Lebenswege

Kurz und kritisch

Rezensiert von Arlette-Louise Ndakoze · 18.04.2014
Der isländische Komiker Jón Gnarr blickt auf seine überraschende Wahl zum Bürgermeister von Reykjavik zurück. Und die US-Richterin Sonia Sotomayor beschreibt ihre Karriere am obersten amerikanischen Gerichtshof.
Nicht nur Jón Gnarr, Islands bekannter Komiker, war überrascht, als er 2010 Bürgermeister der isländischen Hauptstadt Reykjavik wurde. Es war die Idee zu einem Sketch, die seine Partei ins Leben rief. Getauft als "Beste Partei" wollte sie aufwühlen, Politik kritisieren und parodieren - und erklärte, sie könne so viel versprechen wie möglich, weil sie es gar nicht versuchen werde, sich daran zu halten.
Ein gutes Programm für eine Komödie – aber für die politische Realität? Man mag es bezweifeln. Denn dass die "Beste Partei" etwas erreicht hat, Stadtviertel neugestaltete und soziale Projekte förderte, war weniger das Verdienst der Parodie als des Ernstes, den Jón Gnarr gar nicht gerne hat. Er idealisiert den Spaß und muss erkennen, dass dieser stetig nachlässt.
Cover: "Hören Sie gut zu und wiederholen Sie" von Jón Gnarr
Cover: "Hören Sie gut zu und wiederholen Sie" von Jón Gnarr© Verlag Klett-Cotta
Seinen Werdegang schildert er weder besonders komisch noch besonders ernst. Es überrascht, dass er Homophobie nicht versteht, dafür aber die Unterdrückung der Frau durch den Mann, auch wenn er Letzteres nicht befürwortet.
Nicht selten schaut er seiner Zeit als Komiker wehmütig nach. Wohl deshalb gab er letztes Jahr bekannt, kein zweites Mal für das Amt des Bürgermeisters zu kandidieren.
Jón Gnarr: Hören Sie gut zu und wiederholen Sie. Wie ich einmal Bürgermeister wurde und die Welt veränderte.
Aus dem Isländischen von Betty Wahl
Verlag Klett-Cotta, Stuttgart 2014
175 Seiten, 14,95 Euro
In den 60er-Jahren guckt sich ein Mädchen eine Anwaltsserie im Fernsehen an und weiß: Sie will eines Tages Richterin werden. Sonia Sotomayor hat sich ihren Traum erfüllt.
In der Bronx aufgewachsen, mit einem alkoholsüchtigen Vater und einer abwesenden Mutter, glaubten die wenigsten daran, dass die New Yorkerin mit puerto-ricanischen Wurzeln einmal Richterin am Supreme Court, dem obersten amerikanischen Gerichtshof, werden würde.
Cover: "Meine geliebte Welt" von Sonia Sotomayor
Cover: "Meine geliebte Welt" von Sonia Sotomayor© C.H. Beck Verlag
Widrige Umstände, wie etwa ihr Diabetes, haben sie nicht abgeschreckt. Im Gegenteil, ihre Welt ist farbenfroh und intensiv. Mit Spannung verfolgen wir ihren Weg vom Kind zur Studentin und von dort zum ersten Richterposten. Wir schnuppern am frischen Wind, der über Puerto Ricos Meer streift, schmecken kulinarische Spezialitäten der Heimat ihrer Familie und gucken ihr bei der Arbeit als Anwältin über die Schulter.
Sie blickt rührend auf ihr Leben zurück, auf ihre Schwächen und Stärken und vor allem auf die Menschen, denen ihre Liebe gilt. Sie hinterlässt Dankbarkeit, die auf jeder Zeile zu spüren ist. Somit gelingt ihr, was sie anstrebt: nämlich denjenigen Mut zu machen, die an ihre Träume glauben und daran festhalten.
Sonia Sotomayor: Meine geliebte Welt
Aus dem Amerikanischen von Sabine Roth und Rudolf Hermstein
C.H. Beck Verlag, München 2014
349 Seiten, 19,95 Euro
Es sollte ein Buch über seine Mutter, Tamar Kollek, werden, deren soziales Engagement viel zu selten erwähnt wurde. Tatsächlich fließen seine Erinnerungen aber zu Teddy Kollek, dem fürsorglichen, wenn auch emotional distanzierten Vater und einflussreichen Bürgermeister Jerusalems, der im hohen Alter stirbt.
Cover: "Parallele Leben" von Amos Kollek
Cover: "Parallele Leben" von Amos Kollek© S. Fischer Verlag
Den meisten Raum gibt Amos Kollek seiner Karriere als Filmschaffender und Schriftsteller. Ermüdend sind die etlichen Namedroppings, die selbstverliebten Darstellungen und der nüchterne Schreibstil.
Er erzählt assoziativ, fügt immer das hinzu, was ihm gerade einfällt, springt von der Vergangenheit in die Gegenwart und behandelt selbst Schwerwiegendes nur oberflächlich. Die "persönliche Geschichte", wie es der Untertitel des Buches suggeriert, sucht der Leser vergebens.
Amos Kollek: Parallele Leben. Eine persönliche Geschichte.
Aus dem Englischen von Rita Seuß und Christa Prummer-Lehmair
S. Fischer Verlag, Frankfurt 2014
352 Seiten, 22,99 Euro