Magere Bilanz

Von Sven Ricklefs · 28.08.2012
Mit "Hamlet Cantabile" hat der neue Schauspielchef der Salzburger Festspiele, Sven Eric Bechtolf, den Schlusspunkt unter sein erstes Young Directors Project gesetzt. Die Bilanz: Allenfalls die exotischen Gäste konnten für ein wenig Interesse sorgen, der Rest aber enttäuschte.
Singbar, liedhaft heißt "Cantabile" und natürlich ist dieser "Hamlet.Cantabile" der Performancegruppe Tuida aus Südkorea vor allem auch ein Musik- und ein gesungenes Stück, im bunten Stilmix von traditioneller koreanischer Musik und fast seichtem Musicalsound, wie auch das Stück selbst als eine Art Stilmix daherkommt, aus Schauspiel und Puppenspiel, aus Tragödie und Burleske, Shakespeare und Schamanen.

"Hamlet Cantabile" - die letzte Produktion beim diesjährigen Young Directors Project, das ist "HamletRevisited" von fünf Figuren im blaubehosten Einheitslook. Fünf Geisterbeschwörer, fünf Totengräber oder Clowns sind das mit weiß geschminkten Gesichtern. Sie finden bei ihrer Friedhofsarbeit den Schädel ausgerechnet von eben diesem Hamlet und finden sein kleines Tagebuch gleich obendrein.

Und nun erzählen sie seine Geschichte, mal frech und durchaus kritisch kommentiert, mal gespielt, und das mit diesen mal klein-, mal großköpfigen Puppen, deren Körper nur aus Tüchern bestehen, so dass ihre Hälse sich in Neugierde lang ziehen können, oder sie ohne Not durch die Luft flattern. Hoch expressiv und exaltiert.

Aufgespannt zwischen traditionellem koreanischen Maskentanz und Brecht’schem Verfremdungseffekt erzählt die Gruppe Tuida ihren "Hamlet". Und auch, wenn man nicht wirklich etwas Neues erfährt vom berühmten Dänenprinzen, so weht die bekannte Geschichte trotzdem aus einer fernen Welt auf so fremde Art über die Bühne, dass man sich diesmal gern einem fast kindlichen Staunen hingibt und den Mehrwert aus dem Genuss der asiatischen Bühnenpoesie zieht, mit der dieses Theater auf ungesehene Weise einen europäischen Bühnenmythos erzählt.

Mit Hamlet Cantabile setzte der neue Schauspielchef der Salzburger Festspiele Sven Eric Bechtolf gestern Abend den Schlusspunkt unter sein erstes Young Directors Project, zugleich ließ er die koreanische Gruppe schon außer Konkurrenz laufen, als eine Art special-guest also.

Mit seiner Devise, ich entscheide, was in Salzburg zu sehen ist und ich entscheide, das aus meinem Bauch heraus, war dies nicht die einzige Produktion im diesjährigen Schauspielprogramm, die mit einem - freundlich ausgedrückt - naiven Zugriff auf die Welt, die Literatur und die Kunstform Theater gelinde gesagt in Erstaunen versetzte. Denn gleich zweimal waren bereits nette Marionettenproduktionen im Schauspielprogramm zu Gast und zweimal erfreute die Tochter von Peter Brook: Irina Brook mit ihrem sehr schlichtgemütigen Zugriff auf Ibsens Peer Gynt und Shakespeares Sturm - wenn überhaupt dann das Kind im Zuschauer.

Und auch das sonst im Young Directors Project Gezeigte konnte größtenteils wenig überzeugen. Das galt im besonderen Maße ausgerechnet für jene Produktion, die bereits in der letzten Woche mit dem mit 10.000 Euro dotierten Young-Directors-Project Award ausgezeichnet wurde. Eine allenfalls als Verlegenheitslösung zu verstehende Entscheidung, denn die französische Regisseurin und Performerin Giselle Vienne nahm in Salzburg weder das Publikum noch die Feuilletons für sich ein und musste sich für ihre beiden in Salzburg gezeigten Performances "Eternelle Idole" und "This is how you will dissappear" harsche Kritik anhören.

Es raunt sehr viel und wabert noch mehr in diesen als eine Art Gesamtkunstwerk daherkommenden Performances von Giselle Vienne, es wabert: viel Sound, noch mehr Nebel und vor allem tiefere Bedeutung.

Da vergreift sich die in beiden Produktionen herumtreibende Trainerfigur in "Eternelle Idole" in einer realen Eislaufhalle am Eislaufgirl, und in "This is how you will dissappear" im naturnah nachgestellten Waldidyll am magersüchtigen Rockstar und an einer hart trainierenden Bodenturnerin. Das war wohl von Giselle Vienne als Jungmädchenalptraum gedacht, erschöpfte sich aber schnell in einzig behaupteter Bildkraft.

Nicht einmal bildkräftig, sondern in ihrem naturalistisch-biographischen Zugriff schlichtweg bieder, zeigte sich die Uraufführung von Cornelia Rainer unter dem Titel Jakob Michael Reinhold Lenz, die als suppenlöffelnde und gebetsträchtige Milieustudie wirklich ihres gleichen sucht.

Bleibt als Lichtblick des diesjährigen Young Directors Projects einzig noch die erste Produktion: ebenfalls ein Auftragswerk, das Stück "Trapped" der jungen Südafrikanerin Princess Zinzi Mholongo, die in einer vor allem ästhetisch interessanten Mischung aus Performance, Show, Tanztheater und kurzen Theaterszenen ihre Phantasien zu Gefangensein und Freiheit auf die Bühne brachte. Und so muss sich Sven Eric Bechtolf die Kritik gefallen lassen, dass beim Young Directors Project seiner ersten Salzburger Schauspielsaison allenfalls die exotischen Gäste für ein wenig Interesse sorgen konnten, der Rest aber herbe enttäuschte.

Weitere Informationen auf dradio.de:

- Putziges Bildertheater und viel "Wald" - Eine Bilanz der Salzburger Festspiele 2012
- Höhen und Tiefen an der Salzach - Ein Blick auf die ersten Festspiele unter der Leitung von Alexander Pereira
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