Liebe, Träume und Trennung in zwei Generationen

Von Wolfgang Martin Hamdorf · 23.08.2010
Auf dem Filmkunstfestival in Schwerin gewann "Die Liebe der Kinder" von Franz Müller mit dem "Fliegenden Ochsen" den ersten Preis. Der Film, in dem es um das Liebesdrama zweier Generationen geht, startet am 26. August.
Zwei Autos fahren auf eine Autobahnraststätte zu. Der Mann und die Frau kennen sich nur aus dem Internet, jetzt treffen sie sich zum ersten Mal:

Robert: "Du bist genauso, wie, äh, genauso wie ich mir, wie ich dich mir, vorge..., wie ich dich mir vorgestellt hatte, wie du bist, du bist halt so... " Maren: "Und das soll ich dir glauben? Machst du das öfter?"
Robert: "Was?"
Maren: "Na so Verabredungen mit jemand, den du im Internet kennen gelernt hast."
Robert: "Ne, ich hab dir doch gesagt, das war das erste Mal, ich hab dir das doch geschrieben."
Maren: "Stimmt."

Ein Mann und eine Frau aus unterschiedlichen Welten: Maren ist Bibliothekarin und schreibt an einem Buch, Robert ist Baumschneider, hat eine eigene Firma. Für Regisseur Franz Müller steht am Anfang seiner Liebesgeschichte der Klassengegensatz:

"Die Frau in der Geschichte kommt eigentlich aus der bildungsbürgerlichen Schicht, allerdings schon fast so ein bisschen verarmt, also im Prekariat mittlerweile angelangt, während der Mann eigentlich aus einer kleinbürgerlichen Ecke kommt, aber dafür über finanzielle Mittel verfügt.

Das wiederum ist relativ modern würde ich mal sagen, das gibt es häufig, ich kenn viele dieser Fälle, aber letztendlich hat diese Klassengeschichte ja auch damit zu tun, dass ich in so einer Familie aufgewachsen bin und auch selbst eine Beziehung hatte, wo mir auch hinterher erst klar wurde, wieso es eigentlich so selten ist, dass es Liebespaare gibt, die aus ganz unterschiedlichen sozialen Klassen kommen."

Eigentlich passen Robert und Maren nicht zusammen, aber sie beginnen ein gemeinsames Leben. Beide haben einen Sohn bzw. eine Tochter im Teenager-Alter - und bald entwickelt sich eine Beziehung zwischen den Kindern des Paares. Im Gegensatz zu Maren und Robert dulden die Kinder in ihrer Liebe keine Widersprüche und möchten ein radikal neues Leben beginnen, wie sie den verblüfften Eltern mitteilen:

Tim: "Wir werden heiraten. Und wir gehen ins Ausland."
Robert: "Wohin?"
Tim: "In die Ukraine."
Mira: "In der Nähe von Odessa."
Robert: "Odessa. Und wovon wollt ihr leben?"
Tim: "Ich werde arbeiten gehen."
Robert: "Arbeiten? Ja die warten ja nur auf Euch. Gibt’s ja Arbeit en masse."

Die Unerbittlichkeit der Liebe der Kinder bringt Maren immer mehr ins Zweifeln, was ihre eigene Beziehung zu Robert betrifft. All das erzählt der Film leise, undramatisch und trotzdem ergreifend. Regisseur Franz Müller ist einer der Protagonisten der so genannten "Berliner Schule", dem neuen deutschen Autorenfilm, der einen distanzierteren, fast kühlen Blick auf die Realität sucht.

Dabei ist Die Liebe der Kinder sehr unterhaltsam und - im Gegensatz zu vielen anderen Liebesfilmen - wenig vorhersehbar. Die Musik erinnert an das französische Autorenkino der 60er Jahre. Die Leichtigkeit des Films, sein natürliches Spiel kommt durch seine vier Hauptdarsteller, die beiden Nachwuchsschauspieler Katherina Derr als Mira, Tim Hoffmann als Daniel und ganz besonders durch das ausdrucksstarke Schweigen von Marie-Lou Sellem als Maren.

Der Darsteller des Robert kommt aus Barcelona: Alex Brendemühl ist in Deutschland unbekannt, den spanischen Kritikern gilt er als einer der interessantesten Charakterdarsteller des spanische Autorenfilms. Sohn eines deutschen Vaters und einer spanischen Mutter 1972 in Barcelona geboren hat er ganz unterschiedliche Rollen gespielt, vom einsamen Frauenmörder bis zum verlorenen Sohn einer spanischen Großbürgerfamilie. "Die Liebe der Kinder" ist seine erste Arbeit in Deutschland. Eine Rolle, sagt Brendemühl, nimmt er an, wenn ihm das Filmprojekt insgesamt interessant erscheint, Fernsehserien und Telenovelas interessieren ihn nicht:

"Ich bin stolz darauf, dass ich irgendwie immer versucht habe von mir selbst und von meiner Weltanschauung das beste in die Rollen reinzulegen, in die Figuren zu versetzen und mich auch so zu engagieren, dass ich mich in moralischen und ethischen Sinne identifiziere was ausgesprochen wird im Film."

Liebe, Träume und am Ende die Trennung, der alte Kreislauf. Am Ende stehen zwei Paare vor dem Scherbenhaufen, scheitert sowohl der Pragmatismus der Eltern als auch der Idealismus der Kinder. Aber augenzwinkernd führt Regisseur Franz Müller Robert und Maren erneut zusammen, am Ende in der Raststätte wo sie sich das erste Mal trafen, aber die wird jetzt abgerissen. Der Pragmatismus der Eltern ist zäher als die Romatik der Jugend:

"Ja, das war mir auch sehr wichtig, also ich sympathisiere schon mehr mit der Erwachsenensicht, ich finde ab da kommt dann auch Humor ins Spiel. Das Ding war auch mal so ein bisschen als Komödie geschrieben und dann haben wir die geschnitten und ich dachte, 'um Gottes willen', mit meinem Cutter saßen wir da und dachten, ach das ist jetzt doch ganz schön hart geworden und ganz schön deprimierend und dann bei der ersten Aufführung in München bei dem Festival wurde dann unglaublich viel gelacht und ich hab mich sehr gefreut, dass das Publikum plötzlich wieder die Komödie im Film entdeckt hat, aber dass kann man nur aus einer Erwachsenenperspektive begreifen."

Die Mischung aus ernsten Momenten, existenziellen Fragen und einer immer wieder überraschenden Situationskomik macht den Film so unterhaltsam: Subtil und fast alltäglich ohne dabei spröde und trocken zu werden ist "Die Liebe der Kinder" ein ruhiger und doch so lebendiger Film über die Liebe und über die Illusionen und Desillusionen in ganz unterschiedlichen Phasen des Lebens.
Mehr zum Thema