Medizinische Hilfe

Radiologie im Schiffscontainer

Eine Behandlungseinheit im Nationalen Zentrum für Strahlenforschung am Universitätsklinikum Carl Gustav Carus in Dresden
An deutschen Kliniken, wie etwa in Dresden, profitieren viele Patienten von modernen Errungenschaften der Strahlenforschung © picture alliance / dpa
Von Thomas Gith · 16.10.2014
Die Radiologie ermittelt Knochenbrüche, macht Tumore sichtbar und weist Nierensteine nach. In vielen Ländern fehlen entsprechende Praxen, mobile Radiologiestationen im Schiffscontainer könnten helfen. Potsdamer Wissenschaftler haben einen Prototypen entwickelt.
Ortsbesuch am Ernst von Bergmann Klinikum in Potsdam. Neben einem Hochhaus, in dem die Patienten versorgt werden, steht ein heller und kleiner Flachbau. Mit seinen metallenen Außenwänden sieht er stabil aber auch ein wenig provisorisch aus. Kein Wunder: Schließlich befinden sich hinter der Fassade 14 zusammengeschobene Schiffscontainer, erzählt André Glardon von der Medneo GmbH.
"Die kommen tatsächlich als ISO-Schiffscontainer dann hier vor Ort an. Man muss sich das vorstellen, das wie mit so einem übergroßen Dosenöffner die einzelnen Dosen dann aufgeschnitten werden an vorab markierten Stellen und dann werden diese Container zusammen geschoben und der letzte Innenausbau noch gemacht und dann kann es mit der Radiologie auch direkt schon losgehen."
14 Schiffscontainer zu einem homogenen Bau verschachtelt
Von den Schiffscontainern ist im Gebäude selbst nichts mehr zu spüren: Die Besucher erwarten helle Wände und ein großzügiger Empfangsbereich. Von hier führt ein Flur in den Radiologietrakt weiter: Mit Räumen für den Computertomographen und die Magnetresonanztomographie. Insgesamt 14 Schiffscontainer sind dabei geschickt zu einem homogenen Bau verschachtelt, in denen heute reges Treiben herrscht.
"Die sicherlich kleinste Konfiguration ist mit einem Computertomographen. Dass sind dann rund 8 Schiffscontainer, die man benötigt. Da ja nicht nur das Ct selbst der Inhalt ist, sondern auch noch Toilettentrakte, Empfangsbereich, Wartebereich und Arzträume auch mit dazu gehören."
Die Idee: Die Container lassen sich samt Geräten problemlos verschiffen. LKW können sie zum Endziel fahren, Arbeiter sie vor Ort zur Radiologiepraxis zusammenbauen. Länder wie Nigeria, Angola oder auch Libyen sind interessiert. Dass die mobile Radiologiepraxis funktioniert, zeigt sich im Potsdamer Prototypen.
"Bitte einatmen und die Luft anhalten!"
"Weiteratmen!"
Vom Arbeitsbereich blicken die Ärzte durch eine Glasscheibe in einen dahinter liegenden, geschlossenen Raum – einen gut verkleideten Schiffscontainer also. In ihm steht ein Computertomograph. Durch das Gerät, das aussieht wie ein riesen Donut, wird gerade ein Mann geschoben, der auf einer Liege ruht. Ärztin Mechthild Bode-Hofmann.
"Der Patient hat Steine in der Niere, kleinste Verkalkungen und er hat Beschwerden. Wir schauen uns an, wo liegen die Steine, liegen die Steine nur in den Nieren oder auch in den ableitenden Wegen, also in den Verbindungen zwischen Niere und Harnblase, verstopfen sie die Gänge."
Das CT-Gerät röntgt den Mann. Kurz darauf sind auf dem Computermonitor der Ärztin die Bilder vom Bauch des Patienten zu sehen. Die Organe lassen sich darauf erkennen, genauso wie das Becken – und die gesuchten Details.
"Das Bild ist ein Querschnitt durch den Oberbauch. Und wir sehen im Anschnitt die beiden Nieren und im Nierenbecken auf der linken Seite sind zwei Nierensteine zu erkennen. Dann sieht man eine kleine Nierenzyste auf der anderen Seite, die ist hier gelegen. Zysten sind kleine Wassersäckchen."
Eine Delegation aus Nigeria war schon zu Besuch in Potsdam
In der Radiologiepraxis in Potsdam arbeitet die Ärztin direkt mit dem Patienten zusammen: Sie führt das Erstgespräch, diagnostiziert seine Erkrankung anhand der Röntgenbilder. Allerdings: Untersuchung und Diagnostik müssen nicht am selben Ort und durch den gleichen Arzt erfolgen. Denn die Röntgenbilder lassen sich per Internet weltweit verschicken, sagt André Glardon.
"Das Spannenden ist jetzt ja, genau das, was wir jetzt hier vor Ort sehen, das würde zukünftig genau mit solchen Radiologiezentren eben in Afrika auch passieren. Das dort die Bilder dann erstellt werden. Und dann zum Beispiel auch von Frau Dr. Bode, hier am Klinikum Ernst von Bergmann, aber befundet werden können."
In Afrika müssten dann lediglich Ärzte sein, die das Erstgespräch führen und die den Computertomographen bedienen. Über Satelliten-Antennen, die auf dem Dach des mobilen Röntgenlabors angebracht sind, lassen sich die digitalen Röntgenbilder verschicken - zu Radiologen nach Deutschland etwa.
In Potsdam erforschen die Entwickler außerdem, wie sich die Computertomographen aus der Ferne bedienen lassen: Der Arzt in Deutschland könnte das Gerät in Afrika dann fernsteuern – ebenfalls per Satellitentechnik. Der Bedarf ist dar, meint André Glardon von Medneo. Denn gut ausgebildetes Personal ist in vielen Entwicklungsländern rar.
"Wir sind drei Gründer, die das Unternehmen aufgebaut haben, und wir kommen ursprünglich alle aus der Medizintechnikindustrie. Und dort haben wir eben jahrelang beobachtet, was für Probleme gerade in so Schwellen- und Entwicklungsländern vorherrschen und das dort vor Ort die Lösung nicht ist, dass man dort einfach ein technisches Gerät hinliefert, sondern das da deutlich mehr von Nöten ist. Und dazu gehören eben Themen wie, wie kann man die Befundung von der Ferne aus mit unterstützen."
Unterversorgten Regionen in Afrika könnte die mobile Radiologiepraxis helfen: Die diagnostischen Befunde würden dann etwa aus Deutschland zurückgeschickt, die Patienten vor Ort behandelt. Interessenten gibt es: Eine Delegation aus Nigeria hat sich den Prototypen in Potsdam bereits angesehen.