Latin Quarter: "The Imagination of Thieves"

Eingängige Melodien, eindringliche Texte

Die Band Latin Quarter
Die Band Latin Quarter © Claudia Diaz-Garcia
Von Kerstin Poppendieck · 15.09.2016
Das Konzept der britischen Band Latin Quarter war es schon immer, Pop und Politik zu verbinden. Auf dem neuen Album "The Imagination of Thieves" werden Themen wie Flüchtlingskrise, Korruption, Finanzpolitik behandelt, verpackt in unaufgeregtem Akustik-Pop.
"Popmusik war schon immer eine Art Flucht vor Krisensituationen. Und dann kommen wir und thematisieren genau diese Krisen. Nur für sehr wenige Menschen ist so etwas unterhaltsam. Wir wollen aber auch nicht einfach nur unterhalten, wir wollen Menschen dazu bringen sich Gedanken zu machen, nachzudenken. Das verkleinert dann doch dein Publikum."
Steve Jeffries hat über die Jahre gelernt, den Traum von der ganz großen Pop-Karriere abzuschreiben. Seiner Erfahrung nach haben vor allem seine Landsleute in Großbritannien keine Lust, sich mit anspruchsvollen Texten auseinanderzusetzen. Für sie müsse Musik eher leicht ins Ohr gehen, harmonisch sein - wie die Musik von Latin Quarter. Eingängige Melodien treffen hier auf eindringliche Texte.
Gerade die heutige Zeit sei da eine wichtige Inspirationsquelle für die Texte, sagt Steve Jeffries:
"Die Flüchtlingskrise, ISIS, Sparpolitik und diese Dinge. Es ist keine sehr gute Zeit, am Leben zu sein. Es ist eher eine sehr deprimierende Zeit. Aber ich glaube, in solchen Zeiten entstehen mehr Lieder als in glücklichen Zeiten. Dazu kommt, dass viele unserer heutigen Probleme so kompliziert sind, dass es wirklich schwer ist, darüber Songs zu schreiben. Da ist es einfacher, Bücher oder Artikel zu schreiben. Bei Songs können die Probleme oft nicht tiefgehend genug beleuchtet werden."

"Keine reißerischen Schlagzeilen-Songs"

Latin Quarter wollen auf keinen Fall den Eindruck erwecken, komplexe Probleme zu trivialisieren. Sie wollen keine reißerischen Schlagzeilen-Songs. Deshalb hat zum Beispiel Steve Jeffries auf der Internetseite der Band einen erklärenden Artikel zum Song "I am Refugee" geschrieben, in dem er das Lied rechtfertigt als Mittel, um Rassisten die Stirn zu bieten.
Im Songtext schlägt er dann einen Bogen zur Flüchtlingssituation während des Zweiten Weltkrieges.
Flüchtlingskrise, Korruption, Finanzpolitik – alles Themen, die im neuen Album "The Imagination of Thieves" behandelt werden, verpackt in unaufgeregtem Akustik-Pop. So aktuell die Texte sind, so retro ist allerdings die Musik, die an frühere Latin Quarter Alben wie "Bringing Rosa Home" erinnert, ohne neue Ideen. Da haben die Musiker wohl die Chance vertan, eine breite Aufmerksamkeit mit diesem Album auf sich zu ziehen.
Auch die durchaus relevanten und gleichzeitig poetischen Texte reichen da nicht aus. Im Titelsongs wird zum Beispiel eine Polizeikontrolle beschrieben. Der Fahrer hat keine Papiere dabei, bietet aber eine Spende, worauf der Polizist erwidert: Mein Vorgesetzter wird etwas mehr als das erwarten.
"Ich hab eine Weile in Mexiko gelebt. Korruption gehört da zum Alltag. Egal, ob man von der Polizei angehalten wird, oder man muss zu irgendwelchen Ämtern oder hat mit der Regierung zu tun – ständig muss man Bestechungsgeld zahlen. Das ist ein riesiges Problem. Und je öfter ich mit Menschen aus anderen Ländern der Welt spreche, Russland, China, alle lateinamerikanischen Länder – überall ist Korruption an der Tagesordnung."

Es braucht mehr kreativen Pop

Zwei sympathische, ehrliche Menschen ergeben nicht automatisch ein glückliches Paar. Und eine sympathische Melodie und ein ehrlicher Text ergeben auch nicht automatisch einen guten Song.
Pop und Politik können und sollten natürlich zusammengehören –auch im Jahr 2016. Und es ist gut, dass es Bands wie Latin Quarter mit ihren musikalischen Denkanstößen gibt, aber damit der Traum von der großen Pop-Karriere wahr wird, braucht es eben nicht nur Politik, sondern vor allem kreativeren und außergewöhnlicheren Pop.