Malawi zwischen Dürre und Flut

Hunger im Land der Wetterextreme

Menschen erhalten am 15.3.2016 an einem Verteilungspunkt des UN World Food Programme nordwestlich von Lilongwe, Malawi, Lebensmittelhilfe.
Menschen erhalten an einem Verteilungspunkt des UN World Food Programme in Malawi Lebensmittelhilfe. © picture alliance / dpa / Unicef / Chipiliro Khonje
Von Jan-Philipp Schlüter · 27.06.2016
Im April hat die Regierung wegen der Hungerkrise den Notstand ausgerufen. Offiziellen Angaben zufolge sind derzeit mehr als acht Millionen Menschen in Malawi von Lebensmittelhilfe abhängig. Diszipliniert stehen sie in der brennenden Sonne Schlange.
Sorgfältig, damit auch nichts danebengeht, kippt die Helferin getrocknete Erbsen aus einem großen Sack in einen blauen Plastikeimer. Genau sechs Kilogramm. Dazu gibt es einen Sack Maismehl, Speiseöl und mit Vitaminen angereichertes Sojamehl. Eine Monatsration für die Familie von Fanny Kalumpha:
"Ohne die Hilfe hätten wir zu Hause nichts zu Essen. Letztes Jahr hat das Hochwasser meine Ernte zerstört. Ich habe das Feld neu bepflanzt, aber durch die Dürre wächst der Mais nicht richtig. Ich fürchte, wir werden auch dieses Jahr kaum etwas ernten können."

Das Grün ist zu schüchtern

Auf den ersten Blick erstaunt es ein wenig, dass die Ernte so karg ist. Wenn man durch den Süden Malawis fährt, über die sanft gewellten Hügel Phalombes, das Hochplateau von Zomba, entlang am Lake Malawi – dann fährt man meist durch eine saftig grüne Landschaft. Aber der zweite Blick zeigt: Es ist eher ein schüchternes grün, dass sich wie ein Flaum über die Landschaft legt. Ein paar Schauer haben Blätter und Gras sprießen lassen. Aber für die Landwirtschaft war der Regen alles andere als ausreichend.
Trotz der verzweifelten Lage: Die Stimmung bei der Lebensmittelverteilung im Dorf Nambazo ist relativ heiter. Bevor es losgeht, gibt es noch ein kurzes Schauspiel, das die Hilfsorganisationen mit einigen Dorfbewohnern eingeübt haben, sagt Projektleiter Hastings Lacha.
"Wir bringen so unsere Botschaften an die Menschen. Zu gesunder Ernährung, zu Hygiene, Wassersauberkeit – alles was die Leute hier so wissen sollten."
Mit viel Gebrüll und Gelächter zeigen die Laiendarsteller, wie man eben nicht mit Lebensmitteln umgehen soll. Zum Beispiel, indem man sie verkauft oder alles dem unzuverlässigen Ehemann überlässt. Außerdem gibt es Ratschläge zum friedlichen Umgang miteinander. Am Ende fragen die Darsteller ihr Publikum ab – das antwortet mit großem Enthusiasmus.

Lebensmittelhilfe für die Ärmsten der Armen

600 Familien bekommen heute hier ihre Notration. Diszipliniert stehen sie in der brennenden Sonne Schlange. Stundenlang. Es sind junge Menschen und alte, Männer und Frauen, solche die mit ihrer Ration mehrere Generationen ernähren müssen und andere, deren Familie für afrikanische Verhältnisse mit drei Kindern eher klein ist. Nur die Ärmsten der Armen im ohnehin bitterarmen Malawi bekommen die Lebensmittelhilfe.
Nambazo liegt im Distrikt Phalombe im Südosten Malawis. Die Menschen hier haben besonders mit den extremen Wetterbedingungen zu kämpfen, sagt Kandiado Ronnex von der Distriktverwaltung:
"Wir leiden unter allen möglichen Wetterkatastrophen. Sei es das Hochwasser wie im Januar letzten Jahres, sei es die Dürre wie jetzt. Die Menschen hier leben von dem, was sie anbauen. Aber mit dem Klimawandel und El Niño wird das zunehmend schwierig. Die Regierung tut, was sie kann. Zum Beispiel hat sie einen Teil ihrer strategischen Maisreserven zur Verteilung freigegeben und Mais aus dem Ausland importiert. Aber ohne internationale Hilfe würden wir nicht überleben können."
Die Grundschule von Kakhande, einem kleinen Dorf am Rand des Malawisees. Das Hauptgebäude ist ein recht neuer, grauer flacher Backsteinbau. Das silberne Wellblechdach gleißt im Sonnenlicht. Zwei Holztüren führen in die beiden Klassenzimmer. Die Fenster hat man sich gespart – stattdessen einfach quadratische Aussparungen. Viel einfacher kann man eine Schule nicht bauen.

Unterricht im Freien ohne Bücher

Weil für die gut 210 Schüler zu wenig Platz ist, sitzen die Erstklässler draußen unter einem Baum. Schulbücher gibt es nicht, alles wird an der grünen Holztafel erklärt.
Auf den ersten Blick eine ganz normale malawische Dorfschule. Das besondere erkennt man hinter dem Hauptgebäude: Zwei Frauen schnippeln da auf dem Boden sitzend Tomaten, rühren in großen Töpfen Reis an und schneiden Avocados klein. In der Grundschule von Kakhande bekommen die Kinder jeden Tag kostenlos ein gesundes und nahrhaftes Essen, damit sie nicht mit knurrendem Magen lernen müssen, erzählt Phillip Pemba vom UN-Welternährungsprogramm:
"In diesem Dorf herrscht Lebensmittelknappheit. Manche Kinder gehen wegen des Hungers gar nicht erst zur Schule. Wenn sie aber mit leerem Magen in die Schule gehen, dann können sie sich nicht richtig konzentrieren. Das sorgt unter anderem für eine hohe Quote an Schulabbrechern. Wenn wir aber in der Schule Essen anbieten, dann kommen die Kinder regelmäßig. Sie können besser lernen, haben bessere Noten und können so auf eine weiterführende Schule gehen."
Das ist letztlich nicht nur für die Kinder und ihre Familien wichtig, sondern für ganz Malawi. Denn schlecht ausgebildete, unterernährte Kinder werden später selten zu produktiven Stützen der Gesellschaft.
Unter dem wachsamen Blick einer der Köchinnen waschen sich die Kinder sorgfältig ihre Hände. Dann bekommen sie vor der Küche einen bunten Plastikteller mit frischem, duftendem Essen.
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