Live-Stream über Erschießung in Minnesota

"Was wir filmen, distanzieren wir von uns"

Ein Mensch filmt ein Feuer mit einem Smartphone.
Wer etwas filmt, kann das auch als Mittel nutzen, um sich vom Geschehen zu distanzieren, meint Dieter Kammerer von der Universität Marburg. © dpa/ picture-alliance/ Benjamin Beytekin
Dietmar Kammerer im Gespräch mit Timo Grampes · 08.07.2016
Als diese Woche ein Schwarzer bei einer Autokontrolle in den USA erschossen wurde, hat seine Freundin den Tod gefilmt und live gestreamt. Der Medienwissenschaftler Dietmar Kammerer beurteilt das als Schutzmechanismus − und analysiert die Rolle der Smartphones als Mittel der Verteidigung von Bürgerrechten.
Die Handykamera zücken und ein Live-Video über Facebook streamen, während der eigene Freund neben einem verblutet und ein hysterischer Polizist mit gezückter Waffe neben dem Auto steht? So geschehen am Mittwoch in Falcon Heights in Minnesota, als ein Polizist einen Afroamerikaner bei einer Fahrzeugkontrolle so schwer durch mehrere Schüsse verletzte, dass dieser später im Krankenhaus starb.
"Wir staunen darüber, dass die junge Frau, wie vielleicht kaltblütig das ist, dass sie das filmt", sagt der Medienwissenschaftler Dietmar Kammerer von der Universität Marburg. Dieses Handeln entspreche aber auch einem Schutzmechanismus: "Was wir filmen, distanzieren wir von uns."

Smartphones als Mittel der Gegenüberwachung

Die Situation verweist Kammerer zufolge aber auch auf die ambivalente Rolle von Smartphones: Smartphones sind natürlich aus Sicht der Geheimdienste Mittel der Überwachung, das sind deren verlängerte Arme. Andererseits – und das belegt nicht nur der Fall in Minnesota – sind die Smartphones dank ihrer Vernetzungsmöglichkeiten und dank ihrer Aufnahmemöglichkeiten natürlich auch ein Mittel der Gegenüberwachung und der Verteidigung von Bürgerrechten."
Dadurch werde das Machtgefälle zwischen Bürger und Staat zwar nicht komplett, aber doch zu einem gewissen Teil ausgeglichen, so der Marburger Medienwissenschaftler.
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