"Mary Rose Museum" öffnet seine Tore

Von Jochen Spengler · 30.05.2013
Im historischen Hafen von Portsmouth, an der Südküste Englands, öffnet am 31. Mai das "Mary Rose Museum" seine Tore. Es zeigt das in einer Schlacht gesunkene Kriegsschiff von Heinrich VIII. und rund 19.000 geborgene Gegenstände - die die Geschichtsschreibung verändern könnten.
Das Museum steht direkt neben der HMS Victory, dem ältesten im britischen Marinedienst befindliche Schiff, auf der Lord Nelson während der Schlacht bei Trafalgar tödlich verwundet wurde. In ihm wird das Schlachtschiff Heinrichs VIII. die "Mary Rose". Das damalige Flaggschiff sank vor fast 500 Jahren, wurde erst 1971 entdeckt, 1982 gehoben und seit 30 Jahren konserviert. Historiker bezeichnen die Mary Rose wird wegen der hervorragend erhaltenen Zeitzeugnisse als "Großbritanniens Pompeji".

John Lipiett, der Geschäftsführer der "Mary Rose" Stiftung, schwärmt über das gleichnamige Museum:

"Es ist, der weltweit beste Einblick in das Leben, wie es vor 500 Jahren war."
Äußerlich ähnelt das bauchige Oval aus dunklen Holzplanken einem Walfisch. Darin: ein historisches Schiffswrack, wieder vereint mit Crew und Ausrüstung.
Vater der Royal Navy
Die "Mary Rose" war das Lieblingskriegsschiff Heinrichs des VIII. 1511 war es fertig. Ein Riesending mit vier Decks und burgähnlichen Aufbauten, für das 600 mächtige Eichen und 16 Hektar Wald gefällt wurden. Dieses Schiff ist das erste der Königsflotte und damit tatsächlich der Vater der Royal Navy, wie wir sie heute haben.

34 Jahre dient die "Mary Rose" dem König als Flaggschiff in zwei Kriegen gegen Frankreich. Im dritten Krieg verteidigt sie am 19. Juli 1545 die Meerenge Solent vor Portsmouth, kippt plötzlich zur Steuerbordseite und sinkt aus bis heute ungeklärten Gründen in nur 20 Minuten – vor den Augen des Königs.

"Er schaute von der Festung Southsea aus zu und stöhnte: 'Meine ritterlichen Männer – ertrinken wie die Ratten.'"

Bis zu 700 Seeleute finden den Tod, nur 35 überleben. Erst 426 Jahre später, 1971, findet man nach jahrelanger Suche im Meeresschlamm vor der Isle of Wright das Wrack. Genau genommen, nur die Steuerbordseite, die im Meeresboden steckte. Die Backbordhälfte ist im Wasser verrottet.

"Zwischen 71 und 82 wurde die Bergung zur bis heute weltweit größten maritimen Ausgrabung. Es ist das Äquivalent zu Pompeji; man konnte 19.000 vom Schlamm konservierte Gegenstände aus dem Inneren des Schiffes retten, ehe man 1982 das Schiff selbst hob und es ins Trockendock neben die HMS Victory schaffte."

Ein aufwändiger Konservierungsprozess beginnt - wissenschaftliches Neuland. 12 Jahre lang wird die Schiffshälfte gegen Bakterien und Mikroben mit 2 Grad kaltem Wasser bespritzt, erläutert Professor Mark Jones, der leitende Konservator.
"Das Schiff wurde anschließend weitere 19 Jahre lang mit einer Wasser-Wachs-Mischung besprüht. Die Idee war, das Wasser im Holz durch das Wachs zu ersetzen und dann das Holz kontrolliert zu trocknen."
Diese Trocknung mit heißer Luft beginnt erst jetzt und wird rund fünf Jahre dauern. Deswegen auch steckt die Mary Rose innerhalb des Museums noch in einer geschlossenen Heißluft-Box.

"So we are Coming from the stern …"

Tudor-Epoche erwacht zum Leben
Auf der mittleren von drei Etagen betritt der Besucher das dunkle Museum. Man hört Wellen und das ächzende Schiff. Der Besucher wird vom Heck an der gesamten Schiffslänge von fast 40 Metern entlang geführt. Durch die Fenster der Heißluftbox sieht er auf der rechten Seite die vielfach abgestützte offene und 12 Meter hohe Wrackhälfte. Links vom Gang finden sich hinter Glas jene Exponate, die man auf dem korrespondierenden Schiffsdeck genau gegenüber gefunden hat: Bronzekanonen, Kugeln, Kajüten, Schiffsseile oder Ziegelsteinöfen. Die Galerien an den Enden der drei Etagengänge sind der Crew gewidmet und ihren Habseligkeiten.
"Wenn ich Ihnen den Tischler vorstellen dar: An seiner Kajüte sind wir gerade vorbeigekommen. Das ist die Truhe daraus. Und hier haben wir ringsum ausgebreitet, was in der Truhe war: ein Messer, eine Taschen-Sonnenuhr, ein Gebetsbuch und ein Beutel."

Zu sehen sind Exponate, die die Geschichtsschreibung ändern. Kompasse, die man erst viel später vermutet hatte, Langbögen, die doppelt soviel Kraft erforderten wie bislang angenommen.

"Musikinstrumente, Fideln, eine Tischtrommel, Flöten oder hier die Doucaine, Vorläufer einer Klarinette, davon existiert nur diese eine."
Natürlich ist das moderne Museum multimedial als Mitmach-Gebäude gestaltet; Videofilme, Audios und Touchscreens lassen die Tudor-Zeit lebendig werden. Auch weil man mit Hilfe der Forensik aus 179 gefundenen Skeletten die Gesichter von neun Crew-Mitgliedern rekonstruiert hat: vom Tischler, über den Schiffskoch, bis zum Bogenschützen. Man sei auf alle Fragen vorbereitet, verspricht Alex Hildred, die selbst an vielen der 8.000 Tauchgänge teilgenommen hat.