. Ich fahre immer mit der Straßenbahn …"

    Feist nimmt sich Zeit. Die Leute kommen mit allem, was sie so umtreibt, sagt er.

    Feist: "So, ich habe jetzt den nächsten Klienten. Konnte ich Ihnen etwas weiterhelfen?"
    Bürger: "Na ja. Eh. Na ja."
    Feist: "Na ja ist nicht nein."
    Bürger: "Ja. Sie können mich ja mal auf dem Laufenden halten."

    Als der promovierte Musikwissenschaftler vor vier Jahren hier zum ersten Mal antrat, galt seine Kandidatur als aussichtslos.

    "Das ist sowieso nicht zu gewinnen"
    Feist: "Der eigentliche Gegenkandidat, vor dem alle gezittert haben und deswegen auch der Feist gefragt wurde, ob er das nicht machen würde, war der Wolfgang Tiefensee. Hier lange Oberbürgermeister der Stadt, damals amtierender Bundesminister. Sagen wir mal so, die erfahrenen Parteifreunde haben gesagt: Das ist sowieso nicht zu gewinnen, das muss man nicht tun.

    Das ist mir damals so auch vom Parteivorsitzenden gesagt worden: Also, wir bräuchten da jemanden, aber zu gewinnen ist das nicht. Und da habe ich gesagt, wenn man das nicht gewinnen kann, dann fang ich an. Das hat mich schon immer gereizt, Sachen, wo man sagt: Das wird sowieso nischt."

    Feist holte tatsächlich 8260 Stimmen mehr als der prominente SPD-Kandidat und wurde mit 28,8 Prozent Erster. Und das trotz eines Low-Budget-Wahlkampfes. Neben Postkarten großen Flyern und mit Toffee-Pralinen beklebten Visitenkarten hatte der sportliche mittelgroße Mann auf seine Risikofreude und Lebenserfahrung gesetzt.

    Als Heizungsmonteur hat er gelernt, zuzupacken. Nach der Wende zog er ein Studium durch und schrieb seine Dissertation über christliche Popmusik. 15 Jahre arbeitete er für die evangelische Landeskirche Sachsen als Kulturreferent und organisierte internationale Jugendbegegnungen.

    Mit Respekt und Neugier ins Parlament
    Der Bundestag war dann aber schon eine andere Nummer. Es sei eine Mischung aus Respekt und Neugier gewesen, erinnert er sich heute. Vor allem musste er sich an den neuen Status gewöhnen.

    Feist: "Für mich war eine prägende Erinnerung, als ich durch eine Tür gelaufen bin, wo drauf stand: Nur für Abgeordnete. Da hab‘ ich ganz kurz überlegt, ob ich da wirklich rein soll. Kulturschock war’s für mich auch insofern, als ich 15 Jahre vorher mein eigener Projektmanager, Sachbearbeiter, Buchhalter und Controller war und nun plötzlich es mit mehreren Teams zu tun hatte und Verantwortung abgeben musste. Das hat auch eine ganze Weile gedauert, muss ich sagen."

    Der Kultur ist er treu geblieben als Mitglied im Ausschuss für Bildung und Forschung und im Unterausschuss Auswärtige Kultur- und Bildungspolitik.

    Feist: "Stärken erkennen von jungen Leuten, Kompetenzen erkennen. Und das macht kulturelle Bildung. Und das war ein wichtiges Thema. Das hab ich wie eine Monstranz hier vor mir hergetragen. Und hab’s ‘n zwei Jahren dann auch geschafft, dass wir im Bildungsministerium dazu ein Programm verabschiedet haben, wo wir im Bildungsbereich über fünf Jahre 230 Millionen Euro ausgeben für den Bereich kulturelle Bildung in Ganztagsschulen."

    Wahlkampf auch in den sozialen Medien
    Was ihm auch wichtig ist: Die hiesigen Erfahrungen mit dualer Bildung in Ländern mit hoher Jugendarbeitslosigkeit bekannt und anwendbar zu machen. Und in Leipzig?

    Feist: "Also in meinem Wahlkreis sind viele Sachen, die ich bewegt habe, auf die ich auch Stolz bin. Ganz konkret habe ich mich eingesetzt für Denkmale, kulturgeschichtlich bedeutsame Denkmale, für Kirchen, dass ich mich dafür eingesetzt habe, dass die Fördermittel bekommen.

    Ich hab‘ viel gemacht auch für die Wissenschaftslandschaft, einfach ermutigt auch zu sagen: Ihr seid ‘ne gute Uni und da müsste auch mehr aus der Kiste kommen."

    Seine Erfolge haben ihn motiviert, sich erneut in den Wahlkampf zu stürzen. Den führt er diesmal auch auf Facebook, Twitter und mit eigener Homepage. Dort verspricht er, sich für mehr Bildungsgerechtigkeit einzusetzen. Er wolle, dass Leipzig von einem Leipziger im Bundestag vertreten wird. Dort hat er zwar keinen Stamm- aber einen Lieblingsplatz.

    Feist: "... wenn ich als Schriftführer rechts oder links neben dem Präsidenten sitze. Das ist natürlich ein wesentlich besserer Platz, weil man den Raum dann im Blick hat und die Kollegen, was die so machen, und die Besucher, wie die darauf reagieren. Das ist wirklich sehr schön."


    Links:
    Homepage von Thomas Feist
    Thomas Feist auf Facebook und auf Twitter
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